Kapitel 33 - Als die Blase platzte

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Tatsächlich hielt er sein Versprechen und stand am Abend vor meiner Tür.

Er sah wirklich schlecht aus.

"Komm rein", ließ ich ihn wissen und küsste ihn zur Begrüßung.

Sein Lächeln wirkte müde und erschöpft. Er hatte einen Hoodie an, was für ihn äußerst ungewöhnlich war. Ich hatte ihn außerhalb seiner eigenen Wohnung noch nie in diesem Kleidungsstück gesehen. Vielleicht bedeutete es aber auch, dass er sich in meinen eigenen vier Wänden mittlerweile so heimisch fühlte, wie in seinem eigenen Zuhause.

"Möchtest du etwas trinken?"

Er schüttelte den Kopf. Wir gingen ins Wohnzimmer und ließen uns auf der Couch nieder.

"Okay, was ist los?", kam ich gleich zum Punkt, denn ich konnte nicht mehr länger warten. "Warum willst du keine Beziehung mit mir?"

Er schüttelte den Kopf.

"Wie bereits gesagt: Ich will eine Beziehung mit dir. Ich denke einfach nur, dass wir beide nicht glücklich sein würden."

"Warum?", fragte ich mit Nachdruck. "Sprich mit mir und wir finden eine Lösung."

Er sah mich mit seinen blauen Augen an und da war so viel Schmerz. Was ließ ihn so sehr leiden?

Er atmete einmal tief ein und wieder aus, ehe er zu sprechen begann.

"Mir geht nicht aus dem Kopf, dass du mir mal geschrieben hast, wie sehr du dir Kinder wünschst."

Gequält sah er mich an.

In meinem Bauch breitete sich ein schweres Gefühl aus. Ich hatte nicht mit diesem Thema gerechnet. Er hatte doch betont, wie sehr er Kinder liebte.

Darum ging es also! Das er keine Kinder haben wollte.

Bitte nicht!

"Ja, aber du hast du doch gesagt, dass du Kinder großartig findest", sprach ich mit piepsiger Stimme, da in mir Verzweiflung aufkam.

War das das Ende meines Traums? Platzte diese Blase und ich stand nun wieder ohne alles da? Ich bezweifelte, dass ich mit einem Mann zusammen sein konnte, der keine Kinder wollte. Für mich gehörte das einfach zum Leben dazu. Wilma hatte mich gewarnt: Niemand war perfekt. Und sein Makel bestand darin, dass er mir meinen Kinderwunsch nicht erfüllen wollte.

"Das tue ich auch. Wirklich! Ich liebe Kinder", widersprach er mir und beteuerte es glaubhaft. "Es ist nur so, dass ich 15 Jahre lang in einer Beziehung war und wir uns so sehr ein Kind gewünscht haben. Wir haben es viele Jahre probiert, doch es hat nicht funktioniert. Letztendlich ist unsere Beziehung daran gescheitert. Eine Woche nach dem Beziehungsende bekam ich vom Arzt die Bestätigung, dass ich keine Kinder zeugen kann. Es ist für mich einfach nicht möglich. Ich hätte es dir schon früher sagen sollen, aber ich habe die Zeit mit dir so genossen. Ich wollte dich nicht verlieren, aber ich kann verstehen, wenn das für dich ein Trennungsgrund ist. Für dich ist ein Kind der größte Wunsch. Das weiß ich nur zu gut und ich kann dir diesen Wunsch einfach nicht erfüllen. Glaube mir: Ich würde alles dafür tun, um das möglich zu machen, doch mein Körper ist dafür leider nicht geschaffen."

Mein Herz zerbrach in tausend Teile und das nicht wegen der Tatsache, dass ich kein Kind von ihm haben konnte, sondern weil sein Blick voller Schuld war. Erik sah aus, als würde man ihn gerade foltern.

"Ich weiß, dass es Scheiße ist, aber was soll ich machen?" sagte er sichtlich verzweifelt. "Ich liebe dich. Mehr als du dir vorstellen kannst. Aber ich weiß auch, dass du unbedingt ein Kind willst. Und das kann ich dir nicht bieten."

Auch ihm rollte nun eine Träne über die Wange.

Ich sollte ihn trösten, doch mein Körper war wie erstarrt.

Er konnte natürlich nichts dafür, dass er offenbar nicht zeugungsfähig war. Doch es war bereits eine Beziehung daran gescheitert und nun drohte sich dies zu wiederholen. Ich begann zu verstehen, warum er so voller Qual war. Und ich Idiotin hatte immer wieder betont, wie sehr ich eine eigene Familie haben sollte.

In meinen Augen standen plötzlich Tränen, denn er tat mir so leid.

"Es tut mir so leid, Lotta", flüsterte er.

Ich war derweil verstummt und überfordert. Es war mir unmöglich auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Ich starrte ihn an, während ich in meinem Kopf tausende Szenarien durchging. Es war der schönste Gedanken Erik immer an meiner Seite zu haben. Doch nie ein Kind zu haben brach mir das Herz. Natürlich schossen mir sofort Möglichkeiten wie Adoption oder Samenspende in den Kopf.

"Ich gehe jetzt wohl besser", sagte er schließlich als ich viel zu lange geschwiegen hatte.

Unsere Blicke trafen sich und es schien, als wäre zwischen uns plötzlich eine dicke Mauer.

Ich wollte nicht, dass er ging.

Doch noch immer brachte ich kein Wort aus mir heraus. Zu tief saß der Schock. Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit.

"Bleib", flüsterte ich mit heiserer Stimme.

Er schüttelte seinen gesenkten Kopf.

"Es ist besser wenn ich jetzt gehe. Bekomme erst einmal einen klaren Kopf. Ich will nicht, dass du überstürzt Dinge sagst, die vielleicht gar nicht so meinst und im Nachhinein bereust."

Er schlüpfte in seine Schuhe und öffnete die Wohnungstür. Es war nicht so nur als würde gerade meine große Liebe die Wohnung verlassen, sondern mein ganz persönliches Lebensglück.

"Erik!", rief ich nun mit kräftiger Stimme.
Doch er drehte sich nicht einmal mehr um und zog die Tür hinter sich heran. 

Letters from a StrangerTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang