~Der Saal der Adeligen~

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„Wir müssen kämpfen!", schrie Asran und schlug mit seiner blanken Faust auf den Holztisch. Die Gläser zitterten, der Wein in ihnen schwappte über. „Wozu?", fragte Vazyllanne ebenfalls genervt und stellte ihren eigenen Kelch wieder ab, den sie in der Hand gehalten hatte. Asran sah sie fassungslos an. „Wozu?", wiederholte er ungläubig. Dann zeigte er auf die verbarrikadierte Tür. „Da draußen sind Gracker! Und unsere Männer halten ihre Köpfe hin, damit wir hier in Sicherheit sein können! Sie sterben für uns, ist dir das klar, Vazyllanne? Sie sterben für uns, damit wir hier unseren Wein trinken können!", rief er und schlug die Gläser vom Tisch. Sie zersplitterten in tausend klirrenden Scherben auf dem Boden. Vazyllanne sah ihn ungerührt an, sie zuckte nicht einmal mit einer ihrer langen Wimpern. 

„Du magst als Elf geboren sein, Asran, aber ich denke, es gibt keinen einzigen Anwesenden hier im Saal, der dich noch als Elf ansieht. Deine Umgangsformeln sind das Letzte, sie zeigen nichts mehr von deiner guten Erziehung. Oder etwa doch?", erwiderte sie und drehte sich einmal um sich selbst, sah prüfend jedem ins Gesicht. Niemand sagte etwas, also wandte sich die Elfenkönigin wieder an Asran. 

„Du hast dich verändert. Dein Umfeld hat dich verändert. Deine Kontakte. Ich würde nicht daran zweifeln, dass Grimbold an deiner Stelle sofort gekämpft hätte. Du würdest es auch tun, nicht wahr? Dabei kommt mir die Frage auf: wieso? Wieso kämpfen, wenn wir hier sicher sind, wieso? Wir könnten Jahrzehnte hier verweilen", sagte sie und sah ihn starr an. Asran ging einen drohenden Schritt auf sie zu, sie wich nicht zurück. 

„Du magst mich nicht mehr als Elf erkennen, Vazyllanne, aber was soll das schon? Diese Axt hat Durgrim mir geschenkt, als Zeichen dafür, dass ich der neue König der Zwerge bin! Denk doch mal nach, verdammt noch mal! Kennst du einen Elfen, der schon einmal König der Zwerge war?", fragte er und ließ die kleine Schmuckaxt vor Vazyllannes Gesicht baumeln. 

Sie schüttelte den Kopf. Asran merkte erleichtert, dass seine Leibwächter neben ihn traten. Er ballte die Hand um die Axt. „Eben! Neue Zeiten brechen an, doch du bist blind dafür! Die Gracker werden nicht mehr lange warten, bald werden sie uns stürmen und die uralten Mauern werden brechen. Egal wie stark sie sind!", fügte er hinzu. 

„Denkst du nicht ein bisschen vorschnell?", fragte Vazyllanne doch Laurentius antwortete ihr direkt: „Vazyllanne, wie lange willst du noch warten? Was glaubst du, wie lange die Wälle halten werden? Wie lange die Krieger kämpfen können? Wie lange die Blüte der Elfen noch in voller Pracht strahlt? Egal was du sagst, ich werde an der Seite Asrans kämpfen. Ich lasse meine Krieger da draußen nicht verhungern oder anders leiden. Ich werde an ihrer Seite stehen, wenn die Stunde des Todes einläutet. Sie sind wie Kinder für mich. Und auch Asran ist ein Kind für mich. Ich bin ihm etwas schuldig. Ich war es, der Moserim dazu gezwungen hat, Asran hinweg zu schicken! Ich war es, der Asran Lasyn entrissen hat! Und ich muss diese Schuld begleichen!"

Der Elfenkönig trat vor und legte Asran eine Hand auf den Rücken. Auch Navèst gesellte sich zu ihnen. Sie sagte nichts, ihr Blick beantwortete alle Fragen. Sie war entschlossen, ihr Schicksal nicht weiter aufzuschieben. „Wenn wir länger warten, dann werden die Gracker immer zahlreicher! Sie sind wie Ameisen, das sagte Mosemsis immer. Und er hat Recht! Wenn wir sie nicht stoppen, wer dann? Unsere Kinder, die nie geboren würden?", fragte Aristeas und stimmte somit Asran zu. Ein Brummen von Athavar und Obsukrin bestätigte ihm, dass auch sie Asran Recht gaben.

Thorwin seufzte theatralisch, ein breites Grinsen lag auf seinen Lippen. „Dein Essen ist vorzüglich, Vazyllanne. Hast du noch mehr davon?"

Ein wenig irritiert starrte sie ihn an, nickte dann jedoch leicht. Zumindest nahm Asran das an, die kleine Bewegung ihres Kinns konnte womöglich alles bedeuten.

„Fein", Thorwin lächelte spitz. „Dann werden unsere Männer ja perfekten Proviant haben, wenn die Gracker aufmarschieren."

„Das ist dann also eure Ansicht", sagte Vazyllanne bitter. Enttäuscht musterte sie all jene, die sich ihrem Plan entgegengestellt hatten. Asran nickte.

„Du bist alt geworden. Deine Entscheidungen zu lange überdacht. Du bist einsam, und deswegen bist du genauso, wie du bist", sagte der Zwergenkönig. Vazyllanne wandte sich an Aznael, der einzige, der noch neben ihr stand. „Ich bin nicht einsam", flüsterte Vazyllanne heiser und griff nach Aznaels Hand, „Aber wenn ihr so wollt, dann schickt all eure Krieger in den Tod. Meine werden hier verharren und warten, bis die Zeit der Gracker vorüber ist."

Das fünfte Amulett (Band II der Chronik von Mittelland)Where stories live. Discover now