~Der Überfall~

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Es fröstelte Asran. Von der mittäglichen Wärme war nichts mehr zu spüren. Es war früher Nachmittag und hinter den Gefährten stand eine Streitmacht von etwa achthundert Kriegern bereit zum Kampf. Athavar schien erleichtert, er hatte wohl mit weniger Kämpfern gerechnet. Obsukrin hatte große Arbeit für so kurze Zeit geleistet. Etwa vierhundert Krieger waren zu Pferd, gerüstet mit Speer und Schwert. Einige der Menschen besaßen sogar Kurzbögen. Zweihundertfünfzig Krieger waren zu Fuß unterwegs in die Schlacht. Sie waren voll gepanzert, hielten mannshohe Schilde und waren mit Langspeeren und Schwertern bewaffnet. Sie würden die Front bilden. Wenn der Feind anrückte, würden sie erst die Speere nutzen, dann würden sie zu den Schwertern greifen. Die restlichen hundertfünfzig Krieger waren auf verschiedenen Streitwagen untergebracht, die den Feind umkreisen würden. Auch sie waren mit Schwertern, aber auch mit Wurfmessern gerüstet. 

Obsukrin hatte den Plan gehabt, die gegnerische Streitmacht in kleine Gruppen zu teilen. So war die Chance höher, dass die meisten von ihnen siegen würden. Die Menschen aus Romak würden den linken Flügel jener Armee übernehmen. Erst würden sich die Menschen in die Masse drängen, dann langsam aber sicher die Soldaten des feindlichen Heeres von der Masse abschneiden und töten. Asran hegte Zweifel an diesem Plan. Die Menschen dachten zu naiv. Auch zweifelte Asran an dem Plan von Aristeas, der versuchen würde, die verschiedenen Völker Mittelland unter einem Banner zu vereinen. Es sträubte Asran, neben Zwergen kämpfen zu müssen.

„Ihr Menschen aus Romak, hört mich an! Da draußen warten Bestien, wilde Kreaturen, die auf euer Blut gieren. Zeigt ihnen weder Mitleid, noch Hass, denn ihr seid Krieger! Ihr seid die Krieger Romaks und ich bin stolz, euch führen zu dürfen, als König! Denn ihr seid mein Heer! Mein Heer aus Romak! Meine Krieger aus Romak!", schrie Athavar und zügelte sein Pferd. Die Menschen nahmen den Schlachtruf sofort auf. „Die Krieger aus Romak! Die Krieger aus Romak!", schallte es von überall her. Athavar hob den Arm und gebot seinem Heer zu schweigen. „Wir werden zu den Elfen und Zwergen ziehen und uns mit ihnen vereinen. Heute Nacht werden wir an der Ruine von Taebryn rasten. Mögen eure Ahnen bei euch sein und euch unterstützen in jener dunklen Stunde, in der ihr dem Feind ins Angesicht blickt und ihr siegen werdet!", schrie er und die Menge jubelte. 

Als Athavar sich aber abwandte und sein Pferd neben das von Asran trieb, war seine gute Laune erloschen. „Sie werden es nicht schaffen. Sie sind Menschen, sie haben noch nicht einmal gegen einen Elfen gekämpft haben. Ich war lange Zeit bei den Elfen und erlernte dort das Schwertkämpfen. Doch selbst die besten Krieger der Elfen würden gegen Gracker verlieren", sagte er. „Warum erzählst du ihnen dann, dass sie siegen können?", erwiderte Asran leise. „Weil ich ihnen so Hoffnung gebe. Und Hoffnung ist das einzige, was uns in diesen dunklen Zeiten noch bleibt", antwortete Athavar.

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„Da hinten sind sie. Die Menschen", sagte Shrambal. „Sehr gut", erwiderte dessen Feldherr: „Dann wird unser Plan aufgehen." Shrambal verneigte sich und lief zurück zu seinem Posten. Sein Herr hatte ihnen eingeschärft, das Heer der Menschen aus Romak zu vernichten, noch ehe sie ihre Waffen heben konnten. In Shrambals Augen waren die Menschen keine gebührenden Gegner. Sie waren Kinder. Menschenkinder. Und Shrambal war ein gefügiger Diener. Viele nannten Shrambals Herr 'Dunklen Lord' oder 'Er'. Dies verstand Shrambal nicht. Sein Herr war ein Stratege, ein guter Herrscher. Aber als guter Herrscher brauchte er Truppen, Heere, Siege. Und einen dieser Siege erbrachten nun sie, die Gracker. 

Die Elfen hielten sie für hässlich. Shrambal zog die Nase hoch und spuckte aus. Hochnäsiges Pack. Shrambal und seine Waffenbrüder waren vielleicht nicht so hübsch wie die Riesen, aber die Gracker konnten Eisen tragen, woran sich Riesen verbrannten. Auch konnten Shrambal und seine Gefährten mit hoher Kunst schmieden. Besser noch als die Zwerge.

Das fünfte Amulett (Band II der Chronik von Mittelland)Where stories live. Discover now