Wiedersehen mit der Familie

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Am Abend kam ich bei meinen Eltern in Limburg an. Meine Mutter öffnete die Tür und nahm mich in den Arm. Wir hatten uns fast das ganze Jahr nicht gesehen, deshalb war die Freude, Weihnachten zusammen verbringen zu können, umso größer. „Meine Große, endlich bist du wieder da. Ich hab dich so vermisst." „Ich dich auch, Mama." „Aber gut siehst du das. Wenn auch ein bisschen müde." Ich lächelte matt. Die vergangenen Wochen hatten ordentlich an meinen Kräften gezehrt und in Kombination mit der langen Autofahrt war ich jetzt doch ziemlich kaputt. Ich folgte meiner Mutter ins Haus, wo ich meinen Koffer abstellte, meine Schuhe auszog und meinen schwarzen Mantel an die Garderobe hängte. Dann gingen wir ins Wohnzimmer, wo mein Vater saß und ein Buch las. Er sah auf und lächelte. „Jenny, schön, dass du endlich wieder zu Hause bist", begrüßte er mich und umarmte mich. „Hallo Papa." Ich hatte meine Eltern wirklich vermisst. Wir hatten ein sehr gutes Verhältnis zueinander und so waren sie, als der erste Lockdown kam, sehr enttäuscht gewesen, dass ich nicht wieder nach Limburg, sondern zu Nico gezogen bin. Aber irgendwann hatten sie mich verstanden und ich war ihnen wahnsinnig dankbar dafür. Sie waren beide generell sehr verständnisvolle Menschen. Ich kam charakterlich sehr nach meinem Vater mit seiner offenen und hilfsbereiten Art, während ich optisch das totale Ebenbild meiner Mutter war. Von ihr hatte ich die schokobraunen Haare, die grünen Augen und die Stupsnase. Sie hatte immer noch den französischen Akzent, obwohl sie schon jahrelang in Deutschland lebte. Ich fand, dass sie das sehr sympathisch machte. Wir verbrachten den Abend damit, dass wir einfach nur miteinander redeten. „Sag mal, Jen, hast du eigentlich eine neue Kette?", fragte meinte Mutter irgendwann. Ich nickte. „Ja, die habe ich am Sonntag schon zu Weihnachten bekommen." „Von Nico?" Ich schüttelte den Kopf. „Nein, von Jonas." Sowohl sie als auch mein Vater legten fragend den Kopf schief. „Wer ist Jonas?", fragte sie mit gerunzelter Stirn. Ich wurde ein wenig rot, als ich an meinen Freund dachte. „Er ist einer von Nicos Finalisten und naja, seit dem Halbfinale ist er auch mein Freund", fügte ich schüchtern lächelnd hinzu. Die Augen meiner Mutter wurden groß, doch man sah ihr an, dass sie sich für mich freute. Mein Vater sah mich jedoch weiter prüfend an. „Und wann stellst du ihn uns mal vor?" „Bald", antwortete ich. „Er kommt aus Koblenz, also sollte das kein Problem sein. Ich würde nur gerne noch ein bisschen warten, wenn ich ehrlich bin. Gerade weil die Coronazahlen wieder so hoch sind. Ihr habt ja doch ziemlich viel mit Oma zu tun und ich will das Risiko, dass sie sich ansteckt, möglichst gering halten." Die beiden nickten zustimmend und schließlich fragte mein Vater: „So, und jetzt erzähl mal. Wie war es so bei The Voice?" Ich fing an, von meinen Erlebnissen bei The Voice zu erzählen und kam schließlich zu meinen Plänen für den heiligen Abend. „Bist du sicher, dass du das wirklich dann machen willst?", fragte mein Vater mit einer hochgezogenen Augenbraue. Ich nickte. Ich hatte auf der Fahrt nach Hause lange nachgedacht, ob ihr meinen Plan wirklich Heiligabend durchziehen sollte, war mir dann aber sicher gewesen, dass es den Aufwand wert sein würde. Wir redeten noch eine Weile weiter, dann ging ich sehr müde ins Bett. Ich schrieb Johnny noch schnell und wünschte ihm eine gute Nacht. Er hatte mich vorhin schon angerufen, um mir zu sagen, dass er und Maël gut zu Hause angekommen waren. „Gute Nacht, Prinzessin", war seine Antwort auf meine Nachricht. Ich grinste, legte mein Handy zur Seite und war schon eingeschlafen, kaum das mein Kopf das Kissen berührt hatte.

Der nächste Tag wurde stressig. Ich fuhr rüber nach Koblenz, um dort endlich den ganzen Papierkram für den Umzug zu erledigen. Ich meldete mich um, beantragte einen neuen Personalausweis und fuhr schließlich zu meiner neuen Wohnung. Meine Oma hatte den Schlüssel schon zu meinen Eltern geschickt, da wir uns beide einig waren, dass ich mit ihr als Teil der Risikogruppe keinen Kontakt haben sollte, wo ich doch in letzter Zeit so viel unterwegs gewesen war. Ich drehte den Schlüssel im Schloss um und öffnete dann vorsichtig die Tür. Die Zwei-Zimmer-Wohnung hatte einen wunderschönen, ab und zu knarrenden Holzboden und unfassbar viele Einbauschränke im Flur, von welchem das Bad, mein zukünftiges Schlafzimmer und das große Wohnzimmer ab gingen. Die Küche befand sich ebenfalls im Wohnzimmer, war jedoch so gut abgegrenzt, dass sie nicht bei einem gemütlichen Abend stören würde. Der Großteil der Möbel, die hier schon standen, hatte ich aus Hamburg mitgebracht. Sogar mein Bett stand schon fertig aufgebaut im Schlafzimmer, der Fernseher war angeschlossen und das Internet hatte mein Vater letzte Woche installiert. Ich zog Schuhe und Jacke aus und warf mich auf das Sofa, als mein Handy klingelte. „Hey", begrüßte ich meinen Freund, der scheinbar gerade erst wach geworden war. „Hey Jen." „Na, bist du noch nicht ganz wach?" „Geht. Ich wollte dich nur eben unbedingt anrufen, weil wir es gestern Abend nicht mehr geschafft haben, miteinander zu reden." Er gähnte und fragte dann: „Wie geht es dir? Bist du gut angekommen?" „Ja. Es geht mir ganz gut. Ich hatte heute noch einiges zu erledigen. Jetzt bin ich fertig und muss mal sehen, was ich mit dem restlichen Tag noch anstelle. Vielleicht nehme ich gleich noch ein bisschen Musik auf", ich lehnte mich zurück und lächelte, „und du?" „Maël und ich wollen heute Abend noch live gehen und ein paar Fragen beantworten. Und bis dahin, keine Ahnung. Vermutlich erst mal aufstehen und dann kurz gucken, was ich hier alles verpasst habe." Er schwieg kurz und sagte dann: „Du fehlst mir so sehr, Prinzessin." Ich lächelte. „Du fehlst mir auch." Ja, und wie er mir fehlte. Obwohl wir uns das letzte Mal vor ein bisschen mehr als 24 Stunden gesehen hatten, kam es mir schon wie eine Ewigkeit vor. Ich vermisste sein Lachen und seine Energie, seine Art, die Dinge anzugehen. Je mehr ich darüber nachdachte, desto trauriger wurde ich. Deshalb wechselte ich schnell das Thema. Wir redeten über eine Stunde, dann musste ich auflegen. Jedoch nicht, ohne ihm zu verspreche, heute Abend bei dem Stream zuzusehen. 

Don't leave me, Johnny || Maël und Jonas FFWhere stories live. Discover now