Ich träum' ja nur

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„Jen, kann ich dir mal eine etwas philosophischere Frage stellen?" „Klar", antwortete ich Paula, die neben mir auf der Mauer vorm Studio saß und an einer Zigarette zog. „Was ist das, was du dir am Sehnlichsten für die Welt wünscht?" Ich dachte kurz nach und meinte dann: „Dass die Menschen aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und anfangen zu verstehen, auf was es wirklich ankommt." Paula runzelte die Stirn und sagte: „Okay? Ich hätte jetzt mit Weltfrieden gerechnet. Oder dass die Pandemie aufhören soll." Ich lachte. „Klar, das wünsche ich mir auch. Aber ich denke halt auch, dass die Problem auf der Welt vielleicht nicht entstanden wären, wenn die Menschen aus ihren Fehlern gelernt hätten." Paula sah mich aufmerksam an und ich fuhr fort: „Sieh mal, momentan hört man die ganze Zeit von irgendwelchen rassistisch motivierten Anschlägen und anderen Aktionen. Das müsste doch alles nicht sein. Wir sind alle Menschen, egal, ob dunkel- oder hellhäutig, ob Asiate oder Europäer oder Afrikaner, ob du nun Christ bist oder Muslim bist. Warum verurteilen sich die Menschen für ihr Anderssein? Jeder Mensch ist einzigartig und jeder darf glauben, woran er will und sein, wie er will. Wir wissen doch aus der Vergangenheit, wohin Rassismus und Feindseligkeit führen. Nämlich zu Kriegen und zu vielen Toten. Keiner sollte sterben, weil er ist, wie er ist. Das Leben jedes Menschen ist wertvoll und es ist absolut falsch, sich selbst oder seiner Art zu sein mehr Bedeutung zu geben als jemand anderem. Wenn die Menschen diese Einstellung mehr bedenken würden, gäbe es weniger Probleme auf der Welt. Und ich träume von einer Welt, in der es weniger Kriege, Rassismus und Probleme gibt." Paula nickte langsam. „Da magst du recht haben. Ich kann dich echt verstehen. Sag mal, haben Silbermond nicht mal einen Song gemacht, der das auch ausgesagt hat?" „Ja, der heißt ‚Träum ja nur'. Ich mag den Song total." In diesem Moment öffnete sich die Eingangstür des Studios und Maël und Jonas erschienen. Sie entdeckten uns und kamen zu uns. „Hallo, die Damen. Genießen wir den wohlverdienten Feierabend?", meinte Maël grinsend. „Jap, seid ihr auch durch?", fragte Paula die beiden lächelnd, während ich immer noch nachdachte und dabei auf meiner Unterlippe rumkaute. Jonas sah mich prüfend an. „Alles gut, Jen?" „Ach, Paula und ich haben nur gerade über etwas geredet, was mich eigentlich immer beschäftigt." Er stellte seinen Gitarrenkoffer vor sich auf den Boden und fragte: „Und was ist das?" Ich erwiderte seinen Blick, ohne etwas zu sagen. Hinter ihm kamen gerade auch Tosi, Olli und Alessandro aus dem Studio und gesellten sich zu uns. „Ich meine, fragt ihr euch nicht, warum wir so bescheuerte Probleme auf der Welt haben?", fragte ich und sah alle nacheinander an. Die The Voice-Talente erwiderten meinen Blick mal fragend, mal abwartend. Ich sah auf eine Straßenlaterne hinter der Gruppe und fing an zu singen:

„Seh ich mich um, muss sagen ich werd
Das Gefühl nich los, irgendwas läuft verkehrt
Als würde sich Geschichte einfach wiederholn
Kasper gewinnen Wahlen mit dumpfen Parolen
Leben auf großem Fuß, verheizen diese Welt
Und über allem thront das Geld

Doch ich seh
Peace-Zeichen, da wo Menschen wohnen
Hör Imagine aus Panzern und Drohnen
Frauen und Männer überall gleich
Reichtum, der für alle reicht"

Ich sah zu Paula, die die nächsten Zeilen mit mir sang.

„Alle Hände in die Luft
Für die Musik,
Für den Frieden
Feier den Mensch und die Unterschiede
Und Kritiker krakeelen: Was wolln die Hippies nur?
Man, entspann dich, ich träum ja nur"

Jonas beugte sich zu seinem Gitarrenkoffer und hängte sich seine Gitarre um. Im Hintergrund verließen gerade die Coaches ebenfalls das Studio und blieben stehen, als sie sahen, das wir hier so zusammen standen. Mein Freund fing an, das Lied auf der Gitarre zu spielen und Maël übernahm den nächsten Part:

„Und jeder Tag n Friday for Future
Jeder Mensch mit Verstand und Liebe geflutet
Und 2060 fragt mein Enkel mich
‚Du Opa, sag mal, was ist eigentlich ein Rassist?
Und was ist eigentlich ein Homophober?
Und was ne Klimakatastrophe?"
Und ich so: "Kleiner ich bin froh, dass du's nicht weißt
Ist nämlich alles Scheiß der Vergangenheit.'"

Ich sprang mit Schwung von der Mauer und sang die Leute um mich herum an. Alle machten mit. Auch die Coaches waren zu uns gestoßen und sangen mit:

„Ich seh Peace-Zeichen, da wo Menschen wohnen
Hör Imagine aus Panzern und Drohnen
Frauen und Männer überall gleich
Reichtum, der für alle reicht
Alle Hände in die Luft für die Musik, für den Frieden
Feier den Mensch und die Unterschiede
Und Kritiker krakeelen: Was wolln die Hippies nur?
Man, entspann dich, ich träum ja nur

Ich seh Peace-Zeichen, da wo Menschen wohnen
Hör Imagine aus Panzern und Drohnen
Frauen und Männer überall gleich
Reichtum, der für alle reicht
Alle Hände in die Luft für die Musik, für den Frieden
Feier den Mensch und die Unterschiede
Und Kritiker krakeelen: Was wolln die Hippies nur?
Man, entspann dich, ich träum ja nur"

Jonas improvisierte auf der Gitarre, während Steff sich grinsend zu mir stellte und die anderen zum Klatschen motivierte und dabei gesanglich ebenfalls improvisierte. Ich tanzte derweil ausgelassen. Die ganze Situation gab mir gerade so viel. Ich liebte es mit anderen Leuten Musik zu machen und gerade dieser Song gab mir das Gefühl, dass man vielleicht doch noch etwas an der Einstellung der Menschen ändern könnte, wenn sich jeder an die eigene Nase fassen würde.

Peace-Zeichen, da wo Menschen wohnen
Hör Imagine aus Panzern und Drohnen
Frauen und Männer überall gleich
Reichtum, der für alle reicht
Alle Hände in die Luft für die Musik, für den Frieden
Feier den Mensch und die Unterschiede
Und Kritiker krakeelen: Was wolln die Hippies nur?
Man, entspann dich, ich träum ja nur"

Beim letzten Part wurde es um mich herum immer ruhiger, bis mich nur noch Jonas auf der Gitarre begleitete.

„Alle Hände in die Luft für die Musik, für den Frieden
Feier den Mensch und die Unterschiede
Und Kritiker krakeelen: Was wolln die Hippies nur"

Die letzte Zeile sang ich acapella:
„Man, entspann dich, ich träum ja nur"

Dann fing ich an zu lachen. „Ey, ihr seid ja komplett bescheuert. Das hat so Spaß gemacht." Ich drehte mich zu Steff und meinte: „Nebenbei bemerkt, das ist voll der krasse Song. Du sprichst mir so aus der Seele." „Habe ich mir fast gedacht", meinte die Sängerin kichernd. Sie hielt mir die Faust hin und ich gab ihr den Fist Bump. Nico sah mich an und fragte: „Wie kam es jetzt eigentlich zu dieser Situation?" Ich zuckte mit den Schultern und meinte: „Paula hat mir eine philosophische Frage gestellt." „Oh, ja, ich verstehe. Jenny eskaliert gerne mal bei philosophischen Fragen", meinte er. Ich boxte ihm gegen die Schulter, musste dann jedoch auch lachen. Wo er recht hatte, hatte er recht.

Don't leave me, Johnny || Maël und Jonas FFWhere stories live. Discover now