Kapitel 9

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Cara

Seitdem ich Will im Krankenhaus getroffen hatte, waren einige Wochen vergangen, es war inzwischen April und gelegentlich hatten wir uns sogar zum Kaffeetrinken in Frisco oder San Jose getroffen.

Das war... schön.
Wir waren jetzt so etwas wie Freunde und das... das gefiel mir,  ja ich freute mich darüber.
Es war sogar fast so, wie früher. Wir neckten uns, lachten miteinander und redeten über die letzten paar Jahre.

Nur eben ohne das Ganze küssen und Sachen, die man eben als Pärchen so machte, wie bestimmte Praktiken, die man am besten ohne Klamotten... ähm ja, Themawechsel.
Ob Will eine Freundin oder ähnliches hatte wusste ich nicht, er hatte jedenfalls nichts dergleichen erwähnt, als wir uns die letzten Male getroffen hatten.

Und er hätte es doch bestimmt gesagt, wenn er eine hätte, oder?
Und aus welchem Grund auch immer freute das mein kleines dummes Herz.
Ich konnte ihm einfach nicht klar machen, dass das zwischen Will und mir lange vorbei war.
Die Collegezeiten waren vorüber, jeder von uns hatte nun ein eigenen Leben.
Leider.

Erst gestern hatte ich übrigens mit meinem Zwillingsbruder Finn über drei Stunden gefacetimet, er hatte gerade eine Woche 'Urlaub' und befand sich mit seiner neuen heißen Flamme in Miami.

Dass er überhaupt eine Neue am Start hatte, wusste ich nicht, weil er mir es gesagt hatte, sondern über seinen Instagram-Account.
Dort hatte er nämlich letztens eine Story repostet, die ihn und eine Blondine Arm in Arm am Miami Beach zeigten.

Sie sah aus wie eine dieser typischen Summergirls, die es wie Sand am Meer gab. Blonde Haare, gebräunte Haut, von der man nicht genau wusste, ob es durch Sonne oder das Solarium verursacht wurde, gertenschlank und mit aufgespritzten Lippen. Uäh.

Ich verstand zwar nicht genau, was mein Bruder so toll daran fand, ein rotes Schlauchboot abzuknutschen, aber solange er glücklich war, sollte mir wohl egal sein, wenn seine Freundin halb Mensch halb Plastik war.

Okay, das war gemein, ich weiß, aber ich hasste es einfach nur, wenn solche Frauen Bilder hochladen und so taten, als ob alles an ihrem Körper total normal wäre und jedes Mädchen so aussehen muss, um als hübsch zu gelten und von der Gesellschaft anerkannt zu werden.

Wenn Frauen es einfach zugeben, dass sie etwas machen lassen haben, weil ihnen etwas an sich nicht gefallen hatte, dann war ich die letzte, die dagegen war.
Aber wenn man, es eben anders darstellte...
Sowas kotzte mich einfach nur an, vor allem, weil ich selbst miterlebt habe, was Bodyshaming und diese ganzen verzogenen Schönheitsideale auf Instagram und sonst wo bei anderen Leuten auslösen kann.

Ich hatte in der Highschool ein Mädchen in meiner Klasse gehabt, die zwar nicht gemobbt wurde oder ähnliches, aber trotzdem so unter Druck gesetzt wurde, hübsch zu sein, dünn zu sein und genauso aussehen zu müssen wie die Frauen auf Instagram, dass sie sich eine Auszeit nahm, die Schule schmiss und nach Europa ging.
Was aus ihr wurde wusste ich nicht, ich hatte sie wohl seit über 10 Jahren nicht mehr gesehen.

Okay, jetzt mal weg mit den traurigen und deprimierenden Geschichten, ich mutierte ja langsam zu meiner Großtante Margret, die auch in allem und jedem nur das Schlechte sah und die ganze Zeit deprimierende Geschichten aus ihrer Kindheit erzählte, die wohl nicht ganz immer der Wahrheit entsprachen.
Sie war depressiv und dement.
Offensichtlich.

"Cara, worüber denkst du denn so angestrengt naaaahach", trällerte mir plötzlich eine fröhlich klingende Stimme ins Ohr, die mich aus meinen Gedanken riss.
Ich zuckte zusammen und ließ fast meinen Iced Tea von Dunkin Donuts in den Sand fallen.

Allie und ich waren joggen gewesen, saßen nun mit unseren iced teas im noch warmen Sand und bewunderten den schönen Sonnenuntergang über dem Meer.
Naja, sie bewunderte ihn, ich hatte die ganze Zeit nur stumpf in den Sand gestarrt und meinen Gedanken nachgehangen.

"Sorry", sagte ich entschuldigend und zuckte mit meinen Schultern. Dann lächelte ich etwas gezwungen und strich mir einige Haarsträhnen, die sich aus meinem Pferdeschwanz gelöst hatten, wieder zurück hinters Ohr.

"Alles klar? Du bist seit einiger Zeit oft so abwesend und nachdenklich.", fragte mich Allie und sah mich mit einem besorgten Blick an. Als ich ihr nicht direkt antwortete, seufzte sie und legte ihren Kopf an meine Schulter.
Zusammen sahen wir schweigend zu, wie die Sonne immer mehr sank und nun fast das Meer berührte.

Einige Zeit lang saßen wir so da, bis ich mich zusammenriss und anfing zu sprechen.
"Es tut mir leid, Allie. Ich weiß auch nicht genau, was gerade mit mir los ist. Seit..."
Ich brach ab, konnte doch nicht weiter reden.

"Seit du Will wieder getroffen hast?", beendete Allie meinen angefangenen Satz und richtete sich etwas auf, um mir in die Augen zu sehen.
Ich nickte, meine Augen fingen an, zu brennen. Wütend wischte ich mir über das Gesicht.

Als ich Will zum ersten Mal mach all der Zeit wieder sah, dachte ich wirklich, dass es klappen könnte. Dass wir Freunde sein könnten. Aber je öfter wir uns trafen...desto mehr kam wieder das Bauchkribbeln zurück, das Herzklopfen, einfach alles.
Verdammt.

"Süße, kann es... kann es sein, dass irgendetwas in dir Will noch... liebt?", fragte sie sanft und ich zuckte hilflos mit meinen Schultern, obwohl ich die Antwort eigentlich schon kannte.
Ich hatte nie aufgehört.
Hatte nie aufgehört ihn zu lieben und das machte mir jetzt Angst.

Ich damit nicht alles kaputt machen. Wer wusste schon, wie gut er es fand, dass ich nach all der Zeit immer noch Gefühle für ihn hatte. Oh Gott, er würde sich wahrscheinlich nicht mehr mit mir treffen wollen.
Aber... eine kleine Stimme wagte zaghaft anzumerken, dass es ihm genauso gehen könnte.

Dass er auch nie aufgehört hatte....
Nein, stop.
Die Wahrscheinlichkeit lag wohl bei Null Komma Periode 1 oder so, wahrscheinlich noch niedriger.
Ich sollte ihn nach all der Zeit loslassen.
Ich musste einfach, sonst würde ich wohl mein ganzes Leben lang alle Männer, die ich datete mit Will vergleichen.

"Ich würde noch einen Happen essen, hast du auch Lust?", fragte Allie urplötzlich, stand auf und klopfte sich den Sand von ihrer dunklen Leggings.
Es war offensichtlich, dass sie mich auf andere Gedanken bringen wollte und das war einfach süß von ihr.

Die Sonne war fast ganz im Meer versunken und färbte den Himmel in die schönsten Farben, wie  Burgunderrot, Magentapink und Zitronengelb.

"Klar, lass uns zu In n Out gehen." Sagte ich erleichtert und richtete mich ebenfalls auf.
Ich sollte nicht die ganze Zeit über ihn nachdenken, diese verdammten Gefühle gehörten in eine Kiste gesteckt und in den Sand vergraben, wo ich sie nie wieder finden würde.
Ich musste damit aufhören.
Ich musste ihn endlich loslassen.
Auch wenn es verdammt schwer war.

Was glaubt ihr, schafft es Cara, ihre Gefühle für Will zu unterdrücken?

Ich freue mich wie immer sehr über eure Votes und Kommentare :)

Sucker For Him | Band 2Where stories live. Discover now