chapter nine

108 11 0
                                    

"Here we go again"

„Wessen Party ist das eigentlich?", fragte ich, als wir mit dem roten Fiat von Grace vor einem großen Haus zum Stehen kamen. Sie meinte, sie würde ihn einfach stehen lassen und wir könnten später mit Brandon nach Hause fahren.

„Keine Ahnung." Meine Freundin zuckte mit den Schultern und schnallte sich ab. Bevor sie jedoch die Tür öffnete, kontrollierte sie nochmals ihr Make-up im Rückspiegel. Währenddessen zupfte ich an meinem Oberteil.

Letztendlich hatte ich mich (oder eher Grace) für eine helle Jeans entschieden, die hoch saß und an den Enden ausfranste. Das kurze schwarze Top hatte sie mir geliehen. Es war nicht wirklich das, was ich sonst immer trug, aber wehren konnte ich mich so oder so nicht. Überall war es mit schöner Spitze bestickt und an manchen Stellen sogar etwas durchsichtig. Der Ausschnitt war nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel. Passend dazu trug ich an den Füßen schwarze Stiefeletten, die einen kleinen Absatz hatten und vorne spitz zusammenliefen. Meine braunen Haare hatte ich ein wenig gelockt und das Make-up war nicht übertrieben. Mit den zwei goldenen Halsketten, den Ohrringen und Armreifen gab es ein gutes Gesamtbild ab. Das musste ich Grace lassen: Sie könnte Stylistin werden.

„Wir gehen also auf eine Party von einem fremden Menschen?", hinterfragte Cathy. Sie hatte sich tatsächlich für das weiße Kleid entschieden und sah mit ihren hellen Haaren aus wie ein Engel.

Grace ließ die Hand sinken und fuhr sich seufzend durch die blonden Haare. „Manchmal frage ich mich wirklich, ob du jemals auf einer Party warst."

„Grace", warnte ich meine beste Freundin und legte entschuldigend eine Hand auf Cathys Schulter. Erst dann bemerkte ich, wie angespannt sie eigentlich war. Ihr Lächeln war erloschen und wie vorhin in meinem Zimmer hatte sie diesen leeren Blick. „Ist alles in Ordnung?", flüsterte ich. Ich machte mir wirklich Sorgen um sie.

Bei meinen Worten fiel Cathy aus ihrer Starre und drehte ihren Kopf in meine Richtung. Zuerst sah sie auf meine Hand und dann zu mir. Das Lächeln fand ihre Lippen wieder, doch es erreichte nicht ihre Augen.

„Natürlich", krächzte sie und klärte erschrocken ihre Stimme. „Es ist nur sehr lange her, als ich das letzte Mal auf einer Party war."

Aufmunternd lächelte ich ihr zu. „Die Party, auf der alles im Desaster endete, war auch meine Letzte. Wir sind also gleich auf."

Sie schluckte und nickte anschließend leicht. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich sie damit nicht beruhigen konnte.

„Ihr könnt die Zeit gerne in diesem Auto verbringen, aber ich werde jetzt auf die wirkliche Party gehen." Grace öffnete die Fahrertür und trat ins Freie. „Wir sind sowieso schon viel zu spät", warf sie leise hinterher.

Ich griff noch nach Cathys Hand und drückte sie einmal, dann stiegen auch wir aus.

Die dumpfen Bässe und die Stimmen der feierwütigen Menge waren bis über die Straße zu hören. Grace klatschte aufgeregt in die Hände und zog uns eilig auf die andere Seite.

Ich kannte dieses Haus, aber wirklich aufgefallen war es mir hier in Clarksville noch nie. Seine Fassade bestand aus Grau gefärbten Holz, das Dach passte sich mit seinen anthraziten Elementen an und überhaupt, war es riesig. Auch Cathy hauchte neben mir ein überraschtes wow. Wer auch immer hier wohnte musste Eltern mit einer Menge Geld haben und welche, die kein Problem damit hatten, wenn etwas in die Brüche ging. Denn genau in diesem Moment sprang ein Kerl über den Zaun der Veranda und landete in einem schön gepflegten Blumenbeet. Es dauerte eine Weile, bis er sich erhob und brüllend die Arme in die Lüfte hob. Alle anderen auf der Veranda fielen aus ihrer Schockstarre und brüllten mit ihm. Die Stimmung war wohl bereits an ihrem Höhepunkt angekommen.

Wir liefen über die Einfahrt, dann die Treppen nach oben auf die Veranda und traten schließlich in das Haus ein. Die Musik war so laut, dass ich Schwierigkeiten hatte, meine eigenen Gedanken zu hören. Wenn mich nicht alles täuschte dröhnte gerade Five More Hours von Chris Brown aus den monströsen Boxen, die ich in einem der Räume ausmachen konnte. War das das Wohnzimmer? Die vielen Leute versperrten mir jegliche Sicht auf die Möbel und ich musste einmal tief durchatmen, bevor ich mich mit Grace und Cathy durch die Menge kämpfte. Es war immer gut, sich an Grace zu klammern. Sie besuchte so viele Partys, dass sie überhaupt kein Problem mit vielen Menschen auf einem Fleck hatte. Jetzt fragte ich mich sogar, ob es ihr Spaß machte, sich an grölenden, schwitzenden und nach Alkohol riechenden Menschen vorbeizuquetschen. Alle paar Sekunden hob sie die Hand und begrüßte irgendjemanden, den ich nicht kannte. Irgendwann kamen wir schließlich an Grace' Ziel an: Die Küche. Das hätte ich mir auch denken können.

Es war eine verdammt große Küche. Unsere hätte mindestens drei Mal hinein gepasst. In der Mitte befand sich eine Kücheninsel und dahinter tummelten sich ein paar Leute, die entweder miteinander sprachen, Beerpong spielten oder eben ihren Becher leerten. Zwischen ihnen konnte ich schließlich Brandon ausmachen und als er uns anstrahlte überkam mich eine überraschende Ruhe. Er kämpfte sich zu uns und packte Grace an der Taille, um sie zu sich zu ziehen. Leidenschaftlich drückte er ihr einen Kuss auf die Lippen und ich schaute automatisch zur Seite. Es war immer noch ein komisches Gefühl, dass meine zwei besten Freunde nun ein Paar waren.

Neben mir spielte Cathy mit den Enden ihres Kleides. „So schlimm?", fragte ich und sie schaute erschrocken zu mir, als wäre sie gerade tief in ihren eigenen Gedanken versunken gewesen.

Langsam schüttelte sie den Kopf. „Ich glaube, ich brauche einfach nur einen Schluck Alkohol."

„Das lässt sich machen." Brandon tauchte neben uns auf, den Arm über Grace' Schultern gelegt und mit leicht geröteten Lippen. „Was trinkst du denn gerne?"

Wieder hielt Cathy inne. Sie schien angestrengt nachzudenken und nicht wirklich auf eine Lösung zu kommen.

„Wie wäre es erst mal mit Bier?", schlug ich vor. „Und bitte nicht zu viel davon", sagte ich in Brandons Richtung. Dieser nickte ernst und verschwand dann wieder in der Küche.

„Sicher, dass alles in Ordnung ist? Du wirkst irgendwie-"

„Fehl am Platz", unterbrach mich Grace und ich warf ihr einen vernichtenden Blick zu. „Was denn?" Theatralisch legte sie die Hand auf ihre Brust. „Jeder hier würde dir sagen, dass sie wirkt, als wäre sie noch nie auf einer Party gewesen."

„War sie aber", konterte ich sofort. „Und du warst auch dabei."

Grace' presste sie Lippen aufeinander. „Ich bin immer noch einer anderen Meinung, aber was spielt das für eine Rolle, stimmts? Geschwister halten immer zusammen."

Ich kam wirklich immer mit Grace ihren Launen klar, aber das ging einfach zu weit. Bevor ich den Mund öffnen konnte, griff Cathy nach meiner Hand und drückte sie einmal, genauso wie ich es im Auto getan hatte.

„Ich kann für mich selbst sprechen, Eve", ließ sie mich wissen und widmete sich dann Grace, die abwartend ihre Augenbrauen hob. „Nicht jeder kommt auf Partys so gut klar wie du, Grace. Da ist es egal, ob man schon einmal auf einer war oder nicht. Man muss sie nicht mögen."

Ihre Stimme hatte wieder an Festigkeit gewonnen und irgendwie war ich stolz auf meine Schwester. Wir waren aus dem gleichen Holz geschnitzt. Auch ich konnte Partys überhaupt nicht ausstehen, aber wenn ich dabei Zeit mit meinen Freunden verbringen konnte, dann war mir das egal.

„Wir sind hier, um Zeit mit euch zu verbringen. Kannst du das nicht einfach genießen?"

Meine Wut verblasste, als Grace' Blick weicher wurde. Sie zögerte kurz, doch dann nickte sie. „Tut mir leid."

Fast hätte ich laut wie bitte gerufen, doch ich verkniff es mir. Eine Entschuldigung von Grace war selten. Mehr als selten. Sie gestand sich so gut wie nie einen Fehler ein. Von allen Menschen, die ich kannte, war sie mit Abstand die sturköpfigste.

Kurz überlegte ich, sie in die Arme zu nehmen, auch wenn wir das nicht oft taten. Brandon nahm mir jedoch die Entscheidung ab, als er mit unseren Getränken zurückkam. Jeder von uns bekam einen roten Becher in die Hand gedrückt. Als ich an der Flüssigkeit roch, versprach ich mir mit gerümpfter Nase, dass es bei diesem einen Becher bleiben würde.

Komme, was wolle.

Condition - BedingungOnde histórias criam vida. Descubra agora