chapter six

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"I wasn't myself for months and nobody noticed."


Damian

„Und?"

Jacob wartete im Gang auf mich und blickte auf, als ich vor ihm zum Stehen kam.

Ich zog die Jacke aus, die ich scheinbar immer noch getragen hatte, und zuckte mit den Schultern. „Dr. Herron meinte, dass es ihm bald besser geht, aber mehr wollte er nicht sagen."

„Die Verletzung war ja auch nicht so schlimm. Zumindest konnte ich sie schnell wieder heilen."

Mir war bewusst, dass Jacob mich und sich selbst beruhigen wollte, aber das schlechte Gewissen würde er mit keinen Worten der Welt loswerden können. In den letzten Monaten hatte ich Adelyn schon zu über zehn neuen Übernatürlichen verholfen. Jeder Einzelne davon verfolgte mich in meinen Träumen und würde mich wahrscheinlich nie wieder verlassen. Es war also nur logisch, dass ich mich manchmal nach einer Gedächtnislücke sehnte, obwohl es nichts von all dem besser machen würde.

Jacob machte ein Schritt auf mich zu. „Wie läuft es mit deinem Plan?", fragte er mit gesenkter Stimme und blickte hinter mich.

Gerade wollte ich antworten, da flog die Tür neben uns auf und Adelyn Walker trat auf den Gang. Sie blickte nach links und entdeckte uns. „Damian und Jacob." Lächelnd klatschte sie in die Hände. „Gute Arbeit. Ich wusste, dass auf euch Verlass ist."

Die Chefin und gute Laune. Das waren zwei Dinge, die sonst nicht wirklich gut miteinander funktionierten. Außerdem war sie hier die Einzige, die sich so freute.

Jacob entfernte sich ein Stück von mir und senkte den Blick. „Danke, Miss Walker." Es war selten, dass man Jacob mit solch einer Menge an Respekt erlebte, aber wenn man es tat, dann gegenüber von Adelyn Walker. Diese Frau war ein Mysterium.

„Wie geht es dem Jungen?", fragte ich stattdessen und reichte ihr das Navigationsgerät. Es war nun nicht mehr zu gebrauchen.

Ihr Lächeln verschwand nicht, als sie es entgegennahm. „Warten wir die ersten paar Sitzungen ab und dann wird er wie ein neuer Mensch sein." Sie gab einen komischen Laut von sich. War das etwa ein richtiges Lachen?

Jacob und ich tauschten heimlich verwirrte Blicke miteinander aus. Hielt sie das tatsächlich für einen Witz? Am liebsten würde ich an ihre Gurgel gehen und ihr klarmachen, was das hier für eine Scheiße war.

Nach einer kurzen Weile legte sie sich die flache Hand auf die Brust und atmete tief ein und aus. „Damian", begann sie. „Ich möchte, dass du Dr. Herron bei der ersten Sitzung begleitest."

Wie bitte? Wollte sie mich verarschen?

„Warum?", fragte ich sofort.

Das Lächeln verschwand aus ihrem Gesicht. „Weil ich es dir sage." Der Ton in ihrer Stimme hatte sich wieder verändert. „Sie findet gleich hier statt." Sie deutete hinter sich auf den Raum, aus welchem sie gerade gekommen war. „Wer weiß, welchen Nutzen du in Zukunft noch haben könntest. Ich möchte, dass du alle Bereiche kennenlernst und abdecken kannst." Sie nickte Jacob zu. „Du kannst wieder an den Außenposten gehen. Ich melde mich, wenn es wieder Arbeit gibt." Und mit diesen Worten machte sie sich einfach aus dem Staub.

„Oh man", brummte Jacob, als sie außer Hörweite war. „Die Sitzungen mit Dr. Herron. Denkst du, du bist bereit dazu?"

War man das jemals? Ich hatte noch nie gesehen, was sich hinter diesen Türen abspielte. Ich wollte es auch nicht sehen. Tausende Male hatte ich mir ausgemalt, was Eve wohl bei diesen Sitzungen durchmachen musste. Es zu sehen würde die reinste Hölle sein.

„Mir bleibt wohl nichts anderes übrig."





Dr. Herron hielt mir die Tür auf, als ich anklopfte. Aus dem Augenwinkel sah ich noch, wie Jacob an mir vorbeilief. Ich fragte mich, ob er jemals gesehen hatte, was in diesen Räumen vor sich ging. Darüber gesprochen hatten wir nie.

„Damian. Ich habe schon gehört, dass sie mir heute unter die Arme greifen werden." Jedes Mal, wenn ich sein Gesicht sah, drohte in mir eine Bombe zu explodieren. „Kommen sie herein."

Wie immer trug er einen weißen Kittel, Stift und Block in seiner Tasche und die Brille auf der Nase. Die grauen Haare und die Falten auf der Stirn passten zu seinem Auftreten. Wie auch Adelyn, behandelten die Menschen im COV Dr. Herron mit viel Respekt. Er mochte zwar freundlich wirken, aber diese Fassade hatte ich schon längst durchschaut.

Nicht gerade freiwillig folgte ich Dr. Herron in den Raum. Als er zur Seite trat, blieb ich wie angewurzelt stehen. Zwar hatte ich mir diesen Augenblick schon tausende Male in meinen Gedanken ausgemalt, aber so hatte ich mir das nicht vorgestellt.

In der Mitte des Raumes fiel mir zuerst die Liege auf. Sie ähnelte einer ganz normalen Liege, die man auch bei einem Arzt vorfand. Doch meine Aufmerksamkeit fand die Schnallen an den Seiten und Enden. Es war klar, wozu sie dienten, und diese Erkenntnis ließ mich meine Hände zu Fäusten ballen. Wieder einmal war ich froh, dass Eve keine Erinnerungen mehr an diesen Ort hatte. Das, was sie ihr angetan hatten, musste schrecklich gewesen sein. Schließlich konnte man die Angst in diesem Raum nahezu spüren. Allein der Anblick der Liege, der Schnallen und der Infusionen auf dem Tisch daneben, musste Gefühle ausgelöst haben, die ich niemals in Worte fassen könnte.

„Ist alles in Ordnung?" Dr. Herrons ruhige und gefasste Stimme ließ mich den Kopf zu ihm drehen. Er stand links von mir und vor einer Menge an Computern, Kabeln und anderen Dingen, die ich nicht definieren konnte. Es waren auch andere Personen im Raum, die ich zuvor noch nie gesehen hatte. Einige von ihnen trugen ebenfalls Kittel und tippten lautstark auf den Tastaturen ihrer Computer oder schrieben Dinge in Akten nieder. Was zur Hölle war das hier?

„Warum genau bin ich hier?", fragte ich und ging damit nicht auf seine Worte ein.

Dr. Herron legte ein Klemmbrett zur Seite, das ihm eben ein junger Mann in die Hände gedrückt hatte. Entspannt ließ er die Hände in den Taschen seines Kittels verschwinden. „Um mir zu helfen."

Ich konnte es mir nicht mehr verkneifen und verdrehte die Augen. Mit dieser Antwort hatte ich gerechnet. „Verarschen können sie sich selbst, aber nicht mich", stellte ich lautstark klar. Einige der Mitarbeiter, oder was auch immer sie waren, drehten sich kurz zu mir. Scheinbar interessierte sie mein Wutausbruch recht wenig, denn sie arbeiteten eine Sekunde danach schon wieder weiter. „Sie haben hier genügend Helferlein, wie ich sehe", fuhr ich fort und zeigte hinter ihn. „Bisher haben sie nie meine Hilfe gebraucht. Warum also jetzt plötzlich?"

Dieser Mann war noch immer die Ruhe in Person und rührte sich nicht vom Fleck. Auch keine Emotion konnte ich aus seinem Gesicht herauslesen. „Miss Walker hat es ihnen bestimmt schon gesagt. Sie sollen alle Bereiche kennenlernen, Damian."

„Ja, aber wieso?", hakte ich sofort nach. „Ich bin ihr bester Jäger. Aus welchem Grund sollte sie das irgendwann ändern wollen?"

Er zuckte mit den Schultern. Dr. Herron zuckte tatsächlich mit den Schultern. Das tat er nie. Es sei denn, er kannte die Antwort darauf wirklich nicht. Vielleicht teilte Adelyn doch nicht alles mit ihm. Ich dachte immer, die beiden wären so etwas wie beste Freunde, wenn das denn möglich wäre.

„Ich fände es wirklich schön, wenn sie weniger Fragen stellen und mehr lernen. Wir beginnen sofort mit der ersten Sitzung des Hoveds, den sie heute gefunden haben." Als wäre es ein einstudiertes Stück, sprangen die Türen auf und zwei Wachen schubsten den Jungen in den Raum. Wie bei mir fiel sein Blick sofort auf die Liege und dann auf Dr. Herron und mich. Die Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben und alles, was ich wollte, war, ihn am Arm zu packen und hier heraus zu befördern.

Doch wir wussten beide, dass das niemals passieren würde.

Condition - BedingungWhere stories live. Discover now