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Jisung:

Die Klingel reißt mich aus dem Schlaf und ich brauche ein paar Sekunden, bis ich realisiere, dass ich tatsächlich am Esstisch eingenickt bin.
Die Küchenuhr zeigt mir, dass es mittlerweile schon zehn Uhr morgens ist und ich tatsächlich fast eine Dreiviertelstunde geschlafen habe.

Schnell stehe ich auf und eile zur Tür, um diese zu öffnen und mich sogleich in Renjuns Arme zu werfen.
Er steht ein wenig überrumpelt vor dem Eingang, erwidert die Umarmung aber sofort und streicht mir besorgt über den Rücken.

"Was ist passiert Jisungie?", erkundigt er sich besorgt, und ich ziehe ihn an der Hand hinter mir her in die Küche, wobei er mir einen Stapel Briefe in die Hand drückt, die offenbar im Briefkasten waren.
Ich spüre seinen besorgten Blick auf mir, aber das ist auch kein Wunder. Ich sehe schrecklich aus, habe die ganze Nacht kein Auge zugemacht und dementsprechend müde und erschöpft bin ich auch.

"Ich weiß es nicht. Wir waren drüben bei unserem neuen Nachbar, weil wir ihm geholfen haben, die Möbel aufzubauen. Jaemin wollte nur kurz eine Kiste nach oben bringen... und ich hab echt aufgepasst, dass er sich nicht überanstrengt, wirklich...", meine Augen fangen an zu brennen und mein Hals schnürt sich bei der Erinnerung an gestern Abend zu.

Renjun scheint das zu merken und legt wortlos seine Hand auf meinen Rücken, sodass ich langsam weiter sprechen kann: "Er ist nicht mehr runter gekommen. Und als Chenle und ich dann noch gegangen sind, um nach ihm zu sehen... es war schrecklich."
Ich schaffe es nicht mehr, dem Älteren in die Augen zu schauen und spüre, dass ich die Tränen nicht mehr lange zurückhalten kann. Da nimmt mein Gegenüber mir die Briefe, die ich immer noch fest umklammert gehalten habe, auch schon ab, legt sie achtlos auf den Tisch und zieht mich erneut in seine Arme.

Ich lasse mich in die Umarmung fallen und schließe meine Augen, aus denen eine einzelne Tränen kullert.
"Lass dir Zeit Jisungie.", flüstert Renjun liebevoll und ich entspanne mich nur einen kurzen Augenblick in seinen Armen, bevor ich mich entschlossen löse, mich auf einen Stuhl setze und weiter erzähle: "Er lag einfach nur da. Sein ganzes Gesicht weiß, seine Augen rot geweint und er hat gar nichts mehr um sich herum mitbekommen, war total abwesend und hat mir die ganze Zeit vor sich hingemurmelt und die ganze Zeit gesagt, dass das nicht sein kann und keine Ahnung. Er hat mich und Chenle garnicht wahrgenommen, hat auf nichts reagiert.

Wir haben ihn in sein Bett gebracht und er ist sofort eingeschlafen. Ich dachte er hat vielleicht einen Fiebertraum, aber seine Temperatur war nur leicht erhöht.
Er ist dann auch gleich eingeschlafen und war plötzlich total ruhig.
Abends ist er wieder aufgewacht, hat ein bisschen was gegessen und sich dann sofort wieder hingelegt. Aber er hat immer noch kein Wort geredet, und hat die ganze Nacht nicht richtig geschlafen.

Ich bin bei ihm geblieben, weil ich Angst hatte, dass es ihm schlechter geht, aber er hat sich nur an mich geklammert und geweint, zwischendurch ist er kurz eingenickt und hat dann im Traum...
Renjun, er hat nach seiner Mutter gerufen. Er hat seit Jahren nicht mehr mit ihr geredet, aber heute Nacht hat er 'Mama' gebrüllt. Dann ist er aufgewacht, hat mich wieder erdrückt und gesagt, dass ich ihn nie alleine lassen darf.

So ging das die ganze Nacht, ich weiß nicht, was ich machen soll. Er hat nichts gesagt, außer 'Mama' und 'Lass mich nicht alleine'. Und ich hab keine Ahnung, ob er überhaupt mitbekommen hat, was ich gesagt habe."

Verzweifelt fahre ich mir durch die Haare und halte mir danach meine Hand gegen meine Schläfe, weil mein Kopf verdammt weh tut.

"Er schläft jetzt seit etwa zwei Stunde ruhig. Es sei denn er ist wieder aufgewacht, während ich unten war, ich-", weiter komme ich nicht, denn Renjun unterbricht mich.

"Du gehst jetzt ins Bett Jisungie, du schläfst doch gleich im Stehen ein. Ich schaue nach Jaemin und dann koche ich euch was ordentliches zu essen, aber du schläfst dich aus, ist das klar?", er betrachtet mich streng und ich nicke eingeschüchtert, woraufhin er mich sanft aus der Küche schiebt. Dabei reicht er mir noch zwinkernd den obersten Brief vom Stapel, denen ich bin jetzt garkeine Beachtung geschenkt habe. Bevor ich mich jedoch damit auseinandersetzten kann, schiebt er mich die Treppe hoch und ich konzentriere mich auf meine Schritte, um nicht die Treppe hochzufallen.

"Hey Jisung", sagt Renjun noch, als ich schon vor meiner Tür stehe. Ich drehe mich um und der Ältere lächelt mich zuversichtlich an.
"Das wird alles wieder. Du hast das super gemacht, hörst du? Und jetzt hör auf, dir den Kopf zu Zerbrechen und geh ins Bett, okay? Und wenn du ausgeschlafen hast, schick mir ne Nachricht, dann bringe ich dir Essen vorbei."
Er zwinkert mir zu und öffnet dann leise Jaemins Zimmertür, woraufhin ich mein Zimmer betrete und mich auf mein Bett fallen lasse.

Bevor ich jedoch schlafe, betrachte ich das Stück Papier in meiner Hand, dass sich als zusammengefalteter Zettel herausstellt, auf dem nur mein Name steht.
Meine Augen fallen schon halb zu, als ich ihn auseinander falte und verschwommene Zahlen wahrnehme, bevor ich die Nachricht darüber entziffern kann.

Hey Jisungie.
Wie geht es Jaemin? Und wie geht es dir?
Ich dachte, da wir immer noch nicht dazu gekommen sind Nummern auszutauschen:

xxxxxxxxxxxxxxxxx
Du kannst mir ja schreiben, ich würde mich freuen.
Chenle :)

Unwillkürlich muss ich lächeln und lege den Zettel vorsichtig neben mir auf den Nachttisch. Darüber habe ich heute Nacht ebenfalls nachgedacht.
Ich hätte ihm gestern Abend gerne geschrieben, um ihn wissen zu lassen, wie es Jaemin geht. Er hat sich offensichtlich große Sorgen um meinen besten Freund gemacht und ich bin sicher, dass es ihn zumindest beruhigt hätte zu hören, dass Jaemin den ganzen Nachmittag noch ruhig geschlafen hat.
Und ganz vielleicht habe ich mich auch alleine gefühlt, und hätte mich gefreut, wenn er bei mir gewesen wäre. Er hat viel routinierter als ich reagiert und mir sofort geholfen, Jaemin ins Bett zu bringen, uns dann aber alleine gelassen. Vermutlich, um uns unsere Privatsphäre zu lassen und sich nicht aufzudrängen.

Seufzend greife ich nach meinem Handy, weil ich mit meinem übermüdeten Kopf nicht wirklich weiter nachdenken sollte, da ich selbst weiß, dass mir das definitiv nicht gut tut.

Ich erstelle einen neuen Kontakt und schicke ihm eine kurze Nachricht, bevor ich mich zufrieden in mein Bett kuschle.
Es beruhigt mich zu wissen, dass Renjun da ist und sich um Nana kümmert. Es wird bestimmt alles wieder gut.

puzzle piece • nct nominWhere stories live. Discover now