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»Okay, okay!«, rief sie ergeben. »Ihr könnt aufhören, mich so anzustarren. Ich hatte einen Onenightstand, okay? Ende der Geschichte!«

Ankes Augen wurden groß. »Warte, was? Ich hab das nur im Scherz gesagt. Du verarschst uns.«

Sie spürte, wie ihre Wangen noch heißer wurden, doch sie schüttelte entschlossen den Kopf. »Tu ich nicht. Ich hab einen Kollegen nach der Arbeit mit nach Hause genommen.«

Kurz legte sich Schweigen über den Esstisch, als wären die anderen drei vor Schock erstarrt. Dann, wie auf ein Stichwort, fingen sie alle drei gleichzeitig an, auf sie einzureden.

»Einen Kollegen?«

»Zu dir nach Hause?«

»Ist er wenigstens heiß?«

Elisabeth griff nach ihrer Kaffeetasse und nahm einen tiefen Schluck, ehe sie sich dazu bereit fühlte, den Fragen zu antworten. »Ich glaube, er ist der heißeste Typ, den ich je gesehen habe.« Wenn sie Alexander, den zahlenden Gast, der für ihr erstes Mal verantwortlich war, außenvorließ. »Er hat darauf bestanden, mich nach Hause zu bringen. Irgendwie hat er dann angefangen zu flirten und als wir da waren, hab ich ihn mit rauf genommen.« Sie schloss kurz die Augen, als Bilder von der heißesten Nacht ihres Lebens in ihr aufstiegen. Räuspernd kratzte sie sich im Nacken. »Er wusste ziemlich genau, was er tut, und ist danach ohne langes Rumgerede wieder gegangen. Super easy, quasi.«

Sarah schnappte nach Luft. »Was? Er ist nach dem Sex gegangen? Mensch, Lily, du hättest ihn zum Übernachten überreden sollen und ihm am nächsten Morgen Frühstück machen können!«

Skeptisch zog sie eine Augenbraue hoch. »Du verstehst schon, was ein Onenightstand ist, oder? Das war ein Mal Sex. Nicht der Anfang einer Romanze.«

»Uuuuh, eiskalt!«, kam es von Juliane, die sich lachend auf den Schenkel klopfte. »Und hier dachte ich, dass du lieb und brav bist. Eiskalt, Madame, eiskalt.«

Mit einem schiefen Grinsen schaute Elisabeth zu ihr. »Sagst du, die ihre Männer immer so schnell es geht aus dem Bett wirft.«

»Eben!« Juliane nickte enthusiastisch. »Ich meine das voller Bewunderung. Du machst es genau richtig. Als ob du von mir gelernt hättest.«

Ein betontes Schlürfen aus der Richtung von Sarah unterbrach das gemeinsame Kichern der beiden. Schmunzelnd bemerkte Elisabeth, dass die älteste Studentin in der Runde nicht mitlachen konnte. »Ich weiß schon, Sarah. Du hast gehofft, ich bin anders als Juliane.«

Die Angesprochene zuckte mit den Achseln und platzierte einen Fuß auf ihrem Stuhl, um ihre Kaffeetasse auf ihrem Knie abstellen zu können. »Mir ist es ja egal, was ihr macht. Ich finde es nur fahrlässig, mit wildfremden Menschen zu schlafen.«

Sofort wurde Elisabeth ernst. »Deswegen sind es ja auch keine wildfremden. Ich hätte Konstantin nicht mitgenommen, wenn ich ihm nicht vertraut hätte.« Dass sie ihn zu dem Zeitpunkt nur wenige Stunden gekannt hatte, verschwieg sie lieber.

»Uuuuh, Konstantin. Hießen so nicht ganz viele römische Kaiser?«, hakte Anke neugierig nach. »Sieht er aus wie eine von diesen antiken Statuen?«

Elisabeth biss sich auf die Lippen und schaute kurz auf ihre Hände, ehe sie eine Antwort geben konnte. »Ich würde sagen, die Statuen würden neben ihm vor Neid erblassen. Also noch mehr, als sie eh schon sind.«

Diesmal stimmte auch Sarah mit ins Gekicher ein. Während Lily den anderen drei genauer beschrieb, wie Konstantin aussah, fühlte sie eine seltsame Zufriedenheit in sich aufsteigen. Sie war ihren Wünschen und Bedürfnissen gefolgt und war dafür belohnt worden. Natürlich hatte es Mut erfordert, aber es war es mehr als wert gewesen. Vor drei Jahren, als sie noch bei ihren Eltern gelebt hatte, hätte sie sich niemals auf Alexander oder Konstantin eingelassen. Sie hätte ihre Neugier und Lust einfach geleugnet und unterdrückt und sich ganz auf ihren Job und das Studium konzentriert.

Als Juliane begann, von ihren eigenen Eskapaden zu erzählen, ließ Elisabeth ihren Blick durch das Wohnzimmer schweifen. Zusammengewürfelte Möbel, abgenutzte Teppiche, ruinierte Vorhänge an den Fenstern und massenhaft gestapelte Bücher, die in kein Regal mehr passten. Ihre Eltern würden vermutlich in Ohnmacht fallen, wenn sie so etwas sehen würden. Doch genau deswegen fühlte Elisabeth sich hier so wohl. Es war anders. Bescheiden, aber kreativ, durcheinander, aber doch persönlich. Es war der Inbegriff einer Studenten-WG, wie sie sie sich als Schülerin immer ausgemalt hatte.

Und auch wenn sie hier nicht lebte, gehörte sie dazu. Neben ihrer Wohnung war das hier ihr zweites Zuhause geworden. Ihr Leben lief gut, besser als sie es sich jemals erhofft hatte, und das, weil sie den Mut gehabt hatte, es anders zu machen. Sie war eine ganz normale Studentin mit ganz normalen Studentenfreunden und einem vielleicht nicht ganz so normalen Studentenjob und sie liebte es jeden Tag mehr.

Beherzt sprang sie auf und schlang einmal von hinten jeder ihrer Freundinnen die Arme um den Hals. »Ihr seid einfach die besten Mädels, die ich jemals kennengelernt habe.«

Anke reckte ihre Arme nach hinten und drehte sich halb zu ihr um, um die Umarmung zu erwidern. »Oooooch, wir haben dich auch lieb, Herzchen.« Sie drückt ihr einen Kuss auf die Wange. »Wirst du jetzt emotional, weil du auch bei den erwachsenen Frauen mit aktivem Sexleben angekommen bist?«

Lachend gab Elisabeth ihr einen Klaps auf den Hinterkopf. »Erwachsen bin ich noch lange nicht! Mit 22 kann man gar nicht erwachsen sein.«

»Und das ist auch gut so!«, rief Juliane dazwischen. »Ich bin lieber wie Peter Pan und bleibe ewig ein Kind.«

Irritiert zog Sarah ihre Augenbrauen hoch. »Peter Pan ist Kind geblieben, weil er sich gegen romantische Liebe und Sexualität gesperrt hat. Ich bezweifle, dass du das wirklich willst.«

Als Antwort streckte Juliane ihr nur die Zunge raus. Lachend umrundete Lily den Tisch wieder, um zu ihrem Stuhl zurückzukehren. Sie wünschte, sie könnte die Zeit anhalten und ewig bei diesem Brunch bleiben. Denn so sehr sie ihr Studium auch liebte, das damit verbundene Lernen würde sie gerne sein lassen.

Beherzt griff sie nach einer Schüssel, um sich Müsli zusammenzustellen. Sie wollte um halb zwei nach Hause, bis dahin hatte sie noch eineinhalb Stunden Zeit, und die würde sie nutzen, um sich bis oben hin mit dem leckeren Frühstück vollzustopfen.



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EnsnaredWhere stories live. Discover now