chapter 22 - optimismus

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Rewis POV:

Seit Tagen schon hatte ich nichts mehr von ihm gehört. Ich war das reinste Wrack. Er hatte mich so zurückgelassen. Ich konnte nicht aufhören, ihn anzurufen. Zu versuchen, alles wieder zum Alten zu bringen.

Tief in mir drin wusste ich, dass er sich entschieden hatte zu gehen und dass ich daran schuld gewesen sein musste. Aber ich verstand es nicht. Zwischen uns war doch alles gut gewesen, oder etwa nicht?

Ich führte meinen normalen Tagesablauf weiter fort, allerdings hatte ich dabei keinen richtigen Spaß. Das wirkte sich auch auf die Qualität der Videos aus. Immer mehr Leute fragten mich in den Kommentaren, ob alles gut mit mir sei oder warum es keine Videos mehr von Felix gab. Ich ließ das alles umkommentiert. Aber was sollte ich auch sagen? Nicht einmal ich, sein bester - oder sogar eigentlich fester - Freund wusste Bescheid. Wobei wir bestimmt inzwischen nicht mal mehr Freunde waren. Er hatte mich einfach vom einen auf den anderen Tag aus seinem Leben gestrichen.

Warum ich das wusste? Noch am gleichen Abend seines Verschwindens hatte ich mich bei seiner Mutter nach ihm erkundigt. Sie hatte mir erzählt, dass Felix sich vollkommen verzweifelt bei ihr gemeldet hätte und ihr erzählt hätte, dass er sich von mir trennen wollen würde, da er mich nicht lieben würde und ihm das alles zu viel geworden wäre. Das war wie ein Schlag in meine Magengrube gewesen. Er hatte nie etwas für mich empfunden. Er hatte mich nie geliebt.

Ich ging allen aus dem Weg und sprach nur das nötigste mit ihnen. Palle versuchte mehrmals, mich zum Reden zu bringen, aber ich blockte immer ab. Klar, er war ein guter Freund, aber ich war einfach noch nicht bereit, darüber zu reden.

So verbrachte ich die Tage alleine in meinem Aufnahmezimmer. Ich verließ es nur, um etwas zu Essen oder zu Trinken zu holen. Um zu Duschen oder zu Schlafen.

Am dritten Tag, nach dem Felix gegangen war und mir seinem Brief mein Herz zerrissen hatte, bekam ich auf einmal eine Benachrichtigung, dass er etwas getwittert hatte. Verwundert strich ich über meinen Handybildschirm und las den Tweet: "Hey, Leute. Keine Sorge, mir geht es inzwischen wieder gut! Ich habe mich von meinem alten Leben getrennt. Auf ein neues!"

Er hatte sich von seinem alten Leben getrennt? Von seinem alten Leben mit mir? Hatte er mich etwa schon vergessen?

Bevor ich darüber nachdachte, was ich tat, griff ich auf meine Kontakte zu und rief ihn an. Nervös führte ich das Telefon zu meinem Ohr und wartete. Was würde ich ihm überhaupt sagen?

Doch schon nach einigen Sekunden wurde der Anruf abgebrochen. Er hatte mich weggedrückt, so wie schon die mehrere Dutzend Male davor.

Ich ließ meinen Kopf auf meine Hände sinken und dachte darüber nach. Er liebte mich nicht? Vielleicht konnte ich es auch schaffen, ihn nicht mehr zu lieben. Vielleicht konnte ich ihn ja auch vergessen. Wenn er ein neues Leben beginnen konnte, konnte ich das auch.

Ohne Vorwarnung ging die Tür hinter mir auf und ein nervös wirkender Palle kam herein. Er blickte mich stumm an und ich schaute verwirrt zurück.

"Ist was?", fragte ich leicht genervt. Warum kam er hier rein, wenn er gar nichts wollte?

"Du hast den Tweet gelesen." Das klang nicht wie eine Frage, sondern wie eine Feststellung. Palle kam ein Stück weiter in das Zimmer und lehnte sich an den Türrahmen.

"Welchen Tweet?", fragte ich eiskalt und betont ahnungslos.

"Von Felix", murmelte er.

"Wer ist Felix?", fragte ich und drehte mich uninteressiert meinem Computer zu.

"Du bist so ein Hurensohn", meinte Palle in einer ebenfalls eiskalten Stimme, verließ das Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Bei dem lauten Knall zuckte ich kurz zusammen. Dann ließ ich meinen Kopf auf die Tischplatte senken und ließ ihn danach immer wieder darauf knallen.

erdbeersüß. | rewilzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt