chapter 2 - rettung

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Das Telefon klingelte mehrere Male, aber Rewi hob nicht ab. Toll, der Tag wird ja immer besser. Ich unterbrach den Anruf und mit einem Blick auf mein Handydisplay stellte ich fest, dass es mittlerweile schon 23:49 Uhr war. Ich konnte verstehen, dass er nicht dranging. Wahrscheinlich schlief er schon, so wie jeder verdammte Mensch an einem Mittwochabend.

Ich lief weiter ziellos die leere Straße entlang und landete schließlich am Bahnhof. Im McDonald's bestellte ich mir erstmal ein Big Mac Menü und ließ mich in eine Ecke sinken. Ein Hoch auf die 24 Stunden Öffnungszeiten von Mcces!

Während ich gerade einen großen Bissen von meinem Burger nahm, vibrierte mein Handy. Ich zog es schnell aus meiner Tasche und war enttäuscht, dass es nur eine Nachricht von meiner Mutter war.

"Komm zurück, Felix. Lass uns darüber reden."

Ja, klar. Mit ihr ließ sich ja auch so gut reden. Ich hatte zwar keine Ahnung, wo ich hin sollte, aber ich würde bestimmt besseres finden, als wieder zurück zu gehen.

Gerade, als ich mein Handy wieder zurück in meine Hosentasche stecken wollte, vibrierte es erneut. Auf dem Bildschirm erschien ein Bild von Rewi, den ich als "Missgeburt" eingespeichert hatte. Rewi hatte mich genauso liebevoll als "Hurensohn" eingespeichert. Das war schon seit unserem ersten Treffen vor ein paar Jahren so.

Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus und ich nahm den Anruf sofort entgegen.

"Reeeeeewi!", rief ich mit vollem Mund und kaute schnell zu Ende, da man mich sonst bestimmt kaum verstehen könnte.

Ein Lachen ertönte aus dem Hörer und Rewi fragte mich: "Sag mal, hast du gerade 'n Schwanz im Mund, oder was?" Anschließend lachte er noch mehr über seinen eigenen Witz.

"Sehr witzig, Missgeburt", sagte ich scherzhaft, konnte mir ein Grinsen allerdings auch nicht verkneifen.

Ein paar Minuten lachten wir, bis eine angenehme Stille eintrat.

"Nein, jetzt mal im Ernst", fing Rewi dann an, "warum rufst du mich mitten in der Nacht an?"

Ich überlegte, wie ich ihm das am besten erklären sollte. Er war mein bester Kumpel, mit ihm konnte ich doch über meine Probleme reden, oder? Wir waren eigentlich immer ehrlich miteinander umgegangen.

"Stress mit meiner Mom...", sagte ich vage und schob mir ein paar Pommes in den Mund.

Rewi räusperte sich und fragte dann fast mitfühlend nach, was denn passiert wäre. Ich erzählte ihm von dem Streit, ihrer Drohung und deren Durchsetzung.

"Oh Gott, meint sie das ernst?", fragte er frustriert nach. Wir regten uns gemeinsam über meine Mutter auf, während ich mein Essen zu Ende aß. Er konnte es genauso wenig wie ich wahrhaben.

"Und was hast du jetzt vor?", fragte mich Rewi vorsichtig nach einiger Zeit. Da war sie wieder, diese Unsicherheit. Ich wusste es ja selbst nicht einmal. Hier konnte ich nirgendwo hin.

"Ich weiß es selbst nicht, Rewi. Ich weiß nur, dass ich nicht wieder zurück nach Hause möchte. Wenn ich das überhaupt noch mein 'zu Hause' nennen kann, wohl fühle ich mich da nämlich nicht mehr", antwortete ich ehrlich.

Eine Weile war es ruhig und wir beide hingen unseren Gedanken nach. Dann unterbrach Rewi die Stille: "Wie wär's wenn du für 'ne Zeit zu mir kommst? Wir kriegen das bestimmt irgendwie hin."

Sofort verspürte ich ein Glücksgefühl und mir ging es auf der Stelle besser. Mit einem riesengroßen Lächeln antwortete ich: "Rewi, du bist meine Rettung! Das wäre großartig!"

"Klar, für meinen besten Kumpel tu ich doch alles, Hurensohn!", scherzte er. Ich war gerade mehr als froh, ihn zu haben. "Wo bist'n du eigentlich, Felix?"

"Sitze noch im Mcces", gab ich leise zu und er lachte mich eiskalt aus. Zwischen seinen Lachern meinte ich "verfressen" und "Hurensohn" gehört zu haben, aber er hörte einfach nicht auf.

Als er sich etwas beruhigt hatte, meinte er: "Okay, dann bist du ja schon am Bahnhof. Setz dich mal fix in eine Bahn und wir sehen uns bald."

"Alles klar, Captain", sagte ich scherzhaft mit einem Grinsen.

"Nenn mich noch einmal so und du verdienst eine Tracht Prügel", drohte er mir. Ich liebte diese leichte, scherzhafte Atmosphäre zwischen uns. Mir ging es schlagartig besser.

"Pah!", sagte ich, "ich brauch auch gar nicht kommen. Wenn ich so behandelt werde, dann-"

"Nein, ernsthaft, Felix. Komm vorbei, wir haben uns auch schon lange nicht mehr gesehen", unterbrach er mich. Alter, das klang jetzt aber...

"Bah, du Schwuchtel!", rief ich und diesmal lachte ich ihn aus. Gleichzeitig stand ich aber auch auf, brachte mein Tablett weg und machte mich auf in Richtung Bahnhof.

"Ich bin auf dem Weg, Rewi", teilte ich ihm mit und ich spürte daraufhin sein Grinsen durch's Telefon.

"Gut, beeil dich, Hurensohn", verabschiedete er sich, "und pass auf, dass dich Mädchen nicht noch irgendwer vergewaltigt."

"Selber Mädchen", konterte ich - zugegebenermaßen schwach - und bevor er auflegte, hörte ich noch sein Lachen. Alles wie immer.

Ich zog mir am Automaten ein Ticket und stellte voller Erleichterung fest, dass der nächste Zug schon in einer Viertelstunde kam. Ich musste knapp eine Stunde fahren und dann noch so zehn Minuten laufen, also kam ich echt spät bei Rewi an. Hoffentlich störte ihn das nicht. Zur Sicherheit schrieb ich ihm kurz meine Ankunftszeit.

Während ich auf den Zug wartete, schmiss ich mir ein Kaugummi in den Mund und steckte mir meine Kopfhörer in die Ohren. Die gleichmäßigen Beats beruhigten mich. Ich musste zugeben, ich war schon ein bisschen aufgeregt, Rewi wieder zu sehen. Wie er sagte, wir hatten uns schon länger nicht mehr getroffen und als ich das letzte Mal bei ihm gepennt hatte, hatte er noch mit seinen Eltern zusammengewohnt. Hachja, die guten alten Zeiten...

Mit diesen und ähnlichen Gedanken verging die Wartezeit zügig und schon kam die Bahn. Glücklicherweise war sie ziemlich leer und ich konnte mich in einem Vierer breit machen. Da es inzwischen wirklich schon sehr spät geworden war, überkam mich ein Gefühl der Müdigkeit und meine Augen fielen zu.

"Lass die Affen aus'm Zoo", ertönte viel zu laut Haftis Stimme und riss mich aus meinem Schlaf. Orientierungslos blickte ich mich um. Der Himmel war von einem tiefen Blau überzogen und die allgemeine Dunkelheit erschwerte es mir, überhaupt etwas zu erkennen.

Der Zug fuhr langsam in einen Bahnhof ein und automatisch stellte ich die Musik etwas leiser. Als der Zug weiter in den Bahnhof einfuhr und schließlich stehen blieb, kam mir alles sehr vertraut vor. Scheiße, ich musste hier raus! Ich sprang auf, schnappte mir meinen Rucksack und lief schnell zur Tür. Während ich ausstieg, dankte ich im Stillen Hafti für seine außergewöhnliche Stimme.

Nun stand ich mitten am Bahnhof, aber von Rewi keine Spur. Genervt verdrehte ich die Augen. Super, da verlässt man sich einmal auf diese Missgeburt... Ich wollte gerade mein Handy raus holen, um ihn erneut anzurufen, als mir jemand von hinten die Augen zuhielt.

Jetzt konnte ich weder etwas sehen, noch etwas hören, da mir Hafti immer noch in die Ohren schrie. Aber in meine Nase stieg ein schwerer Geruch wie nach Rasierwasser, der mir irgendwie bekannt vorkam.

erdbeersüß. | rewilzजहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें