chapter 9 - verwirrung

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Ein lautes Dröhnen warf mich aus meinem Schlaf. Ich setzte mich auf und schlug die Augen kurz auf, jedoch kniff ich sie daraufhin gleich wieder zu. Mit meinen Fingerspitzen massierte ich meine Schläfen. Ich hatte so starke Kopfschmerzen wie schon lange nicht mehr.

Das Dröhnen, was jetzt mehr nach einem Klopfen klang, hielt an und schien von der Tür aus zu kommen. Ich öffnete meine Augen leicht und wollte aus dem Bett steigen. Jedoch verschätzte ich mich dabei und fiel auf den Boden.

Als ich wieder aufstand, drehte sich die Welt um mich herum. Ich hatte so einen starken Kater. Was hatte ich gestern nur getrunken?

Vorsichtig, darauf bedacht, nicht hinzufallen, ging ich Schritt für Schritt in Richtung Tür und drückte die Türklinke hinunter. Doch sie war abgeschlossen. Das wunderte mich, mir fiel kein Grund ein, warum man sie während des Schlafens abschließen sollte.

Schließlich schloss ich sie auf, drückte die Türklinke nach unten und vor mir stand jemand. Ich versuchte, mich zu konzentrieren um zu erkennen, wer es war. Nachdem meine Augen sich an das helle Licht außerhalb des Schlafzimmers gewöhnt hatten, erkannte ich Paluten.

"Oh, Morgen, Palle", murmelte ich und rieb mir über meine Stirn. Diese beschissenen Kopfschmerzen wollten einfach nicht verschwinden.

"Oh, sorry, eigentlich wollte ich zu Rewi", entschuldigte sich Palle und schaute hinter mich in die Dunkelheit.

"Huh?", fragte ich verwirrt.

"Rewi?", fragte Palle nun und blickte mit einem Grinsen wieder zu mir, "der Typ, aus dessen Schlafzimmer du gerade kommst?"

Oh Gott, ich musste echt total verblödet wirken. Was Alkohol aus mir machte...

Ironisch grinste ich ihn an und meinte: "Ja, klar. Ich hab 'n scheiß Kater. Ich glaub, ich geh mir mal 'ne Aspirin und ein Glas Wasser holen."

Ich ging an ihm vorbei Richtung Küche. Über die Schulter rief ich ihm noch zu: "Kannst ja mal versuchen, ihn aufzuwecken."

"Nee, nee, das überlass ich lieber dir", rief er mir zu. Was meinte er denn jetzt damit? Schlagartig drehte ich mich um und bemerkte, dass er an meinem Körper heruntersah. Ich tat es ihm gleich und meine Augen weiteten sich erschrocken. Ich war nackt. Ich meine, wirklich nackt! Nicht einmal meine Boxershorts hatte ich an. Ach, du Scheiße!

Palle lachte sich vor mir einen ab, während ich knallrot anlief und versuchte, meinen Schritt mit meinen Händen zu verdecken. Das war eindeutig der peinlichste Moment in meinem Leben.

Ohne einen Kommentar ging ich an Palle vorbei wieder in Rewis Zimmer. Rewi lag dort wirklich seelenruhig in seinem Bett und schlief. Hatte er wohl auch nichts an? Vorsichtig ging ich auf ihn zu und zog die Decke ein Stück zurück, um einen Blick auf ihn zu werfen. Und oh Gott, er war genau wie ich nackt. Scheiße, was war hier passiert?

Ungläubig ließ ich die Decke fallen und taumelte ein paar Schritte zurück. Hatten wir etwa...? Nein, das konnte nicht sein. Ich erinnerte mich noch daran, dass Rewi mir ein Glas Wasser in die Hand gedrückt hatte. So betrunken konnte ich doch gar nicht gewesen sein.

Ich drehte mich um und sah meine Kleidungsstücke auf dem Boden herumliegen. Ich hatte sie gestern anscheinend achtlos auf den Boden geschmissen. Schnell griff ich danach und zog mich an.

Ohne einen Blick zurück auf den schlafenden Jungen im Bett zu werfen, verließ ich den Raum. Ich musste jetzt erst einmal hier weg. Von Palle war keine Spur mehr, hoffentlich erzählte er diesen peinlichen Zwischenfall niemandem.

Auf dem Weg nach draußen hielt ich kurz in der Küche an und löste mir ein Aspirin in einem Glas Wasser auf, welches ich sofort exte. Das war der Nachteil von Partys, der Morgen danach.

Als ich aus der Haustür trat, wehte mir sofort ein starker Wind entgegen. Ich kreuzte die Arme vor meiner Brust und bückte mich leicht nach unten. Dieses Wetter machte mich fertig.

Während ich so durch die Straßen ging, kamen mir immer wieder Menschen entgegen und ich hoffte, dass mich niemand erkannte. Ich hatte gerade echt keine Lust zu reden. Ich musste nachdenken. Was zur Hölle war gestern passiert?

Schließlich landete ich am Rheinufer und setzte mich dort auf eine Mauer. Ich dachte über den Verlauf des gestrigen Abends nach. Bis zu dem Glas Wasser konnte ich mich an alles erinnern. Jedes Wort, das ich mit jemandem gewechselt habe, jeder meiner Gedanken. Aber danach war meine Erinnerung komplett schwarz.

Zum Glück wurden meine Kopfschmerzen weniger und ich versuchte nun stärker, mich zu erinnern. Als ich über Rewi nachdachte, erfüllte mich plötzlich ein Gefühl der Zufriedenheit, aber auch ein bisschen Sehnsucht. Was sollte das denn?

Und dann fiel es mir schlagartig ein. Rewi. Und ich. Gestern Nacht. In seinem Bett. Oh mein Gott!

Nein, das konnte nicht wahr sein, oder? Doch je länger ich darüber nachdachte, an desto mehr erinnerte ich mich. Und das alles konnte ich mir doch nicht ausgedacht haben. Nein, es war wirklich passiert.

Aber was hieß das nun? Würde es zwischen Rewi und mir anders sein? Ich erinnerte mich zurück an den Tag, als ich ihn fragte, ob er auf mich stehen würde. Das hatte er mit einem deutlichen "Nein" beantwortet. Er hatte mich ausgelacht. Und nun machte er sowas? Allerdings hatte ich ihn auch nicht gestoppt. Hieß das, dass ich etwas von ihm wollte? Dass ich auf ihn stand? Ich war mehr als verwirrt.

Um mich herum begannen Leute auf einmal zu schreien und einige begannen, umher zu rennen. Reflexartig schaute ich nach unten und versuchte, mein Gesicht zu verstecken. Wenn das jetzt Zuschauer waren, wusste ich nicht, wie ich mit ihnen umgehen sollte. Ich konnte nicht einmal selber meine Gedanken ordnen.

Doch niemand kam auf mich zu. Stattdessen liefen einfach alle Menschen an mir vorbei. Vorsichtig blickte ich hoch und da fiel mir erst der Himmel auf. Dunkelgrau hangen die Wolken über der Stadt. Das sah nach einem riesigen Unwetter aus. Und tatsächlich, die ersten Regentropfen fielen.

Ich sprang sofort auf und rannte, genau wie die Menschen um mich herum, in Richtung Rewis Wohnung. Doch der Weg war viel länger als gedacht und als ich vor dem Haus ankam, war ich klitschnass. Von Kopf bis Fuß klebte alles an meinem Körper.

Drei Mal atmete ich tief ein und wieder aus. Dann überwand ich meine Angst und klingelte. Hoffentlich musste ich Rewi nicht direkt wieder sehen. Ob er sich wohl an das alles erinnerte? Wenn ja, was dachte er darüber? Sollte ich ihn darauf ansprechen?

Dann wurde vor mir die Tür aufgerissen und ich blickte in vertraute blau-grüne Augen. Ich wurde in's Haus gezogen und fest umarmt.

"Man, wo warst du denn? Ich hab mir solche Sorgen gemacht", sagte er zu mir und vergrub seinen Kopf in meiner Halsbeuge.

erdbeersüß. | rewilzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt