Kapitel 22.2 - Blitzende Tränen

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»Wenn ich es richtig verstehe, möchtest du uns helfen, in Enjas Palast einzudringen?« Fragend blickte ich Amun an, der zustimmend nickte. Cyrians Ohrfeige war nicht stark gewesen. Um ehrlich zu sein, hatte es mich bereits überrascht, dass er überhaupt dazu in der Lage war. Aber wenn ich an den Zorn zurückdachte, der in dem Moment durch seine Adern geströmt war, konnte ich seine Entscheidung durchaus nachvollziehen. Amuns Aussagen waren mehr als unangebracht gewesen. Mandrad hatte seinen Mitgliedern eine falsche Wahrheit übermittelt. Ob absichtlich oder unwissentlich spielte erstmal keine Rolle.

»Dem ist so.« Nachdem sich die Situation beruhigt hatte, hatte sich Cyrian auf einen alten Baumstumpf niedergelassen. Amun kniete vor ihm auf den Boden. Avril und ich saßen kaum einem Meter von ihm entfernt. Vorsichtig tastetet ich unsere Verbindung ab und Cyrian erwiderte meinen Blick, als würde er meine Sorgen beruhigen wollen. Kurz dachte ich, dass er unsere Verbindung abschneiden wollte, doch zu meinem Überraschen blieb sie bestehen. Vermutlich half es ihm, sich an meinen neutraleren Gefühlen zu orientieren.

Der Zeitgott verschränkte die Arme. Auch wenn er sich für seine impulsive Reaktion entschuldigt hatte, wirklich vergessen hatte er Amuns Ignoranz nicht. »Wenn du uns wirklich in das Schloss meiner Schwester bringen kannst, nehme ich das Angebot gerne an. Aber das bedeutet nicht, dass ich nach Mandrads Pfeife tanzen werde. Die einzige Person, die mir etwas zu sagen hat, ist Pandora.«

Peinlich berührt kratzte ich mir an der Wange. »Das ist lieb von dir, mein Gott. Ich bin doch nur deine Verwandte.« Avrils und Cyrians fragenden Blick erwiderte ich mit einem Nicken zu Amun. Im Moment schien es nicht so, als würde Mandrad eine Gefahr darstellen, aber wir kannten die Strukturen der Organisation nicht. Natürlich glaubte ich nicht, dass Leon schlechte Intentionen besaß, aber letztendlich handelte es sich bei ihm nur um ein einzelnes Mitglied. Keiner konnte sagen, was Mandrads Anführer tatsächlich plante. Wenn sie wüssten, dass ich Cyrian bis zu einem gewissen Grad Befehle geben konnte, könnten ihn zu Taten zwingen, die er nicht tun wollte. Dann wäre er nicht mehr als eine Marionette in ihren Händen. Das konnte ich nicht zulassen.

Nachdem ich Cyrian gedanklich einen Hieb in die Seite verpasst hatte, verstand er und ergänzte seine Aussage sofort: »Schließlich habe ich Pandora nicht ohne Grund zu meiner Verwandten gemacht. Ich schätze ihre Meinung und Erfahrungen sehr. Sie konnte mir viel über die jetzige Welt beibringen.«

»Das kann ich nachvollziehen«, bestätigte Amun, während sein Blick mich eindringlich musterte. Ich konnte mir vorstellen, dass ich auf den ersten Blick nicht viel her machte, aber unterschätzen sollte er mich trotzdem nicht. »Aber ich vermute, auch sie sieht eine gute Gelegenheit darin, Mandrads Hilfe anzunehmen. Ich schwöre, dass wir unserem Gott niemals in den Rücken fallen werden.«

Bevor ich etwas erwidern konnte, ergriff Avril das Wort. »Wir sind damit einverstanden. Außerdem werde ich an Leons Stelle kämpfen.«

Mir klappte die Kinnlade herunter. Ich hatte viel erwartet, aber nicht das. Zumal Avril geplant hatte, uns hier zu verlassen. Hatte Leons Tod ihre Meinung geändert?

»Ich schätze deine Hilfe wirklich sehr«, antwortete Cyrian, »aber du musst dich nicht aus Schuld einer so gefährlichen Mission verpflichten. Ich kenne meine Schwester und ich weiß, was ich tun muss, um den Fluch zu brechen. Es nimmt dir keiner übel, wenn du uns hier verlässt.«

Avril schüttelte den Kopf. »Ich tue das nicht aus Schuld, aber du hast recht damit, dass Leon mein Grund ist. Amun sagte, dass er euch begleiten wollte. Er war bereit für den Frieden zu sterben. Deswegen möchte ich seine Aufgabe an seiner Stelle ausführen. Damit seine Seele in Frieden ruhen kann.«

Ich griff nach Avrils Hand und drückte sie fest. Ihr Grund war berechtigt. Vermutlich hätte ich an ihrer Stelle ähnlich gehandelt, trotzdem konnte ich das mulmige Gefühl in meiner Bauchgegend nicht unterdrücken. »Hast du dir das gründlich überlegt? Es könnte sein, dass du im Kampf dein Leben verlierst. Ich möchte dich nicht auch verlieren.«

Der fünfte GottΌπου ζουν οι ιστορίες. Ανακάλυψε τώρα