Kapitel 13.2 - Letzte Tränen

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Leere breitete sich in mir aus, als ich auf die Gräber der gefallenen Krieger blickte. Es war nichts Großes, nur eine ausgehobene Stelle, die später mit Erde wieder zugeschüttet worden war und doch gaben sie mir abermals die schmerzhaften Seiten des Krieges zu verstehen. Blumen lagen auf den Gräbern. Bunt und in ihrer ganzen Vielfalt, schmückten sie diesen Anblick, dennoch brannte er sich tief in mein Herz und hinterließ Narben, die keine Magie dieser Welt heilen könnte.

Augenblicklich verkrampfte sich meine Hand und ein Zittern erfasste meinen Brustkorb, während ich mit den Tränen kämpfte.

»Verdammt. Ich wollte doch nicht mehr...«, fluchte ich leise und wischte mir mit dem Handrücken das Wasser aus den Augen.

Trotzdem flossen sie unveränderlich, als wären sie ein eigenes Universum, das in unendlicher Trauer versank.

Nur vernebelt erkannte ich die Namen, die man auf die hölzernen Grabsteine geschnitzt hatte: Elias, Freiya, Kaleth, Emilia und Kiran.

Vor meinem inneren Auge tauchten ihre Gesichter auf. Flüchtig und verschwommen, doch selbst das genügte, damit mein Herz schwer wie Blei wurde. Sie waren alle liebenswerte Menschen gewesen. Jung und voller Energie. Es war zu früh für sie, um zu sterben. Das Leben hätte sie um noch so viel mehr schöne Momente bereichern können, doch nun hatte der Tod sie in seinen Fängen. Dabei waren Kiran und Freiya nicht einmal zwanzig geworden.

»Es ist meine Schuld«, ertönte ein Flüstern hinter mir. Ein Flüstern, das im leisen Heulen des Windes unterging.

Zwar war Cyrian bereitwillig mitgekommen, dennoch richtete er seine Worte nicht an mich. Es war viel mehr ein Vorwurf, den er gegen sich selbst aussprach. Ein Ausspruch seiner wahren Gedanken.

Vielleicht hätte ich etwas erwidern sollen, doch auch wenn ich die Kraft dazu gehabt hätte, wären mir keine passenden Worte eingefallen. Noch immer waren meine Gedanken wirr und wild, als würden sie von einem Orkan erfasst werden, der sämtliche Emotionen und Erinnerungen beinhaltete.

Kurz blinzelte ich, um die Tränen aus meinen Augen zu verbannen, um nur einen Herzschlag später in Versuchung zu geraten, mich zu Cyrian umzudrehen. Trotzdem verweilte ich an Ort und Stelle. Mein Gesicht in Schatten getaucht.

»Cyrian?«, fragte ich nach einer Weile und redete erst weiter, als der Silberhaarige seinen Blick auf mich gerichtet hatte, »Kannst du sie ewig blühen lassen? Die Blumen.«

Aus den Augenwinkeln verfolgte ich, wie sich seine Aufmerksamkeit zu den Blumen verlagerte. Unberührt strahlten sie in voller Blüte, während sie einen himmlischen Duft absonderten, der sanft in meiner Nase kitzelte. Ich wollte einfach, dass diese Schönheit bis in alle Ewigkeiten ihre Gräber schmückte, denn nichts könnte ihre Gutherzigkeit besser widerspiegeln.

Kurz beäugte der fünfte Gott die Pflanzen, doch im nächsten Moment schüttelte er den Kopf: »Nein.«

Seine Worte verpassten mir einen Stich. Allerdings was hatte ich erwartet? Immerhin blieb nichts für ewig und egal wie lang ein Leben dauerte, auch das nahm irgendwann sein Ende. Es war ein Kreislauf ohne Anfang und Ende, der sich bis in alle Unendlichkeit zog. Selbst mit Cyrians Kräften könnte man diesen Strom nicht aufhalten.

Obwohl der Zeitgott zuvor noch meine Frage verneint hatte, trat er näher an die Gräber heran. Zeitgleich hob er die Hände und als das Band zwischen uns deutlicher wurde, erkannte ich, dass er seine Magie einsetzte. Sofort leuchteten seine Iriden auf und ein warmes Licht tauchte den Platz in seinen Schein. Sanft warf es Schatten auf die Gräber und erfasste die Blumen, die sofort in einem silbernen Licht erstrahlten. Wie feiner Nebel umtanzte die Magie Knospe für Knospe.

Ich runzelte die Stirn und zog die Augenbrauen zusammen, bevor ich fragend zu dem Silberhaarigen sah.

»Ich kann sie nicht ewig blühen lassen«, erklärte dieser, »Aber ich kann dafür sorgen, dass ihre Schönheit länger anhält.«

Der fünfte GottWo Geschichten leben. Entdecke jetzt