Kapitel 17.1 - Von Blanks und Convertern

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Von Blanks und Convertern

Es gab keine treffende Worte, um zu beschreiben, wie tief der Schock in uns eingeschlagen hatte. Wie ein Blitz elektrisierte er jede Faser unserer Körper und egal wie viele Herzschläge folgten, nichts ließ die Spannung, die wie eine tonnenschwere Last die Atmosphäre erdrückte, abklingen.

Ich musste nicht hellsehen können, um zu erkennen, welcher Gedanke unseren Verstand bestimmte. Ein inniges Flehen, dass Elliots Aussage nicht der Wahrheit entsprach. Ein erbärmlicher Wunsch, dass er eine Lüge erzählte, doch obwohl es unglaubwürdig klang, nahezu surreal, spürten wir alle, ganz tief in unserem Inneren, dass wir vor Tatsachen gestellt wurden. Tatsachen, die weder verdreht, noch verändert werden konnten.

Ein überwältigender Druck baute sich in meinem Herzen auf und das Atmen kam mir plötzlich schwer vor. Als würden Klauen meine Lungenflügel zusammenpressen, kam der Schmerz unzähligen Stichen gleich, die sich wie Nadeln durch meine Seele bohrten.

»Wo ist sie? Wo findet die Hinrichtung statt?«, platzte es aus Avril heraus, ihr Gesicht zu einer verzweifelten Grimasse verzogen, während Panik ihre Augen entstellte. Ein unkontrolliertes Zittern erfasste ihren Brustkorb, als Adrenalin, einem tödlichen Gift gleich, durch ihre Adern strömte, wie eine Flut, die sie in die Unendlichkeit des Meeres zog. Einsam und kalt, der Verzweiflung überlassen, ausgeliefert wie eine verletzte Beute.

Im Bruchteil einer Sekunde verlagerte ich meine Aufmerksamkeit zurück auf Elliot, der für einen Moment Avril fassungslos betrachtete, doch schließlich presste er die Lippen zusammen, bevor er mit seinem rechten Arm in eine Richtung gestikulierte. Dabei war seine Stimme nicht viel mehr als ein Flüstern, das erst wieder an Kraft gewinnen musste: »Vor der großen Kirche. Dort richtet man alle hin, die zum Tode verurteilt sind. In fünfzehn Minuten.«

Innerhalb eines einzigen Herzschlags mussten wir die Situation begreifen und kaum waren wir uns der Lage bewusst geworden, stürmte Avril los. So schnell ihre Beine sie nur tragen konnten, quetschte sie sich ihren Weg durch die Menschenmenge immer stetig zu dem Ort hin, den Elliot uns gewiesen hatte. Jeden Schritt setzte sie aus purer Verzweiflung, die sich in ihre Seele fraß wie ein Parasit, der nur darauf erpicht war, sie leiden zu lassen, bis ihr Gemüt schließlich einen qualvollen Tod fand. Tränen benetzten ihre geröteten Wangen, während sie einen zitternden Atemzug nahm, der abermals ihren einzigen Gedanken aussprach. Ein flehentliches Bitten, das auf ein gutes Ende hoffte und auf eine Wiedervereinigung mit dem Menschen, an dem sie einst Herz verloren hatte. Der Person, für die sie selbst durch die Hölle gehen würde.

Ich musste nicht einmal einen Blick mit Cyrian austauschen, bevor wir es ihr gleich taten. In höchster Alarmbereitschaft folgten wir der Rothaarigen. Wind peitschte mir ins Gesicht, erfasste meine Haare und ließ sie wild hinter mir herwirbeln, doch das störte mich nicht, stattdessen beschleunigte ich nochmals mein Tempo. So holte ich bald zu Avril auf.

Fünf Minuten verstrichen, in der jede Sekunde mit blanker Panik versetzt war. Gift zerstörte unsere Herzen, bis Furcht uns in seiner Gewalt hatte. Stählerne Ketten, geschmiedet aus Angst, legten sich um unsere Gelenke, machten jede Bewegung qualvoll und nervenaufreibend. Selbst unsere Herzen bildeten das Zentrum dieser Schreckensherrschaft und auch, als ich mit jeder Faser meines Körpers gegen den schädlichen Einfluss rebellierte, zeugten meine Versuche nur von tausenden Niederlagen. Nicht einmal die Ankunft auf dem Platz vor der Kirche hatte den Fluch gelöst, stattdessen wurden unsere Gedanken immer wilder, während meine Atmung einen neuen Höhepunkt fand.

Auf dem Platz, auf dem die Hinrichtung schließlich stattfinden sollte, hatte sich eine kleine Menschenmenge gebildet, die ihre Aufmerksamkeit auf das freie Zentrum gerichtet hatte. Es herrschte er gemäßigte Stimmung, die nur selten von begeisterten Rufen durchbrochen wurden. Es war Jubel und laute Zustimmung, deren Worte die Atmosphäre teilten, wie ein Blitz den dunklen Himmel. Widerwärtige Worte, die von verblendeten Bürgern gerufen wurden, die selbst den Krieg befürworteten. Das war die dunkle Seite des Wasserkontinents.

Der fünfte GottWhere stories live. Discover now