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"D..Danny?"

Seine braunen Augen schauen direkt in meine. Seine Haare und auch seine Klamotten sind durchnässt vom Regen, welcher draußen sein Unwesen treibt. In seinen Händen hält er eine kleine Kiste.
"Darf ich rein?", fragt er mich in einem ruhigen Ton.
"Ja, natürlich", stottere ich und trete zur Seite. Dies lässt er sich nicht zweimal sagen und läuft direkt ins Wohnzimmer. Seine Anwesenheit, welches mich irgendwie ziemlich nervös macht, ist ziemlich ungewohnt für mich. Vor allem nach all dieser Zeit. Ich folge ihm ins Wohnzimmer und sehe, wie er die Kiste auf dem Tisch abstellt.
"Was ist das?", frage ich ihn schließlich neugierig und richte meine Blicke auf die Kiste.
"Das solltest du doch eigentlich sehr gut wissen, oder?" Die Wut in seiner Stimme ist dabei nicht zu überhören.
"Wie meinst du das?"
"Machst du das bewusst?! Ich habe dir klar und deutlich gesagt, dass du dich von mir fernhalten solltest. Also warum verstehst du das nicht? Was bringt es dir diese Kiste vor meiner Haustür abzustellen, wenn ich dort heute schon nicht mit dir sprechen wollte, Grace?"
Verwirrt richte ich meine Blicke nun auf ihn.
"Ich weiß nicht, wovon du gerade sprichst. Ich sehe die Kiste gerade zum ersten mal", erwidere ich verwirrt und versuche die Situation gerade zu verstehen. Warum ist er so wütend und was ist denn in dieser Kiste?
"Ach, tust du das?..", entgegnet er zornig und greift wieder nach der Kiste. Er öffnet sie und leert den gesamten Inhalt vor meine Füße.
Bilder.
Viele Bilder.
Von unserer Kindheit bis hin zu unserer Jugend. Bilder, die ich schon vor langer Zeit tief in meiner Schublade versteckt und sie seitdem nie ausgepackt habe. Wie kann das sein? Wie kommen all diese Bilder zu ihm?
"..Und? Siehst du sie wirklich zum ersten mal, Grace?! Was meinst du?"
"I..Ich war das nicht, Danny. Die Bilder habe ich schon vor langer Zeit in meiner Schublade verstaut..-"
"Wer war es dann?! Deine Mom oder was?..", fragt er mich mit einer kalten Stimme. "..Lass es in Zukunft einfach sein. Es wird dir nichts bringen."
Bevor ich überhaupt irgendwie erwidern kann, läuft er auch schon wieder zur Tür. Kurz bevor er das Haus jedoch verlässt, bleibt er stehen.
"Du musst mich vergessen, Grace. Es ist so besser für dich. Vertrau mir", und damit lässt er mich dann alleine stehen.

Total verwirrt über die Situation, beginne ich die Bilder, die auf dem Boden verstreut sind, wieder einzusammeln. Ich weiß immer noch nicht, wie diese Bilder bei Danny landen konnten. Die einzigen Leute, die von den Bildern Bescheid wissen, sind meine Mutter und Sara. Da es meine Mutter definitiv nicht sein kann, bleibt da nur noch Sara übrig. Aber warum sollte sie so etwas überhaupt tun?
Warte.. Letztes mal hat sie doch sehr eigenartig reagiert. Kann es also eventuell sein, dass sie diese Bilder vor Dannys Tür gelegt hat? Und falls ja, warum hat sie das getan? Ich muss sie morgen definitiv mal fragen.
Ich hebe die Bilder auf und verstaue sie wieder in der Schublade, um sie nicht vor Augen zu haben. Danach geht es für mich dann auch schon ins Bett.
Am nächsten Morgen werde ich durch meinen lauten Wecker geweckt. Als ein totaler Morgenmuffel fällt es mir sehr schwer mich so früh am Morgen von meinem Bett zu verabschieden, doch eine andere Wahl habe ich nicht. Heute habe ich nämlich eine wichtige Vorlesung, zu der ich einfach erscheinen muss. Müde schlendere ich somit ins Bad und mache mich fertig. Danach packe ich auch schon meine Sachen zusammen und verlasse das Haus, um den Bus nicht zu verpassen. Das Wetter ist heute mal wieder sehr kalt und frisch. Der Winter kommt immer näher.
Die volle Bushaltestelle erreiche ich dann nach ein paar Minuten. Kinder, Schüler, Studenten und Erwachsene soweit das Auge reicht. Ich stelle mich in eine freie Ecke und wärme meine Hände in meiner Jackentasche. Vor allem morgens, wenn die Müdigkeit noch ziemlich frisch ist, bleibt diese Kälte unerträglich.
Schließlich kommt auch schon der Bus. Alle Kinder drängeln sich direkt nach vorne, um sich schnell die besten Plätze zu angeln. Das habe ich als kleines Mädchen auch gerne gemacht. Ich habe dann immer gleich zwei Plätze frei gehalten und auf Danny gewartet, der wiederum dieses Drängeln gar nicht leiden konnte. Er hat lieber gewartet bis alle eingestiegen sind und kam schließlich als einer der Letzten in den Bus. Selbst als kleiner Junge ist er schon besonders gewesen.
"Miss, wollen Sie nun einsteigen oder nicht?", fragt mich der genervte Busfahrer und klopft ungeduldig mit seinen Fingern auf dem Lenkrad rum. Alle anderen sind anscheinend schon eingestiegen.
"J..Ja, Sir", antworte ich mit einem verlegenen Lächeln und steige ein. Der Bus ist mittlerweile natürlich schon ziemlich voll, sodass es selbst kaum Stehplätze mehr gibt. Ich stelle mich in eine kleine freie Ecke und stopfe meine Kopfhörer in meine Ohren. Musik am Morgen ist immer gut. Nach einer ganzen Weile hält der Bus dann vor der Universität und ich steige aus. Mein Weg führt mich dann auch direkt in den Saal. Noch sind die meisten Plätze frei, sodass ich mir sogar aussuchen kann, wo ich heute denn am liebsten sitzen würde. Nachdem ich einen schönen Platz gefunden habe, packe ich meinen Block aus meiner Tasche, um mitschreiben zu können.
"Guten Morgen, Grace", höre ich Saras Stimme sagen. Ich hebe meinen Blick und erwidere ihr Lächeln.
"Morgen", antworte ich, während sie neben mir Platz nimmt.
"Ach, ich bin so fertig. Morgens einen Parkplatz zu finden, ist die reinste Hölle auf Erden."
"Du hast es überlebt", sage ich lachend, woraufhin sie die Augen verdreht.
"Ja, aber auch gelitten. Ich kriege jeden Morgen die Krise, wenn ich sehe, wie manche Idioten parken. Ist ja selbstverständlich das man da keinen Parkplatz mehr bekommt. Am liebsten würde ich da eine Kamera hinstellen, um Fotos von den Idioten zu bekommen und sie zu finden."
Fotos.
Danny.

StrangerWhere stories live. Discover now