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Eine Woche ist nun vorbei, seitdem Katrin vor unserer Haustür stand. All diese Tage lang hat Danny kein Wort mehr über diesen Vorfall verloren. Hat so getan, als wäre es nie passiert. So als ob er nicht nach all der Zeit wieder seiner Mutter begegnet wäre. Er versucht damit wieder alles zu unterdrücken, um nicht in dem großen und endlosen Schmerz zu ertrinken. Das Ignorieren ist sein einziger Halt, weil er nicht weiß, wie er mit allem umgehen soll.
Dennoch sehe ich aber an seinen Augen schon, dass es ihn bis heute noch wie an dem Tag auch beschäftigt. Jede Nacht sehe ich, dass er ewig braucht, um einschlafen zu können, auch wenn er versucht, es mir nicht anmerken zu lassen. Alleine die dunklen Augenringe unter seinen Augen schreien schon nach Seelenfrieden, nach dem er sich so sehr sehnt. Trotzdem will er sich wieder nicht helfen lassen. Will wieder alleine kämpfen, da er sich davor fürchtet, sich auf einen Menschen verlassen zu müssen. Auch wenn dieser Mensch ich bin, hat er dennoch von der Vergangenheit diese Wunde, die ihn daran hindert, meine helfende Hand anzunehmen. Bislang wurde er nämlich von allen Menschen, denen er vertraut hat, am Ende verletzt und verlassen. Genau deshalb will er auch jetzt meine Hilfe nicht annehmen, da er sich davor fürchtet, dass auch ich am Ende ihn alleine lassen werde. Das nehme ich ihm nicht übel, denn ich weiß, dass er nichts dafür kann. Allerdings weiß ich aber auch, dass mich nur und alleine der Tod von ihm trennen kann. Solange mein Herz unter dieser Brust hier schlägt, werde ich niemals ihn alleine lassen und genau das werde ich auch ihm beweisen.

"Bist du soweit?", fragt mich Danny ungeduldig, der sich mit verschränkten Armen an den Türrahmen lehnt und mich beobachtet.
Wie lange steht er schon da?
"Bin soweit", antworte ich, nehme meine Handtasche und schließlich verlassen wir das Haus.
Wir wollen heute zu Mittag mal draußen essen gehen und holen auch Alex ab, da sein Auto momentan in der Werkstatt ist. Eigentlich wollte ich Danny damit ein wenig ablenken und seine Laune zumindest irgendwie heben. Alex schafft es immer einen zum Lachen zu bringen und vielleicht hilft es auch Danny mal, wenn er mit ihm alleine sprechen kann. Zumindest hoffe ich das innerlich.

Vor dem Haus von Alex hält Danny das Auto an und ich wähle seine Nummer, um ihm Bescheid zu geben. Einige Minuten danach kommt er dann auch schon auf uns zu. Ein breites Grinsen verziert sein Gesicht, was alleine beim Anblick schon meine Laune hebt. Unauffällig werfe ich einen Blick auf Danny, doch er scheint Alex nicht einmal bemerkt zu haben, bis er schließlich ins Auto steigt.
"Leute, wenn ihr wüsstet, was für einen Hunger ich gerade habe..", jammert er, während er sich anschnallt. "..Ich stebe! Wirklich ich könnte gerade einfach alles essen! Selbst Brokkoli oder Spinat wären mir egal und alleine das sagt bei mir schon alles!"
"Hast du heute nicht gefrühstückt?", frage ich lachend.
"Doch eigentlich schon, aber Sara hat mir meine gesamte Energie schon geraubt und das obwohl sie nicht anwesend ist und wir nur telefoniert haben."
"Du hast mir ihr telefoniert? Man ich sollte sie auch mal demnächst wieder anrufen. Ich habe sie so vermisst! Wie geht es ihr?"
"Besser als mir definitiv. Sie genießt das warme Wetter am Strand, während ich hier diese grauen Wolken am Himmel ertragen muss. Das ist so deprimierend..", gibt er enttäuscht von sich und blickt aus dem Fenster Richtung Himmel. "..Zum kotzen", murmelt er leise und richtet seine Blicke schließlich auf Danny.
"Danny, alles gut bei dir? Du scheinst heute sehr nachdenklich zu sein?"
"Alles gut", antwortet er nur knapp, woraufhin Alex mir einen fragenden Blick zuwirft. Ich hebe darauf unauffällig kurz die Augenbrauen, woraufhin er direkt versteht, dass etwas vorgefallen ist. Er nickt kurz und belässt es dabei.
Die restliche Autofahrt vergeht dann auch nur mit Alex und meinem Gespräch, an dem sich Danny nicht beteiligt.

Im Restaurant angekommen, nehmen wir an dem schon reservierten Tisch Platz und bestellen unser Essen. Während wir darauf warten, gebe ich Alex, der neben mir sitzt einen leichten Kick gegen sein Bein, der mir direkt auch mit seinen Blicken ein Okay gibt.
"Ich geh mal kurz mir die Hände waschen", gebe ich dann von mir und stehe auf.
"Warte Grace, ich muss auch dringend auf die Toilette. Ich komme mit", meint Alex und steht auf. Danny wirft uns beiden nur einen kurzen Blick zu, aber sagt nichts.
Vor den Toiletten angekommen, richtet Alex seine blauen Augen auf mich.
"Was hat er? Was ist passiert?", fragt er mich in einem leisen Ton und starrt mich besorgt an. Ich erkläre ihm dann daraufhin kurz zusammengefasst was vor einer Woche passiert ist, woraufhin sich auch auf seinem Gesicht eine traurige Miene bildet.
"Scheiße..", murmelt er leise und nachdenklich. "..Was sollen wir tun, um ihm helfen zu können? Wir können ja nicht einfach nur zusehen."
"Ich weiß es nicht. Er lässt sich einfach nicht helfen. Ich habe schon probiert mit ihm darüber zu reden, doch er will kein Wort dazu hören und blockt direkt ab. Eine Woche lang schon ist seine Laune so schlecht und es tut mir weh ihn so zu sehen."
Alex, der meine Sorgen sieht, legt seine Hand auf meine Schulter.
"Lass mich mal mit ihm reden. Vielleicht hilft es ihm mal mit einem anderen Typen darüber zu reden", schlägt er vor, woraufhin ein Lächeln sich auf meinen Lippen bildet.
"Danke, Alex. Ehrlich", gebe ich erfreut von mir und umarme ihn.
"Mach dir keine Sorgen. Der Typ da ist stärker als wir alle zusammen", meint er lachend und geht schließlich schon wieder zurück, damit wir nicht beide auf einmal zurück gehen. Obwohl ich mir schon sicher bin, dass Danny etwas ahnt. Ihm ist sowas noch nie entgangen und in solchen Dingen ist er sehr aufmerksam.

StrangerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt