boy in the stars || h.s. ✓

By dezemberwind

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Er war der Sternenjunge, der bis in den Himmel stieg und dann herunterfiel." More

prelude
prolog
1 | sirius
2 | canopus
3 | arcuturus
4 | wega
5 | capella
6 | rigel
7 | prokyon
8 | archernar
9 | beteigeuze
10 | hadar
11 | altair
12 | acrux
13 | aldebaran
14 | spica
15 | antares
16 | pollux
17 | formalhaut
18 | becrux
19 | deneb
20 | regulus
21 | adhara
22 | Castor
23 | gacrux
24 | shaula
25 | bellatrix
26 | elnath
27 | miaplacidus
29 | alioth
30 | mirfak
epilog
danksagung

28 | alnilam

229 41 30
By dezemberwind

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| 28 |

a l n i l a m 

oktober 2036

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„Was ist deine Lieblingsfarbe, Lottie?"
„Grün."
„Wie meine Augen?"
„Nein, wie der Wald vor unseren Häusern. Deine Augen sind aber auch nicht schlecht."

Noah Styles biss sich auf die Lippe, während er hoch in den Sternenhimmel an seiner Decke sah. Es war nicht Nacht und draußen strahlte die Sonne ihre letzten Strahlen aus, als würde sie immer noch mit dem Winter kämpfen, ein Krieg, den sie doch bereits verloren hatte. Doch sie gab nicht auf.

Draußen vor der Haustür hatte Charlotte Styles vor einigen Tagen zwei geschnitzte Kürbisse aufgestellt, die künstlerisch durchaus verbesserungswürdig waren, doch voller Liebe erstrahlten. Jedes Mal, wenn es heute klingelte, verteilte das Mädchen mit den Sternenaugen lächelnd ein paar Süßigkeiten an die Kinder in ihren Halloweenkostümen.

Bunte Blätter flogen an Noahs Fenster vorbei, doch sie blieben unbemerkt von dem Jungen, dessen Gedanken wirbelten und wirbelten. Heute Morgen noch hatte er es für eine wahnsinnig gute Idee gefunden, dass Willow zur Übernachtungsparty vorbei kam, während seine Mutter von Adam auf eine Halloweenparty gezwungen wurde.

Seine beste Freundin und er hatten öfter in einem Bett geschlafen, als er zählen könnte, aber dieses Mal würde es anders sein. Denn dieses Mal wäre es mehr.

„Bitte sag mir, dass du mir hierfür einen Brief dagelassen hast, Dad", murmelte Noah leise, während er auf die Leuchtsterne an seiner Zimmerdecke starrte. Sie waren so nah und gleichzeitig doch unendlich weit weg. „Bitte, denn heute bräuchte ich wirklich einen."

Er bekam keine Antwort, natürlich nicht, aber er rechnete auch nicht damit. Nicht mehr.

Manche Jahre hatte Noah flehend nach oben gestarrt, auf der Suche nach einer Reaktion, hatte sich eingebildet, einen der Sterne ein wenig heller leuchten zu sehen, auch wenn er doch eigentlich wusste, dass es einfach eine Illusion war.

Doch dann war der Junge erwachsen geworden.

Er hatte gelernt, was er wirklich bedeutete, wenn seine Mutter ihm erzählte, dass sein Dad in den Sternen wohnte.

Er hatte gelernt, dass seine Gute Nacht Geschichten vom Mann im Mond wirklich nur Geschichten waren.

Er hatte gelernt, dass diese Sterne keine Traumwelt waren, sondern ein unendlicher Fall.

Der Junge war erwachsen geworden und das war in Ordnung, denn so lief die Zeit. Immer unaufhörlich nach vorne, ohne Stehenzubleiben und immer auf der Stelle. Ein ewiger Kreislauf voll von Fantasy und Realität, Vergessen und Erinnern.

Die Türklingel zeriss die Stille im Haus der Styles und Noah hörte genau hin, bis er die Schritte seiner Mutter durch den Flur jagen hörte. Euphorischer als sonst, sodass er sich sicher war, dass Charlotte Styles sich wirklich auf den kommenden Abend freute. Sie hatte ihrem Sohn versichert, dass Adam und sie einfach nur als Freunde Zeit zusammen verbrachten, aber die geröteten Wangen straften sie Lügen. Also hatte Noah einfach gelächelt und sich seinen Teil gedacht.

Sie waren beide die besten Illusionisten. Das Mädchen mit den Sternenaugen, das sich vor der Wahrheit ihres heutigen Dates versteckte und der Junge, der seiner Mutter versicherte, dass Willow einfach nur als Freundin vorbei kam, wenngleich er doch wusste, dass die heutige Nacht wahrscheinlich alles ändern würde.

Bisher hatten Willow und er einige Dates miteinander gehabt, bis Noah sie mit roten Wangen gefragt hatte, ob sie seine Freundin sein wollte. Es folgten Spaziergänge, in denen sie sich so sehr an den Händen hielten, als würden sie nie wieder loslassen wollen. Es folgten Umarmungen, inniger, als sie bisher gewohnt gewesen waren. Es folgten Küsse, viele Küsse, unschuldige und atemraubende, sanfte und verlangende.

Mehr war bisher nicht passiert, doch dafür blieb ihnen die heutige Nacht.

Ein Gedanke, der Noah gleichzeitig in den Himmel fliegen und panisch wieder fallen ließ. Denn so sehr er auch jeden Teil von Willow haben wollte, hatte er Angst, dass er selbst nicht genug sein könnte für sie.

Seine Freundin verdiente die Welt, verdiente ein Leben voller Liebe, verdiente alles, was dieses Universum zu bieten hatte. Und er war doch nur der Junge, der seine Gitarre liebte und nachts viel zu lange in den Sternenhimmel starrte.

Ein weiteres Mal schellte es und Noah nutzte den Augenblick, um eilig die Treppe herunterzurennen, während seine Mutter zur Tür ging. Auf Socken rutschte er durchs Wohnzimmer, bis er schließlich vor dem Armsessel stehen blieb, auf dem der Junge noch nie jemanden hatte sitzen sehen. Solange er sich erinnern konnte, gehörte dieser Stuhl dem Pappkarton, der liebevoll darauf platziert war.

Mit ungutem Gefühl schaute Noah auf die geringe Anzahl der verbliebenden Briefe und musste nicht lange suchen, bis er den fand, den er vor Jahren bereits einmal aus den Augenwinkeln gesehen hatte. Damals hatte er nicht gewusst, was sein Vater damit meinte. Heute wusste er es nur zu gut.

Für Noah – wenn du das Gefühl hast, vor Glück zu platzen und bereit bist für das Wort mit den drei Buchstaben.

Der Junge nahm den Umschlag vorsichtig aus der Kiste, die langsam der Zeit zum Opfer fiel und sah hinunter auf den allerletzten Brief, der sich noch in ihr befand. Es würde nicht lange dauern, dann würde auch eher zum Einsatz kommen und vor nichts anderem fürchtete sich Noah Styles mehr.

Nicht um seinetwillen, denn er war bereit dazu, sondern wegen seiner Mutter. Sie würde ihren Sternenjungen endgültig gehen lassen müssen und ihr Sohn war nicht sicher, ob sie das ersticken würde.

Doch noch war es nicht so weit, noch gab es diesen zweiten Brief, der gerade seine Hand verbrannte und ihn anflehte, endlich gelesen zu werden. Schon seit Wochen war Noah immer wieder um die Kiste herumgeschlichen, wenn Charlotte gerade anderweitig beschäftigt war, hatte sich jedoch nie getraut, ich zu öffnen. Doch heute führte kein Weg daran vorbei, nicht, wenn unausgesprochen klar war, was heute Nacht passieren würde.

Schritte waren zu hören, die immer näher kamen und eilig versteckte Noah den Briefumschlag unter seinem Pullover, während er versuchte, einen möglichst unschuldigen Blick aufzusetzen. Als seine Mutter jedoch in Wohnzimmer kam, war sie so abgelenkt, dass es ihr nicht einmal auffiel. Stattdessen stolperte sie beinahe über die Sofadecke, die sie wieder einmal nicht an ihren eigentlichen Platz zurückgeräumt hatte.

„Solltest du dich nicht langsam mal fertig machen für die Party?", fragte Noah vorsichtig.

Das Mädchen mit den Sternenaugen biss sich auf die Unterlippe. „Ich bin mir nicht sicher, ob das so eine gute Idee ist."
„Das ist eine hervorragende Idee", protestierte er und schob sie eilig die Treppe hoch bis in ihr Schlafzimmer, was seine Mutter zum Lachen brachte. „Wirklich Mum, auszugehen wird dir gut tun. Du warst schon viel zu lange nicht mehr feiern."

„Ich schätze, ich bin auch mittlerweile zu alt für Partys", merkte sie an. „Wahrscheinlich schlafe ich vor Mitternacht ein."

Noah zog grinsend eine Augenbraue hoch. „Niemals, du hast erst gestern noch bis tief in die Nacht an deiner neuen Fotostrecke gearbeitet. Das habe ich gesehen."

„Ich ignoriere jetzt einfach gekonnt, dass du da schon längst hättest schlafen sollen", lachte Charlotte leise.

„Aber wirklich, Mum, du wirst einen tollen Abend haben. Du hast dich doch darauf gefreut, oder nicht?"

Das Mädchen mit den Sternenaugen öffnete unsicher ihren Kleiderschrank und sah auf das Outfit herunter, das sie letzte Woche in einem Anflug von Euphorie mit Eleanor gekauft hatte. Heute war sie sich nicht sicher, ob das schwarze Hexenkostüm nicht viel zu freizügig war. „Ich glaube schon."

„Weißt du, wer sich auf jeden Fall darauf freut? Adam!", meinte Noah und drückte ihr das Kleid in die Hand. „Der nervt mich nämlich schon seit drei Tagen mit total vielen Fragen zu deinen Lieblingsblumen und so einem Kram."

„Das stimmt nicht", murmelte Charlotte mit roten Wangen.

„Das stimmt sowas von", grinste der Junge. „Ich kann dir meine Nachrichten auf dem Handy zeigen, wenn du mir nicht glaubst."

Ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen. „Ich schätze, dann werde ich wohl auf diese Party gehen müssen."

„Auf jeden Fall."

„Und das ist wirklich okay für dich, Noah?"

„Mehr als okay", lächelte er und umarmte sie, wobei er hoffte, dass sie den Briefumschlag unter seinem Pullover nicht knistern hörte. „Ich will einfach, dass du glücklich bist."

Das Mädchen mit den Sternenaugen sah hinaus aus dem Fenster, auf der Suche nach den Sternen, die noch lange nicht emporsteigen würden. Sie kämpften noch nicht gegen die Dunkelheit. „Dein Dad hat mich glücklich gemacht und ich bin mir sicher, dass das niemand auf die gleiche Weise kann."
„Adam soll dich auch nicht auf die gleiche Weise glücklich machen. Glück hat so viele verschiedene Formen, Mum."
„Wann bist du nur so weise geworden?", lächelte Charlotte. „Wo ist mein kleiner Junge geblieben? Erst gestern habe ich noch stündlich deine Windeln wechseln müssen."
Lachend sah Noah sie an. „Bitte sag sowas nie wieder, vor allem nicht, wenn Willow gleich da ist."

„Sie schläft also hier?", fragte das Mädchen mit den Sternenaugen, um einen beiläufigen Tonfall bemüht, der ihr eindeutig misslang. Ihr Sternenjunge war der Schauspieler von ihnen gewesen, ihre Stimme verriet stets wie ein Gewittersturm ihr Ziel.

„Es ist nicht so, als hätten wir noch nie irgendwo zusammen übernachtet."

„Das weiß ich, aber dieses Mal ist es etwas anderes. Hat Eleanor das erlaubt?"

Noah stöhnte. „Mum."

„Ich will einfach nur, dass ihr vorsichtig seid, okay?"

„Wir sind vorsichtig", erwiderte er mit roten Wangen, während er an das Päckchen in seiner Nachttischschublade dachte, dass Louis ihm zum letzten Geburtstag geschenkt hatte. Damals hatte der Junge noch nicht daran gedacht, dass es überhaupt in nächster Zukunft zum Einsatz kommen würde und er war sich sicher, dass sein Patenonkel nicht so freizügig Kondome verschenkt hätte, wenn er gewusst hätte, wofür genau sie zum Einsatz kommen würden.

Doch die Zukunft war unvorhersehbar, das hatten sie alle auf schmerzhafteste Weise lernen müssen. In einem Moment konnte man fliegen, im nächsten fiel man unendlich tief in den Abgrund, ohne je zu landen. Selbst das hellste Sternenlicht konnte im nächsten Augenblick erlöschen.

Eigentlich war es verdammt ironisch, dass leuchtende Sterne, die man auf der Welt sehen konnte, eigentlich schon längst verglüht waren. Sie waren das Überbleibsel lebhafter Zeiten, die einmal das Universum verändert hatten. Alles, was man tun konnte, war sie strahlend in Erinnerung zu behalten.

„Hast du mit Willow denn schon einmal darüber geredet, ob –"

„Ich muss jetzt dringend Hausaufgaben machen", unterbrach Noah sie und rannte geradezu aus dem Schlafzimmer, während der Brief unter seinem Pullover sich anfühlte, als würde er ihn von innen heraus verbrennen. Als würden die Worte unbedingt darauf aus sein, endlich gelesen zu werden.

In seinem Zimmer angekommen, ließ er sich wieder auf das Bett fallen, mit dem Rücken auf der Matratze und Füßen, die gerade noch so den Boden berühren konnten. Als wären sie nicht sicher, ob sie bereit für den Flug waren.

Einen Augenblick starrte Noah auf die Sterne an seiner Decke, die im Licht der Dämmerung langsam zu strahlen begannen. Dann umfassten seine Finger den Umschlag, öffneten ihn vorsichtig und zogen mit leichtem Druck das beschriebene Papier heraus. Die schwarze Tinte hob sich bitterkalt von dem weißen Blatt ab, jedoch konnten sie beide nicht ohne das andere.

„Lieber Noah", flüsterte der Junge die ersten Worte und ließ sie in die Luft schwirren. Eine Angewohnheit, die er bereits seit Jahren hegte, wenn es darum ging, Briefe seines Vaters zu lesen. Die Grußzeile wurde stets laut ausgesprochen, während er versuchte, sich vorzustellen, wie der Sternenjunge die Worte aussprach. Er hatte eine tiefe Stimme gehabt, das wusste Noah von all den Videos die er über seinen Dad gesehen hatte. Aber es würde für den Jungen immer ein Geheimnis bleiben, wie der Sternenjunge den Namen seines Sohnes ausgesprochen hatte. Ob sein Akzent ihn verformt hatte, ob er ihn anders betont hätte, ob er sich angehört hatte wie ein Wunder zwischen seinen Lippen.

All darüber konnte Noah Styles nur rätseln. Es war eine weitere Kleinigkeit von so vielen weiteren, die er nie über seinen Vater erfahren würde. Nichts weltbedeutendes, aber all diese Details machten einen Menschen wirklich aus und er hasste es, dass er nie die Gelegenheit bekommen würde, diese Nichtigkeiten über seinen Vater zu erfahren. Er hatte sie mit sich in den Sternenhimmel genommen.

Lieber Noah,

Da du diesen Brief geöffnet hast, weißt du mittlerweile, was ich mit dem Wort mit den drei Buchstaben meine. Sex ist garantiert nicht das Thema, über das du am liebsten mit deinen Eltern reden willst und das verstehe ich. Ging mir bei meiner Mum nicht anders und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich meine Ohren das ganze Gespräch über so sehr gebrannt haben, dass ich aussah wie ein Feuerlöscher. Ein wirklich hässlicher Feuerlöscher. Der nicht wirklich wusste, wie er seine Ladung ins Feuer abschießen sollte (kleiner Flachwitz, tut mir leid. Deine Mum sagt immer, dass die überhaupt nicht witzig sind, aber ich konnte ihn mir nicht verkneifen).

Ein Schnauben kam über Noahs Lippen, während er grinsend auf den Brief heruntersah. Der Witz war wirklich alles andere als gut, ehrlich gesagt war er sogar so furchtbar, dass er ihn erst beim zweiten Mal lesen verstanden hatte. Er war sich sicher, dass Willow fluchend aus dem Raum gerannt wäre, wenn Louis diesen Spaß ausgesprochen hatte.

Doch Noah lachte stattdessen, denn auch wenn der Witz einfach verdammt schlecht war, sorgte er dafür, dass er seinen Vater ein wenig besser kennenlernen durfte. Ein weiteres Detail erfahren durfte, auch wenn er dafür den fürchterlichen Humor ertragen musste.

Wahrscheinlich wird dieser Brief wirklich peinlich für dich, Noah, aber hey, sieh es positiv. Ich kann diese Unterhaltung bloß in einem Brief festhalten und du musst mir dabei nicht in die Augen sehen. Mein erstes Mal ist bereits viele Jahre her, während ich diesen Brief gerade schreibe, aber ich werde nie vergessen, wie aufgeregt ich davor gewesen bin. Ich habe mich gefragt, was passieren würde, wenn ich etwas falsch mache und ob deine Mum mich dann hassen würde.

Mit Lottie hatte ich übrigens mein erstes Mal, aber um das deinen Ohren jetzt nicht anzutun, werde ich in dem Brief jetzt einfach über eine theoretische Frau reden. Also vergiss das mit deiner Mum und mir einfach wieder.

„Zu spät", fluchte Noah und presste die Augen zusammen. „Das war wirklich etwas, was ich nie im Leben wissen wollte."

„Was wolltest du niemals wissen?", fragte Charlotte neugierig, während sie das Zimmer betrat.

Der Junge zuckte zusammen. „Was machst du da? Wie lange stehst du da schon? Hast du geklopft?"

„Habe ich", bestätigte sie. „Ich wollte dir nur noch Tschüss sagen, bevor ich jetzt gleich gehe."

Mit großen Schritten kam sie auf ihn zu und sah neugierig auf das Papier in Noahs Händen, das dieser so vorsichtig umklammerte, als könnte es jeden Augenblick explodieren.

„Was liest du denn da, Großer?"

Noah sah hilfesuchend nach oben an den Sternenhimmel. „Einen Brief von Dad."

„Worum geht es denn dieses Mal?"

„Nicht so wichtig", murmelte der Junge mit brennenden Wangen und versteckte den Brief hastig unter seinem Kopfkissen.

Dann versuchte er, auch den Umschlag außer Reichweite seiner Mutter zu bekommen, doch Charlotte war schneller und hielt das Papier triumphierend in die Luft, während sie die darauf geschriebenen Worte las.

„Oh, okay", murmelte sie grinsend, als sie den Sinn dahinter entdeckte. „Ich werde einfach so tun, als hätte ich das nie gesehen. Vergiss bloß das Kondom nicht."

Stöhnend vergrub Noah sein Gesicht zwischen den Händen. „Das ist peinlich, Mum."

„Genieß Harrys Worte, so können wir uns diese Unterhaltung immerhin ersparen", grinste das Mädchen mit den Sternenaugen und gab ihrem Sohn einen Kuss auf die Wange. „Ich gehe dann jetzt. Hab einen schönen Abend."

Noah sah ihr hinterher, während sie sein Zimmer verließ und wartete dann ab, bis die Haustür unten ins Schloss fiel, bevor er den Brief wieder in die Hand nahm.

Ich weiß nicht, wie alt du bist, wenn du diesen Brief lesen wirst. Deswegen möchte ich einfach, dass du weißt, dass du dich auf keinen Fall zu Sex gedrängt fühlen sollst, nur weil das momentan in deinem Alter als normal angesehen wird. Es ist nichts falsches daran, zu warten. Und falls du nicht warten willst, ist das auch total okay.

Wichtig ist einfach, dass du wirklich bereit dafür ist. Ein wenig Unsicherheit ist nicht schlimm, aber du solltest es wirklich wollen. Optimaler Weise, weil es da ein Mädchen gibt, das du liebst und dem du nahe kommen willst.

Ich kann dir nur raten, vor deinem ersten Mal einfach mit deiner Freundin darüber zu reden. Das ist auch wichtig, Noah. Sei offen und rede darüber, was du willst und was du nicht willst. Fühle dich zu nichts gedrängt. Und versucht nicht direkt alles auf einmal, sondern fangt erst einmal klein an.

Du bist erst dann das erste Mal bereit für Sex, wenn du in der Lage bist, mit jemandem darüber zu reden. Wenn dir das also zu peinlich ist, denke lieber noch einmal nach, ob du es wirklich willst. Sex ist was ganz Natürliches und du solltest bereit dafür sein.

Außerdem vergiss bitte nie, dass Kondome ablaufen können und man sie niemals im Auto oder im Portemonnaie aufbewahren sollte. Sie dürfen nie zu warm werden, ansonsten funktionieren sie nicht und ich bin mir sicher, dass Lottie einen Herzinfarkt kriegt, sollte deswegen jemand schwanger werden. Natürlich kann das immer passieren, Fehler passieren, auch das ist okay. Aber leg es einfach nicht darauf an.

Falls du jetzt Angst vor Schwangerschaft hast, keine Sorge, so schnell funktioniert das auch nicht, Noah. Da muss schon vieles zusammenspielen. Deine Mum und ich haben zum Beispiel einige Monate mit wirklichen Versuchen gebraucht, bevor sie wirklich schwanger war. Schon wieder zu viel Info, ich weiß, aber ich will dir einfach die Angst nehmen, dass du beim ersten Mal direkt mit einem Baby endest.

Davor hatte ich nämlich damals wirklich Panik, denn auch wenn ich immer Kinder wollte, dann doch noch nicht mit Siebzehn.

Natürlich heißt das nicht, dass auch beim ersten Mal Sex was schieflaufen kann, aber wahrscheinlicher ist es, dass etwas ganz anderes schief läuft. Vielleicht ist es einfach nicht der richtige Moment oder einer von euch beiden fühlt sich nicht wohl, dann könnt ihr auch einfach aufhören und es ein anderes Mal nochmal probieren.

Es kann auch sein, dass du so aufgeregt bist, dass du keinen hoch bekommst. Das ist auch okay, dann redet einfach darüber und versucht es wieder. Solange ihr offen miteinander seid und euch wirklich gerne habt, ist das kein Problem.

Was mir noch einfällt: Sorg bitte dafür, dass deine Freundin auch auf ihre Kosten kommt. Sei kein Idiot, Noah, und lass sie gut fühlen.

Ich hoffe, dass du dein erstes Mal mit einem Mädchen hast, mit dem du lachen kannst. Denn so ernst Sex auch ist, man sollte den Spaß dabei nie vergessen. Es muss nicht perfekt sein, sondern einfach nur schön.

Damit hast du diesen Brief jetzt auch überlebt.

In Liebe,

Dein Dad

Noah ließ seine Finger einmal über das Briefpapier fahren, während er versuchte, all die Worte seines Vaters in Erinnerung zu behalten. Dann wanderte der Umschlag zu all den anderen, die sich stets in der untersten Schublade seines Nachtisches befanden. Im Laufe der Jahre hatten sich einige angesammelt, sodass der Platz eng wurde, aber er war nicht bereit, auch nur auf einen der Brief zu verzichten. Sie waren eines der kostbarsten Dinge, die er besaß.

Nachdem die Schublade geschlossen war, stahl der Junge einige der Kerzen, die einen ganzen eigenen Schrank im Hause der Styles bewohnten. Er hatte seine Mutter nie eine anzünden sehen, doch er wusste, dass sie einmal seinem Vater gehört hatten.

Mit seiner Ausbeute machte er sich wieder auf dem Weg in sein Zimmer und verteilte die Kerzen, bis er zufrieden mit der Anordnung war.

Gerade als er die letzte Kerze angezündet hatte, klingelte es und er machte sich auf den Weg nach unten. Sobald er die Haustür geöffnet hatte, grinste Willow ihn an.

Noah zog sie lächelnd in eine Umarmung und legte seine Lippen sanft auf ihre. Gleich drei Mal, weil er immer noch nicht ganz glauben konnte, dass er nun dieses Glück spüren dürfte.

„Hey", meinte Willow mit roten Wangen, als sie sich schließlich wieder voneinander lösten.

Vorsichtig verschränkte der Junge ihre Hände miteinander und zog sie dann hinein ins Haus, sperrte den kalten Wind nach draußen, erschuf ihre eigene, heile Welt.

„Ich habe dich vermisst", erzählte Noah, während sie die Treppenstufen nach oben stiegen. Ein kurzer Weg in ein anderes Leben, das dennoch immer gleich bleiben würde. Denn egal wie viel sich auch zwischen ihnen änderte, sie würden immer beste Freunde bleiben.

Willow verdrehte die Augen. „Ich war gerade mal drei Tage bei Tante Daisy."

„Ich habe dich trotzdem vermisst", grinste er.

Noah öffnete seine Zimmertür und sah unsicher zu seiner Freundin herüber, deren Haare im Kerzenlicht beinahe weiß wirkten.

„Hast du das extra für mich gemacht?", flüsterte Willow leise, während sie neugierig durch den Raum schritt.

Er schloss die Tür und nickte. „Ich wollte es ein wenig gemütlicher machen. Ich dachte, wir könnten vielleicht einen Film anschauen?"

„Nur einen Film anschauen?"

Mit roten Wangen zuckte Noah mit den Achseln. „Einen Film anschauen und vielleicht noch ein paar andere Dinge tun. Worauf auch immer du Lust hast."

Willow verschränkte ihre Arme in seinem Nacken, ließ ihre Finger durch seine Locken gleiten und küsste ihn sanft.

„Das hört sich gut an."

„Ja?", flüsterte er gegen ihre Lippen gelehnt.

„Ja."

Noah zog sie langsam in Richtung Bett, blieb jedoch in seinen Pullover hängen, sodass sie schwungvoll auf die Matratze stürzten. Ein Fluch kam über seine Lippen, während Willow lauthals zu lachen anfing. Es war schöner als Musik in seinen Ohren.

„Vorsicht oder willst du mich umbringen?", grinste seine Freundin.

„Hatte ich nicht vor."

Sie legte eine Hand auf seine Wange. „Was hattest du denn vor?"

„Einen Film schauen?", meinte er langsam, weil seine Welt sich viel zu schnell drehte. „Es sei denn, du willst..."

„Ich will", flüsterte sie gegen seine Lippen gelehnt.

Noah küsste sie sanft und während er sie küsste, konnte er das Universum in ihren Augen sehen. Sie strahlten, heller als die Sterne am Nachthimmel und er konnte nicht genug von ihr bekommen. Willow zu küssen war wie Eis essen im Winter. Vollkommen unmöglich, vollkommen verrückt und so wunderschön.

Zittrige Finger umspielten den Raum ihres Sweatshirts, während Noah eine stumme Frage stellte.

„Es ist okay", lächelte seine beste Freundin und half ihm dann, das Oberteil loszuwerden.

Sanft strich Noah über ihre Rippen, erkundete ihre Haut, als wäre sie ein Kunstwerk, das er nie wieder vergessen wollte. Er küsste ihren Hals, küsste ihren Bauch, küsste ihren Mund. Immer wieder und wieder und wieder.

Weitere Kleidungsstücke gesellten sich zu dem Pullover auf dem Boden, längst vergessen, denn es war nicht wichtig. Nichts war mehr wichtig. Nur Willow und Noah zählten noch.

Küsse tauschten den Besitzer, Berührungen ließen Welten erstellen und sanftes Keuchen durchbrach die Stille der Welt.

Noahs Finger suchten fieberhaft in seiner Nachtischschublade nach einem Päckchen, während Willows Lippen über seinen Bauch glitten und immer tiefer, ihn fliegen ließen.

„Ich habe das noch nie gemacht", flüsterte er leise. Sein Atem keuchend, seine Augen scheinend.

„Ich weiß." Ihre Finger stoppten. „Ich schon."
„Ich weiß", entgegnete Noah und lachte leicht. Denn wie könnte er das auch nicht wissen, war sie doch seine beste Freundin, sein Geheimnis und seine ganze Welt. Sie wussten alles übereinander, kannten ihre kleinen Details und die größten Dunkelheiten. Willow Tomlinson war nicht nur das Mädchen, das er liebte, sondern vor allem seine beste Freundin für die Ewigkeit.

„Wenn du aufhören willst, musst du es nur sagen", meinte Willow.

Noahs Finger fuhren über ihre Haut, zeichneten ihre neue Wahrheit. „Nein, ich will nicht aufhören."

„Das ist gut, denn das will ich auch nicht", meinte sie grinsend und riss vorsichtig die Plastiktüte auf. „Ist es okay, wenn ich es dir überrolle?"

Er nickte und holte zischend Luft, als ihre Finger sanft mit ihrer Arbeit begannen.

„Ich will dich, Willow", keuchte er und verzog dann panisch das Gesicht. „Das hört sich furchtbar an. Sorry."

Lachend küsste sie ihn. „Ich will dich auch."

Sie wollte ihre Lippen wieder in einen Tanz verwickeln, sie die Welt vergessen lassen und Sterne an den Himmel malen, doch Noah hielt sie auf. Er strich ihr durch die blonden Haare, eine Strähne wie immer außer Reihenfolge, egal wie oft sie auch gebändigt wurde. Er lächelte, denn Willow würde immer ein Abenteuer bleiben. Auch wenn sie sein Zuhause war.

„Ich will dich so sehr", murmelte er leise. „Aber ich will dich nicht nur, um mit dir zu schlafen. Ich will mehr als das. Ich will mit dir abends ins Bett gehen und am nächsten Morgen mit dir in meinen Armen aufwachen."

Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, während ihre Augen voller Abenteuer strahlten. „Das will ich auch, Noah. Versprochen."

Wie von selbst fanden ihre Lippen wieder zueinander, wie von selbst verzauberten sie sich gegenseitig und halfen sich dabei, in den Himmel zu fliegen. Mitten zu den Sternen hinauf.

Als hätten sie im Leben nie etwas anderes gemacht.

Es war nicht perfekt, bei weitem nicht, aber es war echt.

Und Nichts war wichtiger.

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