11 | altair

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a l t a i r

september 2024

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„Das Atmen fällt mir so schwer, Lou."
„Ich weiß, Harry. Ich weiß."

Die bloße Existenz des Papieres unter seinen Fingerspitzen schnürte Louis Tomlinson die Luft ab. Es war, als hätte er vergessen, wie das Atmen funktionierte. Dabei war es doch eigentlich das Geheimnis des Lebens selbst, die einfachste Aufgabe und in Momenten wie diesen gleichzeitig so unmöglich, als hätte Louis alles vergessen, was es über die Welt zu wissen gab.

Das Gefühl, dass er Harrys Worte zwischen seinen Fingern hielt, Zeilen, die bereits vor Ewigkeiten auf diesem dicken Briefpapier für immer festgehalten worden waren und sich dennoch in seine Haut brannten, als wären sie erst vor wenigen Sekunden niedergeschrieben worden, war alles, an das er noch denken konnte. Sein Gedächtnis war leer, während bloß der Name seines besten Freundes wie ein blitzender Schleier vor seinen Augen hervorblitze, die Louis Tomlinson geschlossen hatte, weil die Welt zu überwältigend war.

Dieses Universum bot so viele Möglichkeiten, so viele glückliche Momente und Abenteuer, doch in diesem Augenblick wollte Louis all dies nicht erleben. Nicht, wenn Harry Styles es doch nie wieder können würde. Die Träume seines besten Freundes waren längst erloschen, seine Erinnerungen verblasst, doch seine Worte und seine Liebe würden ewig bleiben.

Und während Louis all das bewusst wurde, konnte er endlich wieder atmen. Zittrig sog er die Luft in seine Lungen, hart und lange, einfach weil er die Möglichkeit hatte.

Liebster Lou,

Wenn du diesen Brief liest, dann hoffe ich doch sehr, dass du endlich diesen beschissenen Antrag gemacht und auch vor deiner Hochzeit nicht weggerannt bist. Ehrlich, Lou, so langsam war es wirklich überfällig (und das sagte ich dir bereits oft genug, während wir beide noch lebten. Aber so wie ich dich kenne, bin ich wahrscheinlich jetzt schon Jahre tot, bevor du die Frage endlich mal gestellt hast.)

Du hast also geheiratet, hoffe ich zumindest. Wenn du diesen Brief bloß aus lauter Neugierde geöffnet hast, sobald er dir in die Hände gefallen ist, dann klapp ihn gefälligst wieder zu. Dann hast du nämlich besseres zu tun und solltest gefälligst den Antrag machen.

Ein zittriges Lachen stahl sich über Louis' Lippen, wurde ihm doch bewusst, wie gut Harry ihn eigentlich gekannt hatte. An diesem Tag vor all den Monaten, als der Dunkelblonde die Kiste mit den Briefen gefunden hatte, da war er einen Augenblick lang in Versuchung geraten, sie alle ohne Zögern aufzureißen. Zu verlockend waren Harrys Worte, all die Geheimnisse in den Umschlagen gewesen. Und wer konnte es ihm auch verdenken, hatte er doch etwas gefunden, nach dem er nie gesucht hatte. Etwas von Harry, seinem besten Freund, der ihn viel zu früh alleine auf dieser Welt zurückgelassen hatte.

Doch dann hatte Louis sich daran erinnert, wie wichtig es seinem besten Freund gewesen wäre, dass er eben wirklich bloß die Notiz auf dem Karton inhalierte, den anderen Inhalt aber einfach außer Acht ließ. Es war nicht an der Zeit gewesen, um sich über Harrys Wünsche hinwegzusetzen. Nicht, wenn dieser mit solcher Sorgfalt und letzter Kraft mit kritzeligen Worten seine Absichten notiert hatte.

Also hatte Louis die Kiste bloß einige Augenblicke angestarrt, als würden all die Worte sich in Waffen verwandeln und sich schmerzhaft in sein Herz bohren. Doch die Bombe war nicht explodiert, die Worte waren unter ihrem Schleier geblieben und das Leben lief an diesem verhängnisvollen Tag wieder einmal nicht so, wie Louis Tomlinson es erwartet hätte.

boy in the stars || h.s. ✓Onde histórias criam vida. Descubra agora