Black Vision

By Ambi63

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New York, hektisch, immer in Bewegung und aufgrund seiner mehr als acht Millionen Einwohner eigentlich der pe... More

Trailer
Songliste Teil I + Collage
Songliste Teil II + Collage
Prolog
01. Deal
02. Statement
03. Funeral
04. Departure
05. West Village
06. Park Avenue
07. Crossroad
08. Start-Up Problems
09. Unsheltered
10. Waiting
11. Acting
12. Possessive
13. Five Card Draw
14. Tiffany & Co.
15. Myles
16. Knowledge
17. Hachita
18. Drag Queen
19. The Inner Circle
20. Back to the roots
21. Prearrangements
22. Antagonism
23. Yuma
24. Chaotic
25. Merry Christmas
26. Happy New Year!
27. Test Run
28. Provocative
29. Intensiv
31. Prize
32. Cold Comfort
33. Gifts
34. Part of the Truth
35. Offer
36. Rockefeller Center
37. Coincidence
38. Deadline
39. Purification
40. Guilty Plea
41. Showdown
42. Project
43. Checkmate!
44. Precious
45. At home
46. Conversations
47. Twist of fate
48. Circle of life
49. Epilog
Author's Note (Wichtig)
Thanks ♥♥♥
Manip - Alistair und Louis
Blood Shed

30. Fate

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By Ambi63


♪ Army - Ellie Goulding

Standing with an army

I'm standing with an army

Yeah, you understand

Yeah, like no one can

We both know what they say about us

When I'm with you

When I'm with you

I'm standing with an army

I'm standing with an army

(Ellie Goulding - Army)

Sienna


„Gwenny..."

Meine Stimme zitterte, meine Lippen bebten, mein Herz schlug wie irrsinnig und meine Beine drohten nachzugeben.

Für eine Sekunde dachte ich, das Opfer einer Illusion zu sein, doch dann realisierte ich, dass sie leibhaftig im Raum stand. Meine beste Freundin.

Zitternd lief ich vorwärts und bei jedem Schritt hatte ich das Gefühl, ich würde niemals bei ihr ankommen. Mein Herz pumpte das Blut so schnell durch meine Adern, dass mir fast schwindelig wurde und meine Atmung ging viel zu schnell und vor allem viel zu flach. Ich stand kurz vor dem Hyperventilieren.

Wie in Trance streckte ich die Hände aus und kümmerte mich nicht um den Tränenschleier, der mir die Sicht versperrte.

„Sienna!"

Gwenny stürzte mir plötzlich entgegen und eine Sekunde später lagen wir uns heulend in den Armen. Meine Tränen waren nicht zu stoppen, mein gesamter Körper bebte durch die Emotionen, die sich in diesem Moment entluden.

Meine beste Freundin war hier. Das musste ein Traum sein.

Sie küsste mich auf die Wangen und ich küsste sie zurück. Die Fähigkeit zu reden, schien bei uns beiden im Augenblick nicht gegeben zu sein, doch es waren auch keine Worte nötig, um dem anderen zu sagen, was man fühlte.

Fast hatte ich die Hoffnung schon aufgegeben, meinem Rauschgoldengel jemals wieder zu begegnen, mich damit abgefunden, sie niemals wieder zu sehen - doch das Schicksal wollte es anders. Es spielte einen Trumpf aus.

„Sienna." Gwenny fand als Erste ihre Sprache wieder. Im gleichen Augenblick schauten wir uns in die Augen.

„Oh mein Gott, Gwenny", schluchzte ich, „ich liebe dich. Und ich bin so froh - so froh, dich zu sehen."

„Ich dich auch, Sienna. Oh Gott, ich dachte, ich würde dich nie wieder sehen. Nie wieder."

Ihr Schluchzen ertönte erneut in meinen Ohren. Vorsichtig umfasste ich ihr Gesicht mit meinen Händen.

„Du bist so wunderschön, Gwenny, so wunderschön."

Und wieder strömten die Tränen aus meinen Augen, die Gefühle überrannten mich einfach, ohne dass ich etwas dagegen hätte tun können. Fünfeinhalb Jahre hatten wir uns nicht gesehen, nicht gehört, nicht gesprochen. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit und gleichzeitig, als ich hätten wir uns gestern zum letzten Mal im Arm gehalten.

Nichts schien sich zwischen uns verändert zu haben. Selbst ihr Geruch war mir noch vertraut, ebenso wie ihre zarte Stimme.

„Sienna", ertönte ihre sanfte Stimme in meinen Ohren, „du bist noch immer so wundervoll wie damals. Ich dachte, ich hätte dich für immer verloren. Oh Gott, ich kann es nicht glauben, dass ich dich wiederhabe."

Ich glaubte es selbst noch nicht richtig. Immer wieder schaute ich meine Freundin an, streichelte über ihr hübsches Gesicht und sie tat dies ebenso bei mir.

Ein erstes Lächeln zeigte sich in Gwennys Gesicht, eines, das ich erwiderte. Dann umarmten wir uns erneut, so fest, als würden wir nie wieder einander loslassen wollen. Ich konnte nicht beschreiben, was diese Umarmung in mir auslöste. Es fühlte sich an, als sei ich in einem Traum gefangen, der bitte niemals enden sollte.

Niemals.

Ich wollte nicht erwachen, um festzustellen, dass ich das alles nur geträumt hatte, dass eine Illusion die Macht über mich besaß. Aber als ich meine Augen öffnete, war Gwenny immer noch da.

Ihr blondes Haar trug sie nun ein wenig kürzer, doch der Glanz ihrer Augen und auch ihr hübsches Lächeln hatten sich nicht verändert.

„Mein kleiner blonder Engel", sprach ich leise. „Wie hast du mich gefunden?"

Sie antwortete ebenso leise wie ich zuvor.

„Das Bild - es hat mich zu dir geführt. Ich habe im es Vorbeigehen durch das Fenster gesehen. Dann bin ich einfach in den Laden gegangen und habe gefragt, ob man es kaufen kann."

Erstaunt blickte ich meine Freundin an.

„Du hast dich noch an dieses Bild erinnert, obwohl du es sicher nur einmal gesehen hast?"

Gwenny lächelte erneut.

„Ich habe es unzählige Male gesehen, Sienna. Zumindest das Foto davon, in dem Katalog, den Alexander in seiner Galerie liegen hat."

„Ihr habt noch engen Kontakt?"

Als meine Freundin ihre Hand ausstreckte und ich den goldenen Ring an ihrem Finger erblickte, machte mein Herz einen Satz.

„Wir sind verheiratet, Sienna. Ich heiße Gwendolyn Rossi."

Der Stolz in ihrer Stimme war nicht zu überhören und ihr Strahlen ließ mich wissen, dass sie unendlich glücklich sein musste. Beide hatten dies verdient, sowohl Alexander, als auch Gwenny, denn es waren fantastische Menschen.

„Du hast also auch dein Glück gefunden, das freut mich so!"

Und wieder umarmte ich meine beste Freundin.

„Ja, das habe ich. Alexander ist ein toller Mensch, ich liebe ihn über alles. Wir sind jetzt seit knapp einem Jahr verheiratet. Es kam ganz plötzlich, weil wir beide es wollten, aber zusammen sind wir schon seit fast fünf Jahren."

Sie druckste ein wenig herum, als sie die nächsten Worte aussprach.

„Bitte sei mir nicht böse, Sienna, aber Seth und Harvey waren unsere Trauzeugen."

Automatisch schlug mein Herz schneller, als ich die beiden Namen hörte. Allerdings verstand ich Gwennys Bedenken nicht.

„Warum sollte ich denn böse sein? Ich gönne es den beiden und auch euch so sehr. Immerhin konntet ihr nicht zu meiner Hochzeit kommen."

Ein wenig betrübt blickte ich in ihr Gesicht und sah den Schatten, der darüber glitt.

„Es tut mir so leid, Sienna, das du durch mich in diese Situation geraten bist", hauchte sie traurig.

Nun lag es an mir, ihr zu sagen, dass meine Betrachtungsweise eine ganz andere war.

„Es muss dir nicht leidtun, Gwenny. Ich habe meinen Traummann gefunden und wir haben einen Sohn zusammen. Beide sind das größte Glück in meinem Leben, außer-."

Für eine Sekunde geriet ich mental ins Straucheln, meine Stimme gehorchte mir für einen Augenblick nicht mehr. Aber Gwenny wusste, was ich hatte sagen wollen. Sie kannte meine Gedanken und meine Gefühle nur zu gut. Fünfeinhalb Jahre Abstinenz hatten unserer engen Bindung keinen Schaden zufügen können.

„Außer Seth, Harvey und ich", vollendete sie leise meinen Satz, worauf ich unter Tränen nickte.

„Es tut mir so leid, dass ihr kein Teil meines Lebens mehr seid", wisperte ich und wischte mir die erneut aufkommenden Tränen aus den Augen.

„Sienna, alles was zählt ist, dass du lebst, dass es dir und deiner kleinen Familie gut geht. Nicht mehr und nicht weniger. Wir kommen schon irgendwie zurecht, auch wenn es manchmal schwer fällt und die Erinnerungen-."

Sie brach unvermittelt ab, da sie kurz vorm Heulen stand.

Und jetzt war ich es, die ihren Satz vollendete. „Die Erinnerungen verlassen uns nie. Sie sind immer ein Teil unseres Herzens."

„Ja."

Dicke Tränen kullerten aus Gwennys Augen und wieder umarmten wir uns. Die Wärme, die von dieser Berührung ausging, kroch in mein Herz. Sie belebte meine Seele. Niemals hätte ich damit gerechnet, Gwenny hier zu sehen, doch manchmal verfolgte das Schicksal seine eigenen Pläne.

Ganz in meine Gefühle versunken, schreckte ich plötzlich zusammen, als die Tür zum Büro ruckartig aufgerissen wurde.

„Mami!"

Kieran stürmte in den Raum, seinen kleinen Rucksack, welchen er immer in den Kindergarten mitnahm, auf dem Rücken. Gleich dahinter folgte Niall, der mich und Gwenny erstaunt musterte.

„Mami! Schau mal! Ich hab' ein Bild gemalt!"

Stolz präsentierte unser Sohn mir sein neuestes Werk. Eine Mischung aus bunten Farben, doch ich konnte ein Mädchen und einen Jungen darauf erkennen. Außerdem einen Hund sowie einen Baum, dessen Blätter der Farbe des Herbstlaubes glichen.

„Oh, das ist aber toll. Sollen wir das in der Galerie aufhängen?", fragte ich, wobei ich mich bemühte, meine Stimme normal klingen zu lassen.

„Au ja!", jauchzte er voller Freude.

Lächelnd ging ich in die Hocke, gab ihm einen Kuss auf die Stirn und zog ihm die Mütze mit dem Superman-Motiv vom Kopf. Seine dunklen Haare kamen zum Vorschein, gleichzeitig blitzten seine blauen Augen unternehmungslustig auf.

„Zieh die Jacke aus, Kieran, es ist viel zu warm hier drinnen", wies ich ihn an.

Gehorsam tat unser Sohn, was ich von ihm verlangte. Er hatte auch kein Problem damit, den Reißverschluss zu öffnen und selbstständig aus dem kleinen Parka zu schlüpfen, welchen er mir sodann grinsend überreichte. Dann schaute er zu Gwenny.

„Mami, wer ist das?"

„Eine Kundin. Sie möchte ein Bild kaufen", antwortete ich, bemüht, die Fassung nicht zu verlieren.

Sicher konnte Kieran nicht heraushören, wie es mir gerade erging, denn er nickte nur, ohne einen Ton von sich zu geben. Doch Nialls Stimme erinnerte mich daran, dass sich hier Raum noch ein Erwachsener aufhielt, der sich so leicht nichts vormachen ließ.

„Kieran, was hältst du davon, wenn du nach unten zu Ruppert gehst? Er soll dir einen Kakao machen und dein Bild aufhängen. Und vielleicht kannst du noch ein Zweites malen."

„Okeeey."

Unser Sohn grinste zufrieden, schnappte sich sein Bild und stürmte voller Elan aus dem Zimmer. Als Niall die Tür hinter ihm zuzog, hörte ich Gwenny wispern: „Oh Gott, er ist so süß, ein wundervoller Junge."

Mein Blick ging zu Niall, der auf uns beide zuging. Mühelos erkannte er, dass etwas ganz und gar anders war als sonst. Schließlich umarmte man seine Kunden für gewöhnlich nicht.

„Was ist hier los?", lautete seine erstaunte Frage, die zugleich auch etwas Beunruhigendes ausstrahlte.

Er machte sich Sorgen, das konnte ich deutlich heraushören. Tapfer setzte ich zum Reden an, um ihm eine Erklärung zu liefern.

„Niall, das ist meine beste Freundin Gwendolyn. Gwenny, das ist Niall, mein Mann."

Wieder begann ich laut zu schluchzen, schlug die Hände vor das Gesicht und wartete auf eine Reaktion. Es war mir egal von wem der beiden sie nun kommen würde, denn ich hatte mir immer wieder das Szenario ausgemalt, wie ich meinen Mann und meine beste Freundin einander bekannt machen würde. Doch stets fand diese Begebenheit in meinen Träumen statt. Nun hatte sich dies zur Realität entwickelt.

Langsam nahm ich die Hände wieder von meinem Gesicht. Mit klopfendem Herzen beobachtete ich, wie beide sich anschauten. Nialls Erstaunen nahm kein Ende und Gwennys Blicke sagten mir, dass sie ihn durchaus attraktiv fand.

„Wie hast du Sienna gefunden?", lautete Nialls erste Frage.

Natürlich war er um unsere Sicherheit besorgt, etwas, was ich ihm niemals verübeln würde.

„Ganz einfach, mein Bild hat sie zu mir geführt", erwiderte ich.

Gemeinsam erklärten Gwenny und ich die Sachlage, was Niall erleichtert aufatmen ließ.

„Du bist also mit dem Typen verheiratet, der Sienna dieses Bild geschenkt hat. Und ihr beiden seid gerade in New York. Er quasi auf Geschäftsreise, und du als seine Ehefrau, die gerne shoppen geht", fasste er unsere Ausführungen zusammen.

„Ja, und dabei wollte ich mir die Ausstellung von Thomas Fabry anschauen. Mein Mann kommt morgen hier vorbei."

„Oh Gott, ich muss das Bild wegräumen", sagte ich hektisch. „Wenn Alexander es sieht, dann-."

„Ganz ruhig, Sienna", warf Gwenny ein. „Er ist mein Mann und er weiß, dass du nicht tot bist. Seth, Harvey und ich haben ihm jedoch nur das Nötigste erzählt. Er hat sich damals ziemliche Sorgen gemacht, als du verschwunden bist. Und irgendwie mussten wir es ihm erklären. Er würde jedoch nie etwas erzählen beziehungsweise aussprechen, was er vermutet. Ihr müsst euch keine Sorgen machen."

Nach ihrer Rede ging sie einen Schritt auf Niall zu, reichte ihm die Hand und sagte: „Nett, dich endlich mal kennenzulernen."

Mit einem charmanten Lächeln erwiderte mein Mann: „Die Freude ist ganz auf meiner Seite."

Grinsend schüttelte er Gwennys Hand, die ihn unverhohlen in Augenschein nahm. Niall sah heute wirklich zum Anbeißen aus. Er trug eine schwarze Jeans, einen dünnen, schwarzen Rollkragenpullover sowie ein hellgraues Jackett. Ich liebte diese Kombination an ihm, denn sie strahlte Eleganz, gepaart mit Lässigkeit aus. Außerdem brachte der schwarze Rolli seine blonden Haare sehr gut zur Geltung.

„Was habt ihr denn jetzt vor?", erkundigte sich Niall.

„Keine Ahnung", seufzte ich, während mein ratloser Blick zu Gwenny ging. „Wie lange bleibst du denn in New York?"

„Leider nur bis zum Sonntag, dann müssen wir wieder zurück nach London."

Als ich hilflos zu Niall blickte, konnte ich förmlich sehen, wie es in seinem Kopf arbeitete.

„Hört zu, ihr beiden. Ich kann mir gut vorstellen, dass ihr euch noch mal treffen wollt, bevor eure Wege sich erneut trennen. Als Alternative könnte ich euch unsere Kirche anbieten."

„Die Kirche?" Mit hochgezogenen Augenbrauen starrte ich ihn an.

„Ja, die Kirche. Ihr vereinbart einen Termin und ich komme dann hinzu, um euch in die Sakristei zu lassen, damit ihr euch ungestört unterhalten könnt. Wäre das ein Vorschlag?"

Damit konnte ich mich wohl arrangieren und Gwenny wohl auch. Zumindest stimmte sie sofort zu.

„Ja, das klingt gut. Ich möchte euch nämlich nicht in Schwierigkeiten bringen."

„Gut. Dann macht einen Tag und eine Uhrzeit aus. Ich schnappe mir Kieran und fahre mit ihm nach Hause."

Nach diesem Satz nickte er uns zu und lief in Richtung Tür. Bevor er diese erreichte, vernahm ich Gwennys Stimme.

„Dürfte ich Kieran bitte noch einmal sehen?"

Tränen schimmerten in ihren Augen, doch als Niall nickte, begannen diese förmlich zu leuchten. Wir drei wussten, dass es kein weiteres Mal geben würde und wenn, dann in einer fernen Zukunft. Gwendolyn sollte unseren kleinen Jungen nochmals zu Gesicht bekommen, sich einprägen, wie er als Kind aussah und diese Erinnerung mit nach Hause nehmen. Sie würde Seth und Harvey, die ihn schon einmal gesehen hatten, davon berichten.

Der Gedanke an meinen Bruder und seinen Lebensgefährten ließ mich schwer schlucken.

„Geht es Seth und Harvey gut?", fragte ich in die Stille hinein, die sich im Raum bildete, seit Niall diesen verlassen hatte.

„Ja, es geht ihnen soweit gut. Ich werde von dir Grüße ausrichten, wenn ich wieder zuhause bin."

„Bitte sag' ihnen, dass ich sie liebe."

„Das mache ich."

Ein mattes Lächeln huschte über mein Gesicht. Wie gerne würde ich die beiden sehen und ihnen persönlich erzählen, wie es mir gerade erging. Doch leider war dies nicht möglich.

„Dein Mann ist echt ein heißer Typ", lenkte Gwenny mich plötzlich von meinen trüben Gedanken ab und löste damit prompt ein süffisantes Grinsen bei mir aus.

„Ich weiß, deswegen habe ich ihn geheiratet. Niall ist der Hammer und zwar in jeder Beziehung. Er ist ein klasse Vater und ein toller Ehemann."

Das Aufblitzen ihrer grünen Augen ließ mich bereits ahnen, was gleich kommen würde.

„Und der Sex?"

„Ist besser denn je." Mir war die letzte Nacht im Black Room nur zu gut in Erinnerung geblieben.

Ein Klopfen an der Tür unterbrach unsere leicht pikante Konversation, die es nur unter besten Freundinnen gab, abrupt. Kieran kam hineingestürmt, sein kleines Gesicht leuchtete voller Freude. Gleich dahinter betrat Niall den Raum.

„Ruppert hat mein Bild aufgehängt!", verkündete unser Sohn voller Stolz.

„Das ist toll, mein kleiner Schatz."

„Er hat es sogar eingerahmt", ließ Niall mich wissen, während er den Reißverschluss an Kierans Parka zuzog.

Liebevoll setzte er unserem Sohn die Mütze auf, der uns grinsend zuwinkte.

„Ich gehe jetzt mit Papi zu Myles. Tschüss, Mami."

„Krieg ich keinen Kuss?"

„Doch."

Seine kleinen zarten Lippen berührten meine Wange, als ich in die Hocke ging und ihm das Gesicht entgegen streckte.

„Danke, mein Schatz und bis später."

Auch Niall gab mir einen Kuss.

„Bis später, Baby", raunte er mir ins Ohr.

Kaum waren die beiden verschwunden, wandte sich Gwenny an mich.

„Sienna, ich muss jetzt leider gehen. Ich bin mit Alexander verabredet. Sag mir, passt es dir am Samstag um vierzehn Uhr?"

„Ja, das passt."

„Gut, wir sehen uns dann. Ich hab dich unendlich lieb."

Ihre letzten Worte brachte sie mit einem Schluchzen über die Lippen.

„Ich dich auch, Gwenny."

Ein weiteres Mal umarmten wir uns, bevor sie meinen Blicken entschwand. Dieser Tag hätte nicht besser sein können. Gwendolyn nach all den Jahren zu sehen, glich einem kostbaren Geschenk. Eines, das ich für immer ehren wollte.

Viel zu langsam verstrich die Zeit bis zum Wochenende, obwohl es in der Galerie unglaublich viel zu tun gab. Gott sei Dank musste ich am Donnerstag nicht arbeiten, sodass ich nicht Gefahr lief, Alexander Rossi zu begegnen. Doch ich konnte es kaum erwarten, Gwenny am Samstag erneut zu sehen. Seit Tagen bildete sie das Gesprächsthema Nummer eins zwischen Niall und mir, zumindest wenn Kieran sich nicht in unserer Nähe aufhielt.

Wie vereinbart, fuhren Niall und ich am Samstagnachmittag gemeinsam zur Kirche. Da diese niemals abgeschlossen wurde, stellte es für Gwenny kein Problem dar, hineinzugelangen. Schon beim Betreten des Gebäudes sah ich meine Freundin in einer der langen Bänke verweilen.

Als sie uns kommen hörte, drehte sie sich um und ich gab ihr ein Zeichen, sich zu erheben. Außer uns befand sich niemand hier und demnach erreichten wir ungestört, und ohne neugierigen Blicken ausgesetzt zu sein, die Sakristei. Niall schloss die Tür auf und verabschiedete sich mit den Worten: „Ihr habt eine Stunde Zeit, dann komme ich zurück", von uns.

Diese eine Stunde bedeutete alles für mich. Es fühlte sich an, als ob ich Gwenny die letzten fünfeinhalb Jahre meines Lebens zu Füßen legte - und sie tat umgekehrt das Gleiche.

„Weißt du, Sienna, tief in meinem Innersten wusste ich immer, dass du mit Niall glücklich bist, obwohl du uns vermisst. Aber wirklich zu sehen, wie glücklich du bist und wie toll und süß euer Sohn ist, bedeutet alles für mich."

Sie nahm meine Hand in die ihre.

„Ich liebe dich, Sienna. Das habe ich immer getan. Diese Zeit in New York wird die schönste Erinnerung meines Lebens sein. Ich werde sie nie vergessen. Ich werde euch drei nie vergessen."

Tränen schimmerten in ihren Augen und ließen auch meine feucht werden.

„Erinnerungen sind für ewig in unseren Herzen, Gwenny. Ich glaube, du weißt, wie sehr ich dich liebe. Aber leider müssen sich unsere Wege wieder trennen."

Heiser kamen die Worte über meine Lippen.

„Dabei will ich nicht, dass du gehst, aber dir bleibt keine andere Wahl. Genauso, wie ich hier bleiben muss. Vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder."

„Das tun wir. Ich werde die Hoffnung nicht aufgeben, Sienna und du solltest das auch nicht tun."

Wir umarmten uns und küssten uns zum Abschied. Freud und Leid lagen so nahe beisammen. Lieben und geliebt werden. Suchen, finden und wieder verlassen.

Der Schmerz als Gwenny ging, war mit nichts zu vergleichen. Man rammte mir ein Messer in die Brust, zog es heraus und ließ mein Herz bluten. Doch gleichzeitig befand sich dieses Lächeln auf meinen Lippen. Der Gedanke, sie gesehen, gefühlt und mit ihr gesprochen zu haben, erzeugte ein Strahlen in meiner Seele, wie ich es selten zuvor gespürt hatte. Dankbarkeit stieg in mir auf. Sie vermischte sich mit dem Schmerz, der in meinem Innersten tobte.

Doch genau dieser Schmerz ließ mich wissen, dass ich noch am Leben war. Und um nichts anderes ging es hier. Niall, Kieran und ich wollten überleben, egal wo, egal wie. Dafür waren wir bereit, unendlich viel aufzugeben. Als Gwenny meinen Blicken entschwand, wurde mir das noch einmal viel bewusster. Würde ich sie jemals wiedersehen?

Behutsam legten sich zwei starke Arme um mich. Sein vertrauter Geruch stieg in meiner Nase auf und bewirkte, dass ich meine Augen schloss. Er hatte sich von hinten in die Sakristei geschlichen, der einzige Mann, der die Blutung in meinem Herzen zu stillen wusste.

„Niall", wisperte ich leise, „ich liebe dich."

„Ich dich auch, Sienna."

So sehr der Abschied von Gwenny auch schmerzte, ich wusste, wofür ich dieses Leid auf mich nahm.

„Ich würde jedes Opfer für dich und Kieran bringen", flüsterte ich.

„Ich auch für euch beide", antwortete Niall.

Zuhause angekommen, bedankte ich mich bei Sophia, die währenddessen auf Kieran aufgepasst hatte und sich nun zum Gehen rüstete. Kaum war sie verschwunden, meldete sich Nialls Handy. Da er das Gespräch im Wohnzimmer führte, konnte ich alles mithören, was er sprach.

„Hallo Nicholas.- Ja, ok. - Hättest du etwas dagegen, wenn ich Jenny frage, ob ihr das Recht ist? - Natürlich würde ich gerne dabei sein. - Ist gut, ich sage dir morgen Bescheid."

„Was wollte Nicholas denn?", erkundigte ich mich neugierig.

„Er wollte mich zu einer Runde Poker einladen."

„Wann denn?"

„Nächsten Samstag."

Niall umfasste meine Taille, als er mir ins Ohr flüsterte.

„Du hast vorhin gesagt, dass du jedes Opfer für mich bringen würdest. Ich glaube, das kannst du jetzt beweisen."

Spielerisch griff ich nach seinen Händen.

„Inwiefern?"

„Die Pokerrunde wird länger dauern, das hat Nicholas schon anklingen lassen."

„Hm, was bedeutet länger?"

„Weit nach Mitternacht."

Ich konnte es ihm einfach nicht abschlagen, jedoch schwebte mir ein Kompromiss vor.

„Gut mein Lieber, unter einer Bedingung."

Liebevoll streichelte Niall mit seinem Handrücken über meine Wange.

„Was immer du willst, Baby, sag' es mir."

„Eine Doppelstunde im Black Room."

„Deal!"

____________________

Das war die Begegnung mit Gwenny. Ich hoffe, ihr mochtet es, weil es schwer zu schreiben war. Der Auszug aus dem Songtext oben, stammt aus dem Lied "Army" von Ellie Goulding. Sie hat diesen Song ihrer besten Freundin gewidmet, was mich auf dem Konzert, als sie dies erwähnte, zu Tränen gerührt hat. Ich finde, dieser Song passt wie die Faust aufs Auge zu Sienna und Gwenny.

Der kleine Cliffhanger zum Schluss musste sein. :) Schließlich wollte ich euch ein bisschen Appetit machen.

Danke für die tollen Kommentare zum letzten Kapitel. Ich fand es toll, dass ihr den Black Room offensihtlich vermisst habt.

Das nächste Update kommt Montag oder Dienstag.

LG, Ambi xxx

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