Durch den Weg deines Herzes

By Quzelkurt

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Ein Leben, das sie so nie führen wollte und nichts dagegen tun kann, außer zu warten. Ein Abend, an dem sie v... More

Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Kapitel 61
Kapitel 62
Kapitel 63
Kapitel 64
Kapitel 65
Kapitel 66
Kapitel 67

Kapitel 38

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By Quzelkurt

Es ist mehr als nur krank und moralisch verwerflich, aber ich fühle mich gerade jetzt so unbeschreiblich stark zu ihm hingezogen. Dass er jemanden gefoltert und ermordet hat, kümmert mich kaum. Sein Zustand hingegen fesselt mich, auch wenn er mir Angst macht. Ich weiß nicht. Ich weiß nicht, wie stark ich entspannen kann, aber jetzt, wo ich auf ihm sitze, fühle ich mich in der Kontrolle. Meine Beine zittern - von meiner Hand, die die Wanne abstöpselt, will ich nicht anfangen. Ich bin immer noch angespannt und ich vergesse das Ausatmen öfter als gesund für mich ist. Azad so kühl und ruhig zu sehen, passt überhaupt nicht. Er ist zwar ein besonnener Mann, der nicht unbedingt viel reden muss, aber gerade wirkt seine Stille unausweichlich bedrückend. Ich will mich ablenken, nehme daher wieder den Schwamm zur Hand und reibe sanft die kleinen Flecken weg. Bei seinen Händen habe ich viel zu tun, das weiß ich. "Hast du offene Wunden an den Fingern?" "Nein. Meine Impfungen sind alle noch gültig." Gut möglich, aber weiß Gott, was der Typ alles hatte. "Infektiöses Material." "Mir gefällt es, Blut auf meiner Haut zu haben." Oh Gott. "Lass dein Blut untersuchen", gebe ich strenger von mir, als ich fester über sein Schlüsselbein fahre. "Was immer du dir wünschst, Schneeflocke." Er schmunzelt schief. Es ist nicht sein typisches Grinsen. Er ist immer noch in dieser Trance und ich weiß nicht, woher ... hat er ... er würde niemals Rauschmittel nehmen.

Ich will es gar nicht tun, aber meine Hände schlingen sich um seinen Hals. Mein Herz rast. Wenn er unter Drogen steht, muss ich weg. Nein. Kein Junkie. Kein verfickter Junkie. Meine Wut ist groß. Azad bemerkt die Bedrohung, zieht aber nur seine Augenbrauen zusammen. Ich spreche noch nicht. Ich muss Anzeichen absuchen. Er zittert nicht. Er schnieft nicht. Er ist nicht hibbelig. Seine Atmung ist ruhig und er hatte Appetit. Trotzdem kann ich Kokainkonsum nicht ausschließen. Ich taste in seiner Nase herum, mit der Angst, keine glatte Scheidewand zu fühlen. Meine Hand reagiert schneller als ich registrieren kann, als ich seine Nasenscheidewand kneife und kratze und für eine versuchte unterdrückte Reaktion sorge. Seine Lider kneifen sich zusammen, seine Nase rümpft sich. Kein Koks. Er spürt es. Ich sehe sogar Tränen in seinen Augen deshalb. Ich lasse von seinem Hals ab, was ihn sowieso nicht wirklich interessiert hat. "Wofür war das?", fragt er halb so neugierig, wie er wahrscheinlich wirkt. Es stört mich ungemein, dass er so kühl ist. Das ist mein Part! "Ich muss dich auf Drogen testen." "Ich nehme keine Drogen." "Ich glaube dir kein Wort-," "Avin." Mir wird kalt. Kaltes, langsam fließendes Wasser läuft bei dem warnenden Aussprechen meines Namens meinen Rücken hinunter. Ich kann nicht anders. Ich muss von ihm zurückrutschen, egal wie fest er mich an meinen Oberarmen hält. Ich brauche Platz. Ich weiß nicht, ob er unter Drogen steht, so normal er auch auf den ersten Blick aussieht.

"Ich nehme keine Drogen. Ich weiß, dass du traumatisiert wurdest. Ich habe es nicht nötig, dich anzulügen. Ich bin in einem Zustand, in dem ich dringend deine Wärme benötige und nicht dein Misstrauen!" Aber ... ich kann das nicht. Es überfordert mich. Ich war ängstlich, dann erregt, dann misstrauisch und die ganze Zeit über unsicher und jetzt weiß ich wirklich nicht weiter. Azad bemerkt es. Er sieht den Hilfeschrei in meinen Augen. Ich brauche ebenso seine Wärme gerade. Seine Augen schließen sich. "Avin", setzt er leise an. Ich bin so unglaublich erleichtert, als er mich in seine Arme zieht und mir einen Kuss auf die Schläfe drückt. Ich weiß wirklich nicht mehr weiter. Was ist, wenn er etwas oral eingenommen hat? Was ist, wenn er dort das Koks konsumiert hat? Ich muss an sein Zahnfleisch rankommen. Ich rieche keinen Alkohol, aber ... ich weiß es nicht. Ich könnte weinen deshalb und ich spüre wirklich, wie meine Drüsen kleine Tränen abgeben. "Ich schwöre es dir, Avin. Ich habe nichts im Blut. Ich habe und werde nichts konsumieren." Ich hoffe es so sehr. "Ich bin oft nach dem Internen so. Ich schalte ab. Mir hat jemand gefehlt, der mir die Wärme gibt, die ich in dem Moment nicht spüre." Ich verstehe ihn. Ich verstehe ihn so sehr. Ich habe zu oft nach Wärme in der einsamen Dunkelheit gesucht, wenn sich alles wiederholt hat. Als ich wieder im enttäuschenden Strudel der Monotonie gefallen bin. Ich verstehe ihn so gut.

Meine Arme schlingen sich um seinen Hals. Ich will mich nicht auf ihn verlassen. Ich kann es zum größten Teil auch nicht, so sehr ich es auch vielleicht möchte. Mich plagt zu sehr die Angst, enttäuscht zu werden. Wieder. Wie immer. Sein tiefes, schweres Einatmen hat eine so depressiv-nostalgische Wirkung. Es erinnert mich an all die schweren Male, zu atmen. An all die Momente, in denen ich keine Luft bekommen habe. An jede Minute in der dunklen Einsamkeit meines Herzes. Die Wanne füllt sich immer weiter, sodass Azad das Wasser abstellt - immer noch mit mir in seinen Armen. Es ist beneidenswert, wie offen er seine Emotionen zeigen und so leicht und voller Vertrauen etwas so Vulnerables teilen kann. Er braucht mich. Er braucht meine Nähe, meine Wärme. Ich brauche ihn. Ich brauche seine Nähe, seine Wärme, nur kann ich es nicht sagen und zum Teil verfluche ich mich auch, dass ich so etwas behaupte. Ich brauchte nie jemanden. Ich habe es immer geschafft und ich will es nicht einfach so zum ersten Mal behaupten, aus Angst, er würde mich enttäuschen. Es ist schwer. Es ist so unbeschreiblich schwer, lockerzulassen. Ich fühle mich aktiv wohl bei ihm und freue mich, aber sobald er schläft, beginne ich mich zu hassen. Ich rege mich darüber auf, dass ich so naiv bin. Ich entwickele Wut für ihn, weil er so viele Dinge tut, obwohl ich sie will! Aber ich habe Angst. Ich wehre mich vehement.

Und schon wieder fühle ich jetzt in diesem Moment keine Unruhe mehr. Es ist nur seine Hand, die auf meinem Rücken kleine Kreise zeichnet und seine Brust, die sich unter meine Wange bewegt. "Wie fühlst du dich?", murmele ich. "Kaputt. Sobald die Wut keinen Besitz meines Körpers mehr hat, fühle ich mich wie erschlafft. Als wäre ein Dämon temporär in mir und würde mich kontrollieren. Ich kam zwar immer danach klar, aber ich habe seit dem ersten Mal gespürt, wie mir jemand fehlte, der mich einfach in den Arm nahm." Ich weiß, wie das ist, Azad. Auch wenn es aus unterschiedlichen Gründen ist. Ich weiß, wie bitterlich es ist, allein zu sein, wenn man jemanden haben möchte, der einem das Gefühl des Schutzes durch eine simple Umarmung vermitteln kann. "Es ist nicht immer so, aber ich bevorzuge es. Beim stumpfen Töten bin ich danach nachdenklicher, aber beim Foltern bin ich manchmal doch ein kleines bisschen erschreckt von mir." "Ein kleines bisschen", spotte ich leise und er lacht amüsiert auf. "So ist es, Schneeflocke." Seine Hand tätschelt mich auf dem Rücken. "So ist es", wiederholt er leiser. "So erschreckt kannst du nicht sein, wenn du eine Erektion hast." Es ist so gestört, dass ich gerade noch Angst und Misstrauen hatte, kaum sprechen konnte, er mir tiefe Gefühle offenbart hat und unser Gespräch jetzt so weitergeht. Er grinst locker und lässig, als hätte er nicht vor vielleicht zweieinhalb Stunden jemanden die Augen ins Gehirn gedrückt.

"Deine Angst turnt mich an." Dieser ... was ein kranker, gestörter, blauäugiger Mörder! Ich bin fassungslos. "Hast du mir absichtlich Angst gemacht?" "Nein." "Lüg nicht!" "Würde ich niemals", beteuert er ruhig und gelassen, wie immer. Seine Hand fährt mir über mein Haar. Für zwei Male lasse ich es zu, beim dritten Mal jedoch packe ich warnend nach seinem Handgelenk und drücke es gegen die Kante der Wanne. "Mir gefallen Fesselspiele." "Azad!", warne ich, doch er lacht nur leise und rau. "Ich mache meiner Frau niemals freiwillig Angst. Fesseln würde ich mich aber alle Fälle von ihr." Oh mein Gott, was ein Psycho! Ich ziehe die Nase kraus, lasse abwertend von seinem Handgelenk los. "Dich turnt gefühlt alles an." "So ist das mit einer hübschen Frau." "Schleim nicht." "Nicht doch." "Sag, wieso dich meine Angst anturnt." Ich verstehe es einfach nicht. Was ist daran bitte erregend? Sein Blick verändert sich. Das Schelmische aus seinem Gesicht nimmt langsam ab. "Ganz einfach", setzt Azad an, als seine Hände Platz auf meinen Hüften einnehmen, mich hochziehen, sodass ich wieder genau auf seiner Erektion sitze und sich mein Unterleib deshalb zusammenzieht. "Weil es mir das Gefühl der Macht gibt. Mir gefällt die Vorsicht in deinen Zügen. Mir gefällt es, wie ruhig meine sonst so strenge und vorlaute Ehefrau ist und ich genieße es, wie groß deine Augen werden. Ich will dich am liebsten über den Tisch beugen und ficken, bis dein schönes Gesicht tränennass ist. Ich will dich schreien hören. Ich will alles mit dir machen, wenn ich sehe, dass du Angst hast."

Mir kommt kein einziges Wort über meine gespaltenen Lippen. Ich weiß nicht, ob ich Azad dafür verfluchen soll, dass er mir eine kurze Pause zum Verdauen gönnt. Das alles geht in seinem Kopf vor sich, wenn ich Angst habe? Das ... Moment mal! Meine Augenbrauen ziehen sich streng zusammen. "Willst du mir sagen, dass du geil wurdest, als ich dich am Telefon um Hilfe gebeten habe?", schnauze ich ihn an. "Nein." Ich hoffe es sehr wohl für ihn! "Das Gefühl kriege ich nur, wenn du meinetwegen Angst kriegst. Empfindest du Angst aufgrund anderer, sorge ich dafür, dass sie ewig Angst haben, solange sie noch leben dürfen, Schneeflocke." Ich habe keine Ahnung, wie ich damit umgehen soll. Meine Brust hebt sich schneller. Mein Blick zeigt Verstörung und Verwirrung. Diesem Typen geht es überhaupt nicht gut, egal wie ruhig er mir alles erklärt. "Im Übrigen brauchst du deine Gefühle nicht zu verstecken, Schneeflocke." Was redet dieser blauäugige Mörder da?! Ich ziehe streng meine Augenbrauen zusammen. "Tue ich nicht", erwidere ich trocken. "Sicher?" "Ich brauche nicht zu lügen." Was will er mir weismachen? Ich bin ganz sicherlich nicht so krank drauf wie er und kriege irgendwelche feuchten Träume davon, ihm Angst zu machen. Sein ruhiger Blick provoziert mich einzig und allein aus dem Grund, weil ich weiß, dass er mir nicht glaubt.

"Was ist dann das?" Seine Finger schieben sich schamlos an meinem Slip vorbei, lassen mich aufkeuchen, als er zwischen mich gleitet. Fuck! Oh fuck! "Was ist das, Schneeflocke?" Fuck! Ich wimmere ungewollt auf, als er zu meiner Klitoris gleitet. Immer wieder. Immer besser. "Antworte." Ich bringe ihn um! Meine Hand umschließt warnend den Übergang von seinem Hals zu seinem Unterkiefer. Ich kann den Mund nicht geschlossen halten, wenn er mich so massiert und bei seinem wissenden Lächeln kann ich meine Muskeln unter seiner Berührung nicht kontrollieren. "Drück fester zu, Schneeflocke. Ich weiß, dass ich nicht der einzig Kranke bin." Ich schreie stöhnend auf, als er plötzlich einen Finger in mich taucht. Meine Nägel krallen sich an seinem Gesicht und Hals fest, als ich die kreisenden Bewegungen in mir wahrnehme. "Du brauchst nicht zu lügen, sagst du? Was ist das dann alles? Wieso bist du dann so bereit für mich?" Ich weiß es selbst nicht! Ich habe nur kurz an ihn gedacht und dann ... und jetzt kann ich nicht mehr ruhig atmen. Ich kann nicht still bleiben, wenn er wieder den einen Punkt berührt, der mich wimmern lässt. "Ich weiß, Schneeflocke. Ich weiß." Wenn er weiter macht, staut sich wieder das Gefühl an, Wasser lassen zu müssen. Mir ist es nicht einmal möglich, Worte anzusetzen, weil mich das Gefühl so berauscht. Es kribbelt überall in meinen unteren Muskeln. Ich will mehr. Er soll nicht aufhören. Jetzt, wo das sich Gefühl verfestigt und ich laut aufstöhne.

Aber er hört auf. Warum hört er auf? Ich ziehe meine Augenbrauen keuchend zusammen. Was wird das schon wieder? "Was ist?" "Nichts. Was soll sein?", stellt er mir die Gegenfrage und zieht daraufhin den Finger aus mir. Wieso hört er dann auf? Was ist jetzt los? Ich verharre verwirrt in meiner Lage, ohne einen Funken an Ahnung zu haben, was er da gerade getan hat. "Du versteckst doch keine Gefühle, Schneeflocke. Lügen hast du ja nicht nötig." Oh, dieser gestörte blauäugige Mörder! Meine Hand drückt wieder zu. "Tue ich auch nicht", presse ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. "Tust du nicht", schmunzelt er. Ich bringe ihn gleich um! "Aber woran hast du gedacht?" "Wie ich dich hier im Wasser ertränke." "Das würde einige Minuten in Anspruch nehmen. Vergiss nicht, dass ich zwei Minuten aushalte." "Dann halte ich dich drei Minuten unter Wasser." Er grinst, nimmt dann meine Hand von seinem Hals, um die Innenfläche zu küssen. "Ich liebe deine Drohungen. Sie machen mich noch härter, als ich bin." Oh mein Gott. Ich rutsche weg von ihm, nur um wieder zurück auf seinen Schoß gezogen zu werden. "Bleib doch." "Meine Zeit ist begrenzt." "Als Geschäftsführerin ist das leider so, aber für deinen wichtigsten Klienten solltest du dir besonders viel Zeit nehmen." "Mein wichtigster Klient zeigt keine befriedigende Kooperation", merke ich scharf an. Er wird es bereuen. Er soll abwarten!

Ich nehme wieder den Schwamm zur Hand, um das getrocknete Blut endlich abzuschrubben. Am Hals geht es schnell, der große Fleck an seinem Schienbein ist auch behoben, aber bei seinen Fingern muss ich alle einzeln säubern. "Was hast du mit ihm gemacht?", gebe ich genervt von mir. Ich muss das Blut mit den Nägeln aus den Rillen seiner Finger kratzen. "Er hat mit der rechten Hand meinen Reifen zerstochen. Ich habe mich nur revanchiert." Dieser Typ hat ihm die Hand abgehackt?! Großer Gott, er ist krank! "Hast du nie irgendwie Mitleid?", frage ich zögernder, als ich den Blick anhebe. Er verneint es kopfschüttelnd. "Kein Mitleid mit Menschen, die uns Schlechtes tun wollen." Okay. Verständlich, auch wenn seine Mittel ziemlich verdorben sind. "Und ich habe ein Geschenk jetzt für dich." Ein Geschenk? Was ist das für ein Themenwechsel? "Was für eins?", frage ich schroffer. Ich liebe Geschenke zwar, aber durch meinen wählerischen Charakter fürchte ich mich doch öfter davor. "Ich habe den Körper in Formalin eingelegt für dich." Was zum ... oh mein Gott. Ich bin sprachlos. Er hat ... "Woher hast du so viel Formalin?" Ich ... dieser Typ überrascht mich jedes Mal! Mir fehlen die Worte. "Ich bin doch ein Großhändler." "Du bist krank!" "Das auch, Schneeflocke." Wie kann er es wagen, jetzt noch sanft zu lächeln? Ich komme nicht auf sein Gesagtes klar und er fährt mir sachte über meine Wange, als würden wir gerade ein liebevolles Gespräch führen.

"Du könntest dich also perfekt auf die Anatomie vorbereiten. Er muss aber noch ein wenig ziehen. Die Hand wird sicherlich schneller fertig sein. Du kannst dann auch das Nähen üben." "Ich werde gar nichts machen!" Genug! Ich drücke ihm den Schwamm in die Hand, stehe auf, um mich abzuspülen und das Wasser ablaufen zu lassen und gehe mich umziehen. Das war zu viel des Guten heute. Dieser Moment war ein Fiebertraum. Ich habe immer noch das Gefühl, dass sich alles dreht. Erst war er still und ich hatte Angst, dann war er erregt und ich irgendwie auch, dann hat er mir von seinen Empfindungen erzählt und ich wurde paranoid und dann befriedigt er mich und erzählt mir dann, dass er einen Körper für mich präpariert und ihn mir schenkt? Dieser Tag kann gar nicht bizarrer werden. Ist jeder aus der Familie so krank? Wie ist Aras drauf? Hat Dilnia auch solche psychopathischen Gedanken? Wie zur Hölle kam er darauf, einen Kadaver in Formalin zu fixieren und woher hat er plötzlich so viel Formalin und einen entsprechenden Behälter finden können? Und warum zur Hölle muss ich doch deshalb schmunzeln? Das ist krank! Das ist moralisch verwerflich, aber ... er hat an mich dabei gedacht. Und er hat mir Tulpen mitgebracht und ... nein. Stopp. Genug. Das ist genug für heute. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll, dass ich sein Verhalten romantisiere ... aber er hat mir nichts angetan. Er hat einem potenziellen Mörder etwas angetan und nicht mir.

Scheiß drauf! Ich will mir den Kopf nicht darüber zerbrechen, ob ich das gut oder schlecht finde. Er hat etwas getan, was mich erst im Nachhinein wirklich schockiert hat und jetzt geht es wieder. Trotzdem zieht sich mein Bauch zusammen, als er aus dem Bad tritt ... nackt! Ich schaue mit aufgerissenen Augen an die Decke. Ich habe es nicht gesehen. Ich. Habe. Es. Nicht. Gesehen! Ich habe nur den Ansatz gesehen. "Kennst du Handtücher?" "Ich bevorzuge andere Bedeckungen um mein Geschlecht, Schneeflocke. Stört dich meine Natur?" Oh mein Gott! Ich drehe ihm den Rücken zu, als er rechts zum Kleiderschrank geht. Hat er keine Angst, dass irgendein Sicherheitsmann durch das Fenster schauen kann?! "Tut sie." "Tut mir leid. Das stand leider nicht in der Akte." "Azad!", warne ich, doch er lacht nur unterdrückt vor sich hin. "Zieh dich schneller an." "Beobachtest du mich etwa?" "Nein." "Woher weißt du dann, dass ich eventuell noch nackt bin?" "Dich geilt meine Angst auf. Dir kann ich alles zutrauen." "Wirklich?" Ich kreische sofort auf. Wie zur Hölle kommt er so schnell, so unbemerkt an mein Ohr ran? Mein Herz rast, als ich mich keuchend zu seinem Gesicht über meinem drehe. "Du bist gruselig. An deiner Stelle würde ich mehr aufpassen, dass ich dir nicht aus Reflex eine Faust verpasse." "Bitte in den Bauchraum, Schneeflocke. So schmerzhaft es auch ist, gefällt mir das Ziehen. Das ist meine Form der Schmetterlinge im Bauch." Du lieber Gott, dieser Mann braucht einen Therapeuten!

Ich kann wirklich nicht ernst bleiben. So entrüstet mich sein komischer Fetisch und seine Ruhe macht, muss ich lachen. Seine Art ist so verstörend lustig und so sehr ich mich auch deshalb empöre, mag ich es. Und ich mag es, wie er zufrieden lächelt, wenn ich lache. Als hätte er sein Ziel erreicht und wäre überaus zufrieden mit dem Ergebnis. Mein Lachen nimmt ab, aber mein Lächeln bleibt und wenn ich ein wenig ehrlich bin, schlägt mein Herz nicht nur wegen des Schrecks schneller. Irgendwo irgendwie gefällt es mir sehr, dass er sich langsam zu mir hinunterbeugt. Seine Augen leuchten, seine Grübchen besänftigen die kleine Angst in meinem Bauch durch Schmetterlinge. Schon verrückt, wie ähnlich, fast identisch sich das Gefühl der Angst und Schmetterlinge im Bauch anfühlen. Einzig und allein das Gefühl und das Empfundene lassen mich den Moment schön oder schlecht wahrnehmen. "Geh mit mir aus, Schneeflocke." Und schon wieder lächele ich. Ein wenig verwirrt, um ehrlich zu sein. "Ich will dich ausführen. An einem Abend deiner Wahl in mein Lieblingsrestaurant. Wir haben es beim ersten Mal nicht besuchen können." Stimmt. Ich erinnere mich. Ich erinnere mich daran, wie ich schnell nach Hause musste, weil mein Vater einen Schwächeanfall hatte durch die Wut. Azad lässt sich neben mich nieder und fährt dann über meine Wange.

"Dort gibt es eine Terrasse. Abends bei einem schönen Wetter, ohne, dass dich jemand belästigt. Wie klingt das, Schneeflocke?" Er hat es sich gemerkt. Er hat sich das Gespräch aus der Schießhalle gemerkt. Das ist ... das macht mich ... es ist wirklich schön. Tief im Inneren überwältigt es mich, nur lasse ich es mir, außer ein tiefes Einatmen, nicht anmerken. Ich könnte ihn abknutschen gerade. Ich würde ihn am liebsten so abrupt und fest an mich drücken, dass er ächzt. Er kann sich gar nicht vorstellen, wie glücklich mich diese Geste macht. Ich nicke lächelnd, blinzele vermehrt, auch wenn sich keine Tränen in meinen Augen ansammeln. Sein Lächeln wird schöner. Seine Augen zeigen mir seine Zufriedenheit, in der ich mental bade. "Perfekt. Wir schauen, wie die Tage das Wetter wird und dann gehen wir." Es ist schon verdammt traurig, wie sehr ich mich darauf freue, endlich mal so eine Erfahrung machen zu dürfen. Endlich. Nach so vielen Jahren der Sehnsucht zur Freiheit. Ich lege mein Gesicht in seine Halsbeuge und erst jetzt kann ich entlastet seufzen. Dieser Tag ist mehr als nur bizarr und doch ist er mir lieber als jede Stunde aus meinem alten Leben. Jetzt spüre ich wenigstens wieder Emotionen, die keiner Resignation, Frust, Wut, Trauer und Monotonie entsprechen. Meine Seele fühlt sich nicht mehr wie ein kalter, grauer Schnee an, sondern wie ein warmer Frühlingstag, wenn auch ein wenig windig, durch mein Zögern und meine Unsicherheit, aber ich fühle mich dennoch wohl. Wohl bei dem hellen Blau seiner Augen. Wohl bei dem sanften Blick, den er mir schenkt.

Mein Herz muss nur im Meer seiner Augen schwimmen lernen, um komplette Sicherheit zu fühlen.

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