Der Tanz von Sonne und Mond

By LittlePolarfox

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(#wattyswinner) - „Verstehst du es jetzt? Menschen lügen. Aus Angst, Stolz, Eigennutz ... Es ist oft nur der... More

Übersicht
Teil I
1.1: Nach draußen?
1.2: Nach draußen?
2.1: Das ist doch dämlich.
2.2: Das ist doch dämlich.
3.1: Ana-was?
3.2: Ana-was?
4.1: Sehr ... interessant.
4.2: Sehr ... interessant.
5.1: Jeder für sich und die Regierung gegen alle, nicht?
5.2: Jeder für sich und die Regierung gegen alle, nicht?
6.1: Ich komme mir vor, wie in einem Film.
6.2: Ich komme mir vor, wie in einem Film.
7.1: Ein wahres, erwachsenes Wunder ...
7.2: Ein wahres, erwachsenes Wunder ...
8.1: ... power dich aus.
8.2: ... power dich aus.
9.1: Unfälle passieren.
9.2: Unfälle passieren.
10.2: So oft es nötig ist.
11.1: Zum Glück hast du mich.
11.2: Zum Glück hast du mich.
Sehr geehrter Reiner von Genrivien
Teil II
12.1: Schon wieder?
12.2: Schon wieder?
13.1: Im Krieg gibt es keine Helden.
13.2: Im Krieg gibt es keine Helden.
14.1: Weißt du, welche Art von Filmen ich am wenigsten schätze?
14.2: Weißt du, welche Art von Filmen ich am wenigsten schätze?
15.1: Gehirn.
15.2: Gehirn.
16.1: Magieschwankungen.
16.2: Magieschwankungen.
17.1: Wenn du willst.
17.2: Wenn du willst.
18.1: Vater hat mich ausgebildet.
18.2: Vater hat mich ausgebildet.
19.1: Doch, muss ich.
19.2: Doch, muss ich.
20.1: Si... ... weg.
20.2: Si... ... weg.
Chandelier
Nachwort und Danksagung:

10.1: So oft es nötig ist.

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By LittlePolarfox

Die Nacht hatte entspannt angefangen, was jemandem mit einem Kater gelegen kam.

In der Zeit, in der Weberin Anatol für die Bearbeitung der DE einspannte, gönnte sich Chander eine Dusche. Eigentlich hatte er danach nur einen flüchtigen Blick den Flur hinunter Richtung Aufenthaltsraum Schrägstrich Esszimmer werfen wollen. Er blieb aber an den versammelten Leuten hängen, die mit glänzenden Augen Weberin und Anatol anfeuerten.

„Scheiße", schrie Weberin und schlug mit der Faust auf den Tisch. Ihre Reaktion deutete auf Frustration hin, aber ihr Lächeln offenbarte pure Freude. „Gleich noch ein Versuch, okay?"

„Solange du noch genug Energie hast", stimmte der Reine zu.

„Ich mach garantiert nicht vor dir schlapp, mein Guter." Sie strich sich die Locken zurück, band sie in einem Zopf zusammen und verdrehte die Augen. „Tu mir nur den Gefallen und presche nicht immer so vor."

Chander verschwand in seinem Zimmer und schloss leise die Tür hinter sich, lehnte sich dagegen.

Vor so vielen Jahren war es einfach passiert. Thot war ihm gefolgt, weil er kein Interesse daran hatte, die Führung zu übernehmen. Die Schwestern, Jongleur und Adler hatten sich dann einfach hinter dem Erfinder eingereiht. Es war einfach passiert, es gab keinen wirklich guten Grund, dass sie ihn als Anführer anerkannt hatten. Er hatte ihnen Ziele aufgezeigt und sie hatten es möglich gemacht, egal wie waghalsig es war. Wahrscheinlich war ihnen das in den vergangenen Jahren, in denen sie sich ein gutes normales Leben aufgebaut hatten, auch aufgefallen. „Scheiße", murmelte er und rieb sich die Schläfen, um nicht seine Handflächen zu malträtieren. Er straffte sich. Über die Zukunft konnte er sich Gedanken machen, wenn er mit der Vergangenheit abgeschlossen hatte. Bis dahin würde ihre vor Jahren geknüpfte Kameradschaft ausreichen.

Einige Stunden hatte er dann im Wechsel damit verbracht, alte Zeitungen im Online-Archiv des Landraer Kuriers zu sichten, um sich auf den neuesten Stand zu bringen, und vor sich hin zu dösen. In einer Phase von Letzterem wurde er schließlich gestört.
Erst war zaghaftes Klopfen zu hören, das wie Regen in seinen traumähnlichen Zustand eindrang, dann klang es, als würde jemand mit seiner Faust gegen seine Tür hämmern.

„Was!?", brüllte Chander vom Bett aus und rieb sich den Sabber vom Kinn.

Weberin stolperte herein, gefolgt von Anatol. Sie hatten beide gerötete Wangen und Augenringe.

„Wir haben es hinbekommen." Stolz lächelte sie auf ihn herab. „Spuren von zwei verschiedenen Gestaltwandlern, die in Frage kommen, wurden am Tatort gefunden. Wohingegen deine Spuren dort mit großer Wahrscheinlichkeit im Nachhinein platziert wurden. Einer der Gestaltwandler ist momentan in Landra, ich habe schon alles über ihn herausgesucht. Was nicht viel ist, Wandler sind so ein geheimniskrämerisches Pack, aber er ist definitiv nicht so gut gesichert wie ein Bulle. Am anderen bin ich dran, aber der ist noch glitschiger. Außerdem wurde im Bericht notiert, dass das lunarische Schiff 84 kg zu schwer war. Unser Kommissar ging davon aus, dass irgendetwas geschmuggelt und das Schiff deswegen abgeschossen wurde."

„Gut gemacht", lobte er knapp und erhob sich. „Ich erhoffe mir nicht zu viel, aber dann statten wir diesem Wandler hier mal einen Besuch ab. Komm, Happy."

„Sei nicht so ein Sklaventreiber", mischte sich Weberin ein, „lass ihn sich ausruhen."

„Happy kann noch, oder?"

Die Augen des Reinen zuckten von Chander zu Weberin zu Chander zurück. Sie beide hatten die Arme verschränkt und verlangten wortlos Zustimmung.
„Kein Problem." Anatols Lächeln verlor an Strahlkraft, bevor er leiser nachschob: „So lange du dich dieses Mal zurückhältst."

Chander winkte ab. Er war ein Mann ohne Magie, in seinen Augen hielt er sich quasi immer zurück. „Werde ich. Versprochen. Wandler sind selten harte Nüsse." Er schnappte sich den Mantel, der über der Lehne des Sessels hinter seinem Schreibtisch hing. „Sie sind nicht sonderlich stur oder kämpferisch", ergänzte er prophylaktisch.


Das bewies wenige Zeit später dann auch der kleine Wandler, der ihnen mit einem zu breiten Grinsen zwar nicht die Haustür des netten Einfamilienwürfels, aber dafür die Gartentür öffnete.

„Hallo. Tut mir leid, ich hoffe, Sie warten nicht zu lange. Ich kümmere mich gerade um die Blumenbeete." Vage wedelte der gänzlich unbemerkenswerte und unschuldig wirkende Mann mit Halbglatze hinter sich und verschränkte die Finger vor seinem rundlichen Bauch. Wandler übertrieben es immer, selbst mit Normalität. „Kann ich Ihnen behilflich sein?"

Ohne ein Wort stolzierte Chander an ihm vorbei in den Garten, Anatol folgte nach kurzem Zögern und entschuldigte sich dafür doppelt.

Es war ein schöner Garten, für so ein durchschnittliches Haus. Ein Swimmingpool direkt hinter dem Metallwürfel, eingerahmt von bunten Teppichen aus Blumen und dahinter ein paar Quadratmeter Wiesenfläche, die für drei Bäume und zwei Büsche reichte.

„Mein Name ist Chander Ainsworth. Klingelt da was?" Gemächlich schlenderte er um den Pool herum, behielt seine Beute aber aus dem Augenwinkel im Blick.

Der Wandler schluckte, wankte ihm hinterher. Er war es. Er musste es einfach gewesen sein, so nervös wie das Kerlchen war.

„Hören Sie ..." Der Wandler, Achim, stockte, begann von vorne. „Ja, ich weiß, wer Sie sind. Aber ich habe mit der Sache nichts zu tun. Ich hatte damals nur Urlaub in Landra gemacht, als Sie ...", fing er an, zog die Brauen zusammen, wedelte mit einer Hand durch die Luft, „oder nicht Sie ... diesen Auftritt hingelegt haben. Ich war zufällig da und jetzt sind Sie hier und die Bullen auch und meine Familie ist da und ... ich kann das alles hier nicht gebrauchen, sonst schießt mein Puls in die Höhe und –"

„Happy, wir müssen sofort –" Chander wusste, dass das der Moment war, an dem alles den Bach runter gehen würde. Denn sowohl der Wandler als auch der Reine, der seine Lebensversicherung darstellte, wurden vom Erdboden verschluckt. Wortwörtlich.

Ein Feuergeschoss prallte an der Magie eines Rings an Chanders Mittelfinger ab. Dass der Schütze nur mit ihm spielte, wurde klar, als ihn ein Flammenring einkesselte und eine schwarze Schneise durch Blumen und Wiese fraß. Das Feuer tanzte, wurde größer, kleiner, streckte sich nach ihm aus, und spiegelte so die Ungeduld seines Herren wieder. Dahinter konnte er verschwommen Yuri und Michelle ausmachen, die sich der tosenden Wand näherten.

„Chander, sei nicht dumm und ergib dich einfach", rief Michelle zu ihm herüber.

Ein Schnauben brach sich Bahn. „Aber meine Liebe, das widerspricht sich doch."

Er umschloss ein Armband und konzentrierte sich auf den Pool. Wasser schwappte vor und zurück, türmte sich zu einer Welle auf, die in einem Bogen über ihn führte und sich auf die beiden Erzengel ergoss. Feuerteufel Yuri sah aus, als wolle er ihn bei lebendigem Leib grillen. Aber momentan kochte er nur selbst, wenn man von den Schwaden ausging, die von ihm nach oben waberten.

Das Spritzwasser löschte den Flammenring fast ganz und Dampf stieg in die Höhe, der von einem weiteren Ring unterstützt wurde. Auf dem Absatz machte Chander kehrt, einen Arm auf Mund und Nase gepresst, aktivierte einen Ring und tänzelte dadurch auf dünnen Membranen übers restliche Poolwasser. An der Poolwand gegenüber zog er sich wieder hoch, setzte den Marathon fort, sprengte das Glas aus der Terrassentür, warf sich hindurch und stolperte über einen Stuhl.

Mit einem undefinierbaren „Grmph!" stemmte er sich auf die Füße, nur um sofort wieder abzutauchen. Michelles Energie schlug in die Kaffeemaschine ein, sie brummte empört und entließ zwei Strahlen brauner Flüssigkeit in den Tresterbehälter. Der folgende Feuerball röstete die Maschine ganz.

„Komm schon raus du kleiner Pisser", verlangte Yuri.

Chander stützte sich mit den Unterarmen auf dem Tisch ab und lächelte dem Mann zu. Einige lange glatte Haare, die sich aus seinem Pferdeschwanz gelöst hatten, klebten ihm im Gesicht und verliehen ihm etwas noch Ungezähmteres. „Ich sehe schon, in den vergangenen Jahren konnten sie dir auch keine besseren Manieren beibringen."

Feuer schoss aus der Handfläche des Erzengels, wurde lang und dünn wie ein Pfeil. An der Stelle, an der er Chanders Körper durchbohrt hätte, leuchtete eine gelbliche Schutzhülle auf, an der der Pfeil zu kleinen Funken zersplitterte. Gleichzeitig aktivierte Chander zwei Armbänder und einen Ring. Blitze zuckten zwischen den Artefakten. Vom Ring stieg ein weißer Ball in die Luft, wurde langsam größer und dehnte sich dann mit einem Ruck aus, schloss das gesamte Haus in eine Art orange leuchtenden, magischen Maschendrahtzaun ein. Yuri erreichte die Terrassentür zu spät, krachte gegen die Schicht und wurde mit gespiegelter Wucht zurückgeworfen.

„Tststs, immer noch zu ungestüm", bemerkte Chander und wackelte mit dem erhobenen Zeigefinger hin und her.

Yuri war derweil auf die Beine gekommen. „Ich weiß wieder ganz genau, warum ich diesen Kerl nicht leiden konnte."

Um nicht die kostbar erkämpfte Zeit durch seinen Übermut zu verschwenden, wandte sich Chander ab und ging los. Wenn er es hoch und nach draußen schaffte, würde er ihnen vielleicht über die Dächer entkommen. Bevor er Hilfe anfordern konnte, drückte ihn ein Windstoß mit dem sanften Duft von Erdbeeren an die Wand des Wohnzimmers.

„Schön Sie wiederzusehen, Mister Ainsworth", säuselte Doktor Brandt, der es sich auf einem Sessel bequem gemacht hatte. Mit einem Fingerzeig schoss ein Skulpturkopf von seinem Sockel wie ein Rachegeist auf Chander zu. Auch der wurde von der Schutzhülle abgehalten. „Wie lange reicht denn die Magie in diesen Spielzeugen, die Sie tragen?" Ein Wirbelwind formte sich im Wohnzimmer, nahm alle weniger als kopfgroßen Gegenstände in Reichweite auf und ließ sie nach ein paar Umdrehungen auf Chander los.

Chanders Daumen berührte den Ringfinger, ein Strahl roter Energie bohrte sich durch den Wirbelwind auf Brandt zu, der für ein paar Sekunden mit geweiteten Augen damit beschäftigt war, die Attacke abzuwehren. In einem Luftstrudel vor dem Doktor verteilte sich die rote Magie zu allen Seiten.

„Nicht übel", kommentierte Brandt.

Das Blut rauschte in Chanders Kopf. Er hetzte aus dem Zimmer, sah im Flur die Treppe nach oben. Windmagie schleuderte Jacken, Schuhe und die Deckenlampe hinter sich auf den Zugang zum Wohnzimmer, während er die ersten Stufen erklomm.

Gelächter verfolgte ihn. „So billige Tricks und dann auch noch in meiner Domäne, also wirklich Mister Ainsworth."

Ihm wurden die Beine unterm Körper weggerissen, er krachte mit dem Kinn auf eine Stufe und schmeckte Blut. Es war ein Lasso aus reiner Energie, das sich um seine Extremitäten gewickelt hatte. Die Absorbierer nahmen die Magie in sich auf, aber es floss mehr nach, als sie auf einmal neutralisieren konnten. Er krallte sich an eine Strebe des Geländers, rutschte ab und knallte erneut auf die Treppe. Ein Blick nach hinten bestätigte, dass das rosa Energieseil direkt aus Brandts Handgelenk kam. Chander schickte mit Hilfe eines Rings eigene Energie den Faden entlang, sah zu, wie sie sich grün darum wickelte und auf den Ursprung traf.

Zischend zog der Doktor die Hand zurück und löste das Seil auf.

Die rechte Seite seines Brustkorbs schmerzte, aber Chander nahm trotzdem zwei Stufen auf einmal, um weg von dem Mann zu kommen. Die Treppe spuckte ihn im zweiten Stock aus, eine weitere führte zu den Dachzimmern.

„Wirklich niedlich", bemerkte jemand hinter ihm. Direkt hinter ihm.

Im nächsten Moment hing er in der Luft. Brandts Blick glitt an ihm auf und ab, während er den schwebenden Körper in das Kinderzimmer auf dieser Ebene dirigierte. Ein Hochbett, oben in Form eines Baumhauses, dominierte ein Reich voller Sitzsackbauten und Plüschtieruntertanen, wobei Brandt um beides herumtänzelte. In einer Ecke wuchs ein Bäumchen zur Decke, schmiegte seine Äste gegen das Blau, das mit Sternen übersät war.

„Eigentlich bin ich Ihnen recht dankbar für Ihre Arbeit, Mister Ainsworth, aber jetzt sollte das alles doch allmählich ein Ende finden und wieder in geregelteren Bahnen verlaufen. Oh, nein, nein, lassen sie schön Ihre Finger still. Ich würde sie ungern abtrennen und das schöne Zimmer verschandeln. Zum Glück bin ich ein Mann der Wissenschaft und kenne subtilere Mittel." Seine Augen leuchteten auf und seine Lippen zeigten ein Lächeln, das Chander sonst nur von Anatol gewohnt war. Es verlieh ihm etwas Jugendliches, trotz der verwuschelten, grauen Haare, in denen man nur vereinzelt schwarze Strähnen finden konnte und trotz der Lachfältchen und Krähenfüße. „Es gibt eine Sache, die wollte ich schon immer mal an einem Menschen ausprobieren."


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