4 - Der Fluch

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Zurück auf der Straße rief ich das Schiff mit meinem Komm-Armband. Mein erster Offizier Hrrovr antwortete ohne Verzögerung. Vermutlich hatte er sich keinen Klick von seiner Station entfernt. „Captain? Is'sst alles'ss in Ordnung?"

„Danke, alles bestens bei uns. Ich bin zufrieden wie eine Sternschnuppe kurz vor dem Eintauchen in die Atmosphäre." Ich grinste, glücklich den klaustrophobischen Tunneln entronnen zu sein. „Wir sind im Geschäft und machen uns jetzt auf den Rückweg zum Schiff."

„S'ssehr gut. Wir konnten auf einmal keine Lebens'ss'ss'signale von euch beiden mehr empfangen." Hrrovrs Zischen war noch ausgeprägter als üblich, ein deutliches Zeichen, dass er sich Sorgen machte.

Ich fühlte Mitleid mit meinem alten Freund. „Wir sind gleich zurück an Bord, versprochen, Nummer Eins. Bereitet euch schon mal für die Anlieferung der Fracht vor. Und Aalyxh soll die Startsequenz einleiten, sobald das Zeug geliefert wird."

„Aye, Captain. Mir kann es'ss nicht früh genug ss'sein, dies'ssen Schleimkloß'ss zu verlass'ssen." Hrrovr mochte Planeten nicht, das war mir nicht neu. Allerdings äußerte er sich sonst niemals so deutlich über Komm. Vermutlich drückte die ungewohnt hohe Luftfeuchtigkeit auf seine Stimmung.

Für einmal konnte ich seine Abneigung sogar verstehen. „Hrrovr, kannst du uns die Richtung zum Landungsfeld weisen? In diesem dichten Nebel finden wir das ohne Hilfe niemals."

„Zwei Ticks'ss nach links'ss von eurer momentanen Richtung. Ich ss'sage euch ss'sofort, wenn ihr mehr als'ss einen Tick abweicht."

„Danke." Ich beschleunigte meine Schritte, ungeachtet des Schlamms, der meinen Overall vollspritzte. Bald würde ich mich seiner in der Sicherheit der Topsy-Turvy entledigen können. Ich freute mich schon darauf, mit einem Schub unserer Plasmatriebwerke den glibbrigen Planeten hinter uns zu lassen und auf einem Ionenschweif davonzuziehen. Ben schien im selben Boot zu sitzen. Er hielt Schritt mit mir, während wir schweigend weitereilten.

Mit Hrrovrs Hilfe durchquerten wir die tyrinianische Siedlung deutlich schneller, als auf dem Hinweg. Ich begann in meinem Schutzanzug zu schwitzen. Zudem strich ein warmer Wind durch die Nebelschwaden und zerriss sie zu Schlieren und Wirbeln. Da erahnte ich für einen kurzen Moment die wohlvertraute Silhouette unseres Schiffs, das in der Distanz auf der Landebahn kauerte. Der Rhythmus meines Doppelherzens verlangsamte sich. Es gibt nichts, was einen Raumfahrer so sehr aufmuntern kann wie der Anblick des trauten Heims.

Die massigen Rümpfe einiger Megafrachter überragten die Topsy und ließen deren gequetschte Birnenform beinahe wie ein Spielzeug wirken. Trotzdem war ich überzeugt, dass sie diesen modernen Modellen problemlos um die Sensoren fliegen konnte, wenn es wirklich darauf ankam.

Ich grinste Ben an, froh, dass das Ende unserer planetarische Exkursion plötzlich greifbar schien. „Das war echt ein bühnenreifer Auftrit, vorhin mit der Tanencha."

„Danke." Er richtete seine Maske und warf einen Blick zurück über die Schulter. „Ich war froh, dass mein Magen bereits leer war, als wir diese Brutkammer betraten. Hast du all diese bunten Schnecken gesehen? Das war Zuviel des Guten."

Ich hatte, und ich konnte seine Abneigung sehr gut nachvollziehen. „Der Anblick hätte wohl in fast jedem noch so erfahrenen Raumfahrer einen Schub von Alien-o-Phobie ausgelöst. Trotzdem bin ich froh, dass wir diesen Job gekriegt haben."

„Ich auch, war ja überfällig, dass wir mal Glück haben. Trotzdem werde ich besser schlafen, sobald wir einige Parsec sterilen Raum zwischen uns und diesen Schleimkloß von Planeten gebracht haben. Inklusive seiner molluskenartigen Lebensformen."

Ich wollte gerade einen Scherz über seinen Gebrauch des veralteten irdischen Raummaßes Parsec machen, als ich im wabernden Nebel mehrere vage Gestalten ausmachte, die sich bei der Topsy drängten. Ich klappte meinen Mund hörbar zu, und Ben, der meinem Blick gefolgt war, legte die Hand auf den Blaster an seiner Hüfte.

Der Fluch der Topsy-Turvy | Wattys 2021 GewinnerWhere stories live. Discover now