15 - Im Anflug

124 21 3
                                    

Perfekt. Hier waren wir also, in einer unerforschten Ecke des Weltraums, auf Annäherungskurs mit einem mysteriösen Planeten, und beschenkt mit einer Ladung von Raumschnecken, die gerade aus dem Tiefschlaf aufwachten um in ihre hyperaktive Wachstumsphase einzutreten. Ich schloss meine Augen im Versuch, meine spontane geistige Abgeschlagenheit in den Griff zu bekommen. Es dauerte eine Weile, bis  ich mich wieder in der Lage fühlte, mit sicherer Stimme zu sprechen. „Gut. Gibt es sonst noch aufmunternde Neuigkeiten? Oder weitere Überraschungen?"

Ich erhielt keine Antwort, und als ich meine Lider wieder öffnete, begegnete ich zuerst einem verärgerten Blick von Aalyxh. Sie deutete wortlos auf die kleine Tyrinianerin, die ihre Augenstiele komplett ineinander verknotet hatte und ein klägliches Bild des Elends bot. Augenblicklich bereute ich meinen Ausbruch. Ajs war noch neu an Bord und bemühte sich sehr, sich an die Sitten und Gebräuche der Topsy zu adaptieren. Ich seufzte. „Tut mir leid, Ajs, es ist nicht dein Fehler."

Sie entwickelte ihre Augen mit einer schwindelerregenden Bewegung, während die Haut ihres Oberkörpers sich in ein tiefes Indigo verfärbte. „Das war nicht so geplant, Cap Kali. Die Programmierung der Tiefschlafeinheit sah vor, mich kurz vor unserer Ankunft im Sqia-System aufwecken." Die türkis und blauen Flecken auf ihrem Körper waren nun deutlich sichtbar und sie bebte. War ich wirklich so furchteinflössend? „Die zweite Ladung der Nestlinge sollte nach der Ankunft schlüpfen, sobald die Topsy-Turvy ihren Frachtlohn erhalten und das System bereits verlassen hätte. Es war nicht die Absicht der Tanencha, dich in ihre Vorhaben zu verwickeln."

Das ganz klang wie ein ausgetüftelter Komplott. Vielleicht etwas zu ausgetüftelt, um funktionieren zu können, besonders wenn unerwartet die Severills, ein schwarzes Loch und die Urgroßmutter aller Ionenstürme zu der Gleichung hinzugefügt wurden. „Verstehe ich das richtig, Ajs? Das Ganze sollte ablaufen, ohne dass wir etwas davon wissen?"

„Die Tanencha wollte dich nicht damit kompromittieren oder belasten. Der Transport hätte ganz problemlos verlaufen sollen."

Hätte. Nun, er hatte aber ganz eindeutig nicht. Ich seufzte. „In unserer momentanen Situation wäre ich trotz allem froh, ich wüsste, weshalb die Tanencha ihre Nestlinge gleich zu Hunderten nach Sqia'lon Sieben schickt. Und ich habe nicht die Absicht, dich oder deine Cousins auf dem Speiseplan zu setzen, also hör bitte auf zu zittern, Ajs."

Der bloße Gedanke an eine Mahlzeit aus fühlenden Lebewesen führte zu Knoten in meinen Innereien. Aber zumindest erfüllte die Bemerkung den Zweck, Ajs etwas aufzuheitern, und ihr Zittern ließ nach.

„Die Regierung von Sqia'lon hat ausdrücklich darum gebeten, Cap Kali." Ihre Stimme klang etwas zuversichtlicher und selbstbewusster.

Vielleicht hatte ich es geschafft, ihre fundamentalen Existenzängste etwas zu zerstreuen. In diesem Fall musste ich die Gelegenheit ergreifen, weitere Informationen zu sammeln. „Weißt du, warum die Einwohner der Kolonie eine Ladung gefrorener—„
Ich sagte beinahe Schnecken, aber glücklicherweise wurde ich rechtzeitig von Hrrovrs Ansage unterbrochen.

„Captain, wir erreichen Orbit. Die Zs'sus'ssammens'ssetzs'sung der Atmos'ssphäre scheint im Normalbereich für einen bewohnten Planeten zs'su ss'sein, ss'sauber und atembar. Und ich kann keine Waffenss'sys'ssteme lokalis'ssieren."

Seine ausgedehnte Sammlung von Zischlauten klang wie gute Neuigkeiten. „Gibt es Lebenszeichen? Die Satelliten wurden ja wohl von jemandem gebaut."

„Bisher kein Nachweis einer intelligenten Spezies, Captain." Hijac roch wie ein fermentierter Fruchtkompott. Während ich seine Faszination über unsere Entdeckung verstehen konnte, hätte ich gerne auf die alkoholische Manifestation seiner Begeisterung verzichtet. Aber er war zu sehr in seine Beobachtungen vertieft, um die Auswirkungen seiner Düfte auf den Rest der Crew zu bemerken. "Es gibt auf dem Planeten organisches Leben, in manchen Regionen ist es sogar recht präsent. Allerdings handelt es sich um vergleichsweise rudimentäre Organismen. Bakterien, Pilze, einige Pionierpflanzen und simple Mollusken. Sonst kann ich nichts feststellen."

Der Fluch der Topsy-Turvy | Wattys 2021 GewinnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt