26 - Ausstieg aus dem fahrenden Zug

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„Gut das du fragst, Kali." Verans Stimme hatte — im Gegensatz zu seinen Worten — einen beruhigenden Effekt. „Wir haben uns hier gerade dasselbe gefragt. Im Moment fliegen wir zurück nach Ticotan, an die letzte uns bekannte Koordinate."

Huh. Als ob irgend ein halbwegs vernunftbegabtes Wesen freiwillig nach Ticotan fliegen würde. „Nun, das ist jetzt gerade nicht zuoberst auf meiner Liste der Sehenswürdigkeiten im Universum. Haben wir Alternativen?"

„Magst du keine schwarzen Löcher? So, wie du zuletzt darauf zugesteuert bist, habe ich mich glatt täuschen lassen."

Wenn er mir jetzt gegenübergestanden wäre, und ich meine Schleuder und eine reife Tikka-Frucht gehabt hätte... Eigentlich hatten wir keine Zeit zum herumalbern. Trotzdem konnte ich mir einen Seitenhieb nicht verkneifen. „Klar, ich liebe sie, und Ionenstürme auch. Fast genauso, wie von Severill-Torpedos umschwärmt zu werden."

„Ah, und ich hatte schon gehofft ich sei auch auf deiner Liste. Kein schwarzes Loch ist nämlich so anziehend wie du, Kali."

Machte mich der Kerl hier vor versammelter Crew beider Schiffe an? Ich spürte, wie mir das Blut in die Kiemen schoss. Aalyxh kicherte, Ben starrte mit zuckenden Schultern auf seine Konsole, Hrrovr und Hijac tauschten vielsagende Blicke aus. Was Ajs' bebende Augenstiele bedeuteten, wollte ich gar nicht wissen. „Danke für das Kompliment, falls das eines war. Also, können wir steuern, wo dieser Wurmlochtunnel uns ausspuckt, oder nicht?"

„Wenn ich deinen Übersetzer richtig verstanden habe, müssten wir das hinbekommen. Allerdings dürfte es etwas knifflig werden. Wo möchtest du denn abgesetzt werden, Prinzessin?"

Aalyxhs Gelächter und Hrrovrs Schuppenrasseln waren bestimmt auch auf der Brücke der Wanderer zu hören. Immerhin brachte der Severill meine Crew zum Lachen. Mir selbst war es gerade eher danach, ihm die Meinung zu sagen. Aber ich hielt mich zurück. „Kennst du das Sqia System? Setz mich bitte dort ab, Chauffeur." Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie Ajs' Augenstiele sich aufrichteten.

Verans Lachen hallte durch den Lautsprecher. „Der Punkt geht an dich, Kali. Warum ausgerechnet Sqia?"

Ich hatte bisher keinen Grund, Veran zu misstrauen. Dennoch sträubte sich alles in mir dagegen, ausgerechnet einem Severill meine nächsten Schritte zu verraten. Aber wir mussten uns beeilen, wenn wir unsere tiefgekühlten Tyrinianer noch rechtzeitig abliefern wollten. „Wir haben verderbliche Fracht für diese Ecke."

Die Verbindung blieb ruhig, und ich fragte mich, ob ich bereits zu viel verraten hatte. Als er sich endlich meldete, klang er amüsiert. „Bist du dir wirklich sicher mit Sqia? Du suchst dir ausgesprochen exotische Plätze für deine Handelsaktivitäten aus. Will ich überhaupt wissen, um was es hier geht?"

„Vermutlich nicht. Es ist eine einfache Auslieferung. Wenn alles klappt." Ich verzichtete darauf, hinzuzufügen, dass bisher so gut wie gar nichts auf dieser Reise geklappt hatte. Langsam begann ich auch an den ominösen Fluch zu glauben.

„Wie du meinst. Also, versuchen wir den Kurs anzupassen. Sqia liegt nicht so weit vom Weg zurück in den Heimatraum." Der Severills, meinte er natürlich.

Mir fiel ein Asteroid vom Herzen. Während meine Ur-Instinkte mir nach wie vor nahelegten, allem aus dem Weg zu gehen, was auch nur im entferntesten nach Severill klang, verlangte etwas anderes in mir danach, mehr Zeit mit diesem Individuum zu verbringen. Aber ich hatte eine Crew zu ernähren und ein Schiff zu unterhalten. Persönliche Experimente und Liebeleien standen nicht auf meinem Programm. Zumindest nicht zuoberst.

„Sehr gut. Jac, wie gehen wir vor?"

„Wir müssen unseren Triebwerkstrahl einsetzen, um den Tunnel zu biegen. Allerdings müssen beide Schiffe synchron arbeiten. Die Ur-Topsiliner hatten bei ihren Schiffen rundherum Portal-Steuerdüsen angebracht. Wir werden mehr Mühe haben, den gleichen Effekt mit den Triebwerken zu erzeugen."

Der Fluch der Topsy-Turvy | Wattys 2021 GewinnerWhere stories live. Discover now