5 - Unangenehme Begegnung

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Der Start verlief reibungslos — abgesehen von einem seltsamen, saugenden Geräusch, das ich zu hören glaubte, als wir uns von der Planetenoberfläche lösten. Niemand außer mir schien es zu bemerken, deshalb führte ich es auf meine lebhafte Einbildungskraft zurück.

Ich lehnte mich in meinem Sessel zurück, konnte aber die Bilder nicht verdrängen, die mir vorgaukelten wie die stabilen Landungsstützen der Topsy von farbigem Schleim trieften. Gestresst war ich versucht, Bilder der Aussensensoren abzurufen, nur um sicher zu sein, dass unsere Aussenhülle nicht aussah wie die Palette eines verrückten Malers.

Allerdings kam ich nicht dazu, mein Vorhaben in die Tat umzusetzen. Ein Schwall eines stark teerigen Dufts flutete die Brücke. Ich schluckte „Hijac?"

Dichte, borstenartig Haare auf der Unterseite der klauenbewehrten Füße dämpften die Schritte unseres schiffseigenen Wissenschaftlers und Allrounders. Mit acht spindeldürren Beinen gelang es dem geschlechtslosen Karjkaner, sich völlig lautlos zu bewegen. Zum Glück verrieten die Düfte, die ununterbrochen von seinen Drüsen verströmt wurden, mir seine Anwesenheit, bevor er mich erschrecken konnte. „Gibt es einen speziellen Grund, warum du besorgt bist?"

„Die Kiste, die wir geladen haben. Mein Scanner kann die Abschirmungen nicht durchdringen." Hijacs rauchige Stimme wurde von einer Sprachbox moduliert. Aus unerfindlichen Gründen war die Wahl des Karjkaners auf eine weibliche menschliche Stimme gefallen. Das verführerische, dunkle Timbre stand in einem starken Kontrast zum insektoiden Erscheinungsbild seines Besitzers. „Mir ist kein Weg bekannt, um herauszufinden, was die Kiste enthält. Zumindest nicht ohne die Schutzhülle und das Siegel zu zerstören."

Ich sog die Luft ein, nicht im mindesten überrascht, dass der erwartete, pfeffrige Geruch von Neugier meine Nase füllte. Ich musste dennoch ein Niesen unterdrücken. Nach mehreren Jahren auf dem gleichen Schiff hatte ich eine gewisse Meisterschaft darin erworben, die karjkanische Geruchssprache zu interpretieren. Natürlich war ich nicht annähernd gut genug, um ohne die Sprachbox auszukommen, aber zumindest die Grundstimmung einer Aussage konnte ich erkennen. „Nun, wenn du auf meine Erlaubnis hoffst, unsere Fracht zu zerstören, um sie analysieren zu können, liegst du falsch. Das kommt überhaupt nicht in die Tüte. Wir brachten das Geld, den Bonus und—"

„Kali?" Aalyxh unterbrach mich nur selten. Und wenn, dann hatte sie einen guten Grund. Ich wendete mich der Pilotin zu. „Ich empfange hier Daten, die du dir unbedingt ansehen solltest."

Einige Schritte brachten mich zu ihrer Station. Aalyxh kauerte wie üblich in ihrem Sitz, die beiden untersten Extremitäten gekreuzt, während sie mit den übrigen vier die Instrumente bediente. Mit der gewohnten Virtuosität justierte sie einige Einstellungen, verstärkte die Signale und spielte sie über den Lautsprecher ab. „Die stammen aus dem Orbit von Tyrin. Ich könnte schwören sie waren noch nicht da, als wir ankamen."

Ich runzelte die Stirn. Dieser spezielle, auf- und abschwellende Triebwerkston ließ sich aus Hunderten herausfiltern. „Die Raumpatrouille. Nur sie verwenden einen Gereka-Drossler in Kombination mit einem Normalraum-Plasmawandler. Was wollen die hier?"

Das war natürlich eine rhetorische Frage. Tyrin bekannte sich zur Allianz Unabhängiger Planeten. Obwohl wir uns hier im äußeren Einflussbereich der Allianz befanden, tat die AUP-Raumpatrouille genau das, was die Geldgeber von ihr erwarteten: Sie patrouillierte den Raum. Unser Pech, dass sie es ausgerechnet hier und jetzt tat.

„Nun ja, bleiben wir ganz entspannt." Ich bemühte mich um einen fröhlichen, selbstbewussten Tonfall. „Wir haben ein reines Gewissen, kein Grund zur Sorge. Halte einfach den Kurs, Lyxh."

„Reines'ss Gewiss'ssen?" Hrrovrs Frage wurde begleitet von einem leisen Rasseln seiner Schuppen. Meine Nummer Eins war beunruhigt, und das behagte mir nicht. Nur einen Atemzug später verriet mir der ölige Geruch aus Hijacs Duftzellen, dass auch der Rest meiner Crew sich von meiner gespielten Gelassenheit nicht überzeugen ließ.

Die Kommunikationseinheit knisterte und Bens melodische Stimme füllte die Brücke. „Ich mache mich bereit für ein notfallmäßiges Ausweichmanöver, Cap. Die Motoren sind warm und die Energiereserven bei neunzig Prozent."

Nicht nur seine Aussage sondern vor allem auch Bens Stimme hatte eine beruhigende Wirkung auf mich. Der Mann hätte eine Karriere als Tenor auf der Raumstation Scala machen können — oder als Stimmentherapeut für gestresste Regierungsmitglieder. Warum er es vorzog, den äusseren Spiralarm der Galaxis mit einer zusammengewürfelten Crew von Versagern zu bereisen, würde mir immer ein Rätsel bleiben. Aber ich schätzte sein kreatives Talent als Ingenieur — und seine bezaubernde Stimme.

Die Brücke blieb ungewohnt ruhig, während wir uns der Formation aus sieben Patrouillenschiffen näherten. Ich betrachtete ihre schlanken, stromlinienförmigen Rümpfe mit den massigen Antriebsmodulen. Selbst die berühmte Geschwindigkeit der Topsy würde uns wohl nicht viel helfen, wenn diese modernen Jäger es auf uns abgesehen hatten. Ihre Triebwerkskonstellation war nicht nur wesentlich moderner und kostspieliger als unsere, sie erlaubte auch beneidenswerte Spitzenleistungen. Sich gegen dieses Pack von schwer bewaffneten Abfangjägern zu verteidigen, falls sie uns übel gesinnt waren, schien undenkbar. Zumindest solange ich nüchtern war.

Der Anruf über Komm riss mich aus meinem Gedanken. „AUP Patrouille T-7 hier. Wir rufen das unindentifizierte Schiff auf Kurs 7-6-C. Was ist ihre Registrationsnummer?"

Aalyxh und ich tauschten einen kurzen Blick aus, bevor sie den ID-Chip mit der grünen Markierung in den Leser an der Navigationskonsole schob. Grün für die Allianz. Ich besaß eine höchst illegale Sammlung von verschiedenen Chips, ein sehr hilfreiches Accessoire für Händler am äußeren Rand.

„Ausgezeichnet, Topsy-Turvy. Was ist ihr Vorhaben in diesem Sektor und wer ist ihr Kommandant?"

„Mein Name ist Kalina ap'Theron, Captain der Topsy-Turvy. Wir reiten mit den Gezeiten, T-7. Liefern bei Bedarf Ersatzteile für Hyperraumtriebwerke und Haushaltsbots, yuuolanische Strickwaren, Schokoladeimitation und andere Leckereien in die Kolonien. Transportieren gelegentlich auch Passagiere, falls Bedarf besteht. Einfach alles, was uns und unser Schiff munter und funktionstüchtig erhält."

„Witzig, ap'Theron, übernehmen sie sich nicht. Haben sie auf Tyrin Passagiere aufgenommen? Irgendwelche organischen Güter?"

Ich kratzte mich zwischen den Nackenstacheln. Wie sollte ich das wissen? Die tyrinianische Matrone hatte die Kiste sicher genug versiegelt, dass nicht einmal unser innovativer Hijac rausfand, was unsere Fracht enthielt. „Nein, nicht dass ich wüsste, T-7. Wir haben beschlossen, unser Glück anderswo zu suchen, Tyrin war die Reise nicht wert."

„Nun, ich bin überzeugt, dass sie wissen, dass Tyrin unter Quarantäne steht, ap'Theron. Es dürfen keine lebenden Exemplare irgendwelcher einheimischer Spezies von diesem Planeten weggebracht werden. Das gilt auch für Lebensmittel und Ähnliches."

Ich musste ein Würgen unterdrücken als ich mir vorzustellen versuchte, wie tyrinianische Lebensmittel aussahen. Offensichtlich hätte ich doch mehr Zeit mit dem Studium meiner Ausgabe des FORP zubringen sollen. Zusammen mit einem bittersüßen Hauch aus Hijacs Pheromondrüsen schlich sich ein aufdringlicher und unangenehmer Verdacht in meine Gedanken. Benutze die Tanencha uns, um die Quarantäne zu umgehen? Obwohl ich überzeugt war, dass der Luft- und wasserdichte Behälter in unserem Frachtraum denkbar ungeeignet war, um Lebewesen zu transportieren, konnte er trotzdem verbotene organische Schmuggelware enthalten.

Hijac berührte mit einem chitingepanzerten Bein meine Schulter. „Keine messbaren Spuren von Kohlenstoffverbindungen, Captain. Ich habe zudem eure Anzüge verbrannt, um den ganzen Schleim loszuwerden."

Ich fragte mich, wie Hijac es schaffte, trotz der Verwendung der Spachbox selbstgefällig zu klingen. Voller Bewunderung für den Programmierer dieses technischen Wunderwerks presste ich die Übertragungstaste. „Ich kann bestätigen, dass wir keine organischen Komponenten von Tyrin an Bord gebracht haben. Möchten sie trotzdem das Schiff inspizieren, T-7?"

Das Glück steht den Mutigen bei, wie mein geschätzter Urgroßvater jeweils zu sagen pflegte. Er musste es wissen, er war immerhin ein erfolgreicher Spicehändler gewesen, damals, als die Droge noch legal war.

Für einen langen, kostbaren Moment schien mein spontaner Bluff zu funktionieren.„Danke, ap'Theron, ich denke, das wird nicht nötig— Moment, bleiben sie einen Augenblick auf Standby, Topsy-Turvy."

Der Fluch der Topsy-Turvy | Wattys 2021 GewinnerWhere stories live. Discover now