7 - ... in die Traufe

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Niemand fand die Zeit, sich über mein Vorhaben zu beschweren, während wir geradewegs auf das fette schwarze Loch von Ticotan zuschossen. Angestrengt kämpfte ich gegen die Schwindelgefühle, die sich an meinen Hirnstämmen festkrallten wie hungrige Marksauger. Ich durfte jetzt nicht das Bewusstsein verlieren. Mir war klar, dass wir uns aus dem Hyperraum katapultieren mussten, bevor wir als als kleine, kompakte, gut gepresste Kugel aus einer Mischung von Schiffsteilen mit einem kleinen Anteil an organischer Masse endeten. „Jac, hast du eine Ahnung, wo unsere Begleiter sich gerade rumtreiben?"

„Ich empfange eine einzelne Severill-Signatur an Steuerbord. Die Patrouille scheinen wir abgeschüttelt zu haben." Konnte ich da einen Hauch von süßem Triumph riechen? Nun, das gleiche fühlten bei diesen Worten wohl auch die anderen der Crew. Trotzdem, jeder Severill im Umkreis eines Lichtjahrs war einer zu viel. Ich musste das Risiko eingehen, den Austritt so spät als möglich anzusetzen.

„Lyxh, Dropout auf mein Kommando. Moment noch... fünf... vier... drei... zwei... jetzt."

Der plötzliche Geschwindigkeitsverlust sandte eine neue Welle der Übelkeit durch meine Organe, und ich grub die Spitzen meiner Krallen in die Polsterung der Armlehnen des Kommandosessels. Mit einem fühlbaren Zittern stemmte sich das Schiff gegen die Gravitation des schwarzen Lochs. Ich zitterte mit und hatte Mühe, mir beim Sprechen nicht auf die Zunge zu beißen. „Alle Stationen, Statusbericht."

„Die Kapazität der Sprungtriebwerke ist auf elf Prozent." Bens nasale Stimme ließ mich vermuten, dass er wieder einmal kurz vor dem Erbrechen stand. Sein Magen musste sich inzwischen anfühlen wie ein ausgewrungenes Handtuch. Ich fühlte mit ihm. Das Schiff schüttelte immer noch wie ein tortaloosischer Schnapper auf Spice-Entzug. Vermutlich kochten unsere Maschinen fast beim Versuch, die Anziehungskraft des schwarzen Lochs zu überwinden.

„Captain, die Hälfte uns'sserer Ss'sens'ssoren is'sst blockiert durch auß'ßergewöhnlich hohe Ionenaktivität."

„Ah." Das erklärte das lästigen Schütteln deutlich besser als die Nähe der Singularität. „Ein Ionensturm? Wie schlimm sieht es aus?"

Die verdächtige Stille, als alle sich über ihre Konsolen beugten, sagte mir genug. Der Sturm musste heftig sein. Ich rief die Aufzeichnungen der Sensoren auf meinen Schirm. Hrrovr hatte nicht übertrieben. Die Ionenaktivität war höher, als ich sie jemals erlebt hatte, eindeutig zu hoch für die Topsy-Turvy. „Nun ja, die Severills werden ihre Mühe haben, uns in dieser Suppe zu lokalisieren."

„Uns oder die verstreuten Einzelteile der Topsy?" Hijacs emotionslos vorgetragene Frage ließ mich losprusten. Ich kämpfte eine ganze Weile erfolglos gegen den hysterischen Lachanfall. Aber mir war klar, dass unser Schiff dieser Belastung nicht lange standhalten konnte. Die Kräfte, die gerade auf unseren Rumpf einhämmerten, konnten sogar von den zusätzlichen Verstärkungen, die wir im Lauf der Jahre eingebaut hatten, nicht auf längere Zeit aufgefangen werden.

„Hrrovr, bitte leite unsere Energie in die Stabilisatoren um. Lyxh, berechne einen Kurs, der uns möglichst rasch aus diesem Schlamassel rausbringt."

„Aye, Captain." Aalyxh nannte mich niemals Captain — außer wenn sie hundertprozentig überzeugt war, dass ich soeben verantwortungslos unser Schiff in eine selbstmörderische Situation manövriert hatte. Der Blick, den sie mir aus einem Auge zuwarf, bestätige diese Einschätzung. „Ich hab dir schon immer gesagt, du sollst dich von den Severills fernhalten. Aber auf mich hörst du ja nicht, wie wir wissen."

Ich biss mir auf die Lippen. Mir war ganz genau klar, auf welches Ereignis meine alte Freundin hier anspielte. Und natürlich hatte sie recht, aber ich war damals jung, unerfahren und gelangweilt gewesen. Abgesehen davon hielt ich mich für unverwundbar, oder zumindest schlauer als alle anderen. Nicht, dass das eine Entschuldigung war. „Ich gebe zu, dass das ausgesprochen dumm war. Aber ich kann es nun mal nicht ungeschehen machen. Du hättest nicht zu mir halten müssen, Lyxh."

Der Fluch der Topsy-Turvy | Wattys 2021 GewinnerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt