12 - Auf Eis gelegt

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Das blaue Licht gewann an Intensität und der massive Deckel der Kiste hob sich ein Stück weiter. Aalyxh summte leise eine melancholische Melodie, die mich entfernt an ein oolianisches Schlaflied für Nestlinge erinnerte. Es vermochte aber meine innere Anspannung nicht zu lösen. Im Gegenteil, ein Schwall der unterschiedlichsten, vermischten Duftstoffe aus Hijacs Drüsen brachte meinen Mageninhalt gefährlich nahe daran, meine Speiseröhre hinaufzuschwappen. Ich erkannte neben gespannter Erwartung auch eine Prise Neugier und den bitteren Geschmack von Angst, oder doch zumindest ausgeprägter Vorsicht.

Aalyxh rollte ihre Augenlider zurück und schnaubte. „Hör auf damit, Jac. Du weißt ganz genau, dass ich mich nicht konzentrieren kann, wenn du mich mit deinen gesammelten Pheromonen attackierst."

Der Karjkaner stieß eine süßliche Wolke von Ärger aus, kam aber nicht dazu, auch verbal zu antworten, denn eine Bewegung zog unsere Aufmerksamkeit auf den Frachtbehälter.

Von hinten angestrahlt durch das gleißend blaue Licht schoben sich zwei kleine, türkisfarbene Kugeln über den Rand der Kiste und verharrten. Mein Atem stockte und meine Finger krampften sich um den Auslöser für das Elektronetz.

Nach dem ersten Schreck musste ich mir allerdings eingestehen, dass der erste Eindruck des Eindringlings nicht besonders furchteinflössend war. Ich konnte dennoch einen Angriff oder eine sonstige Gefahr nicht auszuschließen und beschloss, wachsam zu bleiben. Auch ein kurzer Blick zu Aalyxh, die mit geschlossenen Augen neben mir saß, ein engelsgleiches Lächeln auf dem Gesicht, vermochte mich nicht zu beruhigen.

„Lyxh, mit was haben wir es zu tun?" Ich traute mich nicht, meine Stimme über ein heiseres Flüstern zu erheben. Das Ausbleiben einer karjkanischen Duftwolke war so asymptomatisch, dass es mich zusätzlich unter Stress setzte. Mit zusammengebissenen Zähnen beobachtete ich, wie sich die beiden Kugeln weiter emporschoben, und plötzlich fiel bei mir der — wie hieß doch gleich die archaische Bezahlungseinheit, die Ben immer zitierte?

Egal, ich wusste, mit was wir es zu tun hatten, und die Art, wie der Ingenieur die Luft einsog, sagte mir, dass mein Verdacht stimmte. „Cap, das ist eine von diesen bunten Babyschnecken."

Aalyxh öffnete ein Auge um Ben einen strafenden Blick zuzusenden. „Das ist eine Tyrinianrin, keine Schnecke. Pass gefälligst besser auf dein Vokabular auf. Außerdem ist ihr Name Ajs."

„Hum." Etwas besseres fiel mir nicht ein. Als Captain fühlte ich mich verpflichtet, es mit einer diplomatischen Annäherung zu versuchen. Ganz offensichtlich hatte die Tanencha uns einen ihrer Sprösslinge anvertraut, gut versteckt in einer Kryoeinheit. Was natürlich nicht den Regeln entsprach, welche die Raumpatrouille durchsetzen sollte. Vermutlich war das auch der Grund, warum die tyrianische Herrscherin auf pünktliche Auslieferung der Fracht bestand.

Es war anzunehmen, dass der Aufwachvorgang erst bei unserer Ankunft auf Sqia'lon Sieben hätte imitiert werden sollen. Niemand konnte ahnen, dass wir nach einer wilden Flucht in einem Ionensturm enden würden. Trotzdem, was auch immer der Plan der Ältesten Mutter war, er wies substantielle Mängel auf. Ich schluckte die Galle hinunter, die schon wieder in meinem Hals aufgestiegen war. „Willkommen and Bord der Topsy-Turvy, denk ich mal."

Die Augenstiele neigten sich in meine Richtung und zögernd schob sich nun auch der Kopf der winzigen Tyrinianerin über den Behälterrand. Zu meiner Überraschung sah sie ganz niedlich aus und wirkte vor allem verängstigt. Hijac streckte ihr ein Glied entgegen, das einen blinkenden Scanner hielt, während seine Augen im kalten Licht des Transportbehälters funkelten wie Diamanten. Ajs zuckte zurück.

„Captain, diese Kiste enthält einige hundert organische Kokons. Nur einer davon ist bisher aufgerissen, alle andern befinden sich noch in voller Stasis. Zumindest für den Moment, soweit ich das beurteilen kann."

Der Fluch der Topsy-Turvy | Wattys 2021 GewinnerWhere stories live. Discover now