9 - Wo ist der Eindringling

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Das verlockende Bild meines kuschligen Schlaftanks verblasste im grellen Licht von Aalyxhs Entdeckung. „Was meinst du mit Eindringling? Kannst du seinen Aufenthaltsort lokalisieren?"

„Ich empfange Hirnströme, allerdings nur sehr vage, so als ob jemand schlafen würde, aber von einem heftigen Traum geplagt wird. Es ist aber ganz bestimmt nicht ein Muster wie es jemand von der Crew ausstrahlt. Die Signatur eurer Gedankenströme kenne ich längst auswendig, egal ob ihr gerade schlaft oder wach seid." Sie schaukelte in ihrem Stuhl vor und zurück, alle Augen geschlossen und ganz auf ihren speziellen Sinn konzentriert.

Ich hatte mir noch nie richtig vorstellen können, wie Aalyxhs telepathische Begabung funktionierte. Wie Ben, Hrrovr und Hijac war ich auf dieser Wellenlänge taub und blind. Die Fähigkeiten meiner Freundin hatten mich als Kind sogar verängstigt, bis ich mich nach einer halben Ewigkeit daran gewöhnte und lernte, mich bis zu einem gewissen Grad darauf zu verlassen. Allerdings scheute ich immer noch davor zurück, Aalyxh freiwillig Zugang zu meinen Gedanken zu gewähren. „Hast du eine Ahnung, wo dieses mysteriöse Wesen gerade schläft und träumt?"

„Nein, was ich empfange ist zu schwach, um eine Richtung festzulegen. Stell dir ein Echo in einem leeren Frachtdeck vor. Zudem ist es jetzt auch schon wieder verschwunden. Könnte sich auf Tyrin jemand an Bord geschlichen haben?"

Jemand, nicht etwas. Aalyxh war sehr auf die Korrektheit ihrer Semantik bedacht. Wenn ein Wesen denken und träumen konnte, dann hatte es in ihren Augen auch das Recht, als vollwertige Person behandelt zu werden. Natürlich hatte sie damit recht und ich schätzte ihre Einstellung. Aber wer hatte ein Interesse daran, sich ausgerechnet auf die Topsy zu schleichen? Mir fiel die Gruppe der Werftarbeiter ein, Zigeuner, hatte Ben sie genannt. Aber nein, das war unwahrscheinlich. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand sich neben mir und Ben durchquetschen konnte. Und du hast ja Jac gehört, oder? Er hat hinter uns beiden aufgeräumt. Du weißt ja, wie gründlich er ist. Soll ich ihn trotzdem rufen?"

Ich hegte eine tiefvverwurzelte Abneigung dagegen, die schwerverdienten Ruhephasen meiner Crew zu unterbrechen. Aber Hrrovr enthob mich der Entscheidung und schaltete das Komm ein. „Ben, Jac, alle ss'sofort z'ssurück auf die Brücke."

Es dauerte nicht lang, bis die beiden wieder auftauchten. Der Ingenieur hatte die Ärmel seines Overalls um die Hüften geknotet und zeigte eine Brust, die mit einem Flaum von feinen, gekräuselten Haaren bewachsen war. Eindeutig zu wenige, um als Pelz zu gelten, was mich einen Moment lang mit der Frage nach dem Zweck dieser anatomischen menschlichen Besonderheit beschäftigte.

Ben räusperte sich, vermutlich irritiert von meinem Blick. „Was gibt's, Cap? Haben wir einen Notfall?" Er krazte ein Büschel seiner Brusthaare.

„Notfall kommt wohl hin. Lyxh empfängt fremde Gehirnströme. Wir werden das Schiff nach einem Eindringling durchsuchen müssen."

Ein saurer Hauch von Zweifel wabberte durch den Raum. „Ich habe die Fracht sterilisiert, sobald sie an Bord kam. Zusammen mit dem Frachtraum und der Eingangsschleuse. Als ihr beide an Bord kamt, war die Schleuse nur einen Bruchteil eines Klicks offen. Eure Anzüge und die Masken habe ich vernichtet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Mikrobe geschweige denn ein komplexeres Wesen den Recycliervorgang überlebt hat."

Ich zweifelte nicht an Hijacs Gründlichkeit, aber ich hatte ebensowenig Grund, Aalyxhs Gabe zu misstrauen. „Ich weiß, Jac. Trotzdem sollten wir sicher gehen. Ist es denkbar, dass sich jemand während des Verladens oder danach an Bord geschlichen hat?"

„Kann ich mir kaum vorstellen. Aber du hast recht, wir sollten das sofort überprüfen, bevor wir ernsthaft in Schwierigkeiten stecken." Mit diesen Worten schnappte sich der Karjkaner auch schon einen Handscanner und stürmte Richtung Frachtraum davon.

Der Fluch der Topsy-Turvy | Wattys 2021 GewinnerWhere stories live. Discover now