3. Dezember - erster Advent

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„Du hast was gemacht?", schrie mir meine Freundin Betty aus dem Hörer entgegen. Ich versuchte ihr gerade meine jetzige Situation zuerklären. Sie hatte mich sofort angerufen, als ich nebenbei geschrieben hatte, dass ich Freitag nicht bei der Vorlesung war. Dass ich Unizeugs freiwillig sausen lasse, ist eher untypisch für mich. „Naja, ich bin auf dem Glatteis ausgerutscht und hab mir den Knöchel gestaucht. Werde wohl die nächsten Tage, wenn überhaupt, nur auf Krücken anzutreffen sein."

„Oh man, Leonie, was machst du denn!" Ich konnte spüren, wie sie gerade auf der anderen Seite des Hörers den Kopf schüttelte. „Das war nicht mal meine Schuld! Naja, zumindest nicht ganz...". Ich spielte mit meinem Fleecejackenreißverschluss herum, während ich mich darauf vorbereitete meiner Freundin die ganze Situation zuerklären.

„Was soll das denn bedeuten?"

Ich seufzte. „Naja, ich bin gegen so ein Typen geknallt, der stand da einfach um die Ecke. Und dann habe ich halt das Gleichgewicht verloren und bin ausgerutscht."

„Sah er gut aus?", fragte meine Freundin neugierig. Sofort musste ich die Augen verdrehen. Das war natürlich wieder das einzige, was sie heraushörte.

Leicht schmunzelnd über meine Freundin schüttelte ichden Kopf.

„Naja, kommt drauf an, ob du auf Ugly-Christmas-Sweater stehst und Menschen, die ein bisschen zu viel Weihnachtsstimmung verbreiten wollen. Der Typ ging gar nicht. Wollte mir sofort 'ne Spende abzocken, als er mir aufgeholfen hat. Mir, der armen Studentin! Als wäre das seine Masche." An die Erinnerung daran schüttelte ich wieder den Kopf.

„Naja, immerhin ist er hilfsbereit. Der hat bestimmt ein gutes Herz. Ich wette er war süß, so wie du dich über ihn aufregst", kicherte meine Freundin.

Leider hatte meine Freundin wieder einmal einen zu guten Riecher. Selbst wenn sie momentan dank ihres Auslandssemesters tausende Kilometer von mir weg war.

„Er sah...akzeptabel aus, aber seine Persönlichkeit macht alles wieder zunichte! Das einzige Nette war, dass er mir ein Kühlpack vorbeigebracht hat."

„Er hat was?", fragte Betty entgeistert. „Er war bei dir zu Hause?"

„Nein, nein, so war das nicht. Er ist ins Krankenhaus gekommen, um mir einKühlpack zu bringen. Hat anscheinend eingesehen, dass es nicht nur mir lag, dass ich jetzt einen gestauchten Knöchel habe."

„Awww, er ist dafür extra zum Krankenhaus gefahren?"

Entrüstet schnappte ich nach Luft. „Hallo? Das war er mir ja mindestens schuldig."

Ich hörte meine Freundin am anderen Ende der Leitung seufzen.

„Lass mich raten, du hast ihn komplett abgeblockt? Mich wundert es, dass du ihn vorher anscheinend noch nicht ganz vertrieben hast."

„Glaub mir, ich hab's versucht, aber er scheint ein hartnäckiger Fall zusein."

„Leonie", plötzlich änderte sich der Ton meiner Freundin und ich wusste was jetzt kommt.

„Es ist schon Monate her seit, fast ein Jahr...", sie brach kurz ab, bevor sie fortfuhr: „Du solltest dich wirklich wieder mehr öffnen. Was bringt dir das, wenn du alle und jeden abblockst? Du landest irgendwann alleine da. Gerade zur Weihnachtszeit sollte niemand alleine sein."

„Vielleicht will ich das ja auch. Ich habe niemals danach verlangt", gab ich gereizt zurück.

„Niemand kann und will alleine sein. Nicht auf Dauer. Irgendwann zerreißt dich die Einsamkeit und macht dich fertig. Und so will ich dich nicht sehen. Ich mache mir Sorgen um dich."

Ich stützte meinen Kopf auf meinem Arm ab, der auf einmal schwer wirkte.

„Betty, ich komme gut zurecht ok? Ich kann einfach nicht. Außerdem habe ich ja noch dich."

Ich merkte, wie meine Freundin am anderen Ende über etwas nachdachte und es entstand eine Stille. Ich konnte förmlich spüren, wie sie gerade mit sich rang, ob sie die Diskussion weiterführen oder aufgeben sollte.

Schließlich seufzte sie wieder. „Bitte tue mir einen Gefallen und versuche es wenigstens, okay? Gib ihm eine Chance. Irgendwer muss sich ja um dich kümmern, solange ich nicht da bin. Nicht alle Menschen wollen dir Böses, Süße."

Insgeheim wusste ein Teil tief in mir, dass sie Recht hatte. Dass es alleine an mir lag, dass ich nie glücklich werden würde. Aber ich wollte und konnte es in dem Moment nicht wahrhaben. Irgendwas hielt mich immer auf. Irgendwas ebenfalls tief in mir drin. 

Der Winter In DirTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang