Das Geständnis

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Am Wochenende zog sie sich etwas von der Gruppe zurück. Sie musste erstmal die ganze Woche verarbeiten und wollte zwei weitere Tage voller Stress vermeiden.Aufgrund ihrer Zurückgezogenheit schaute Samy sie am Samstag morgen etwas besorgt an und als sie erzählte, dass sie etwas für die Schule machen wollte, sagte, dass sie über alles mit ihm reden konnte. Sie wollte aber eigentlich nicht mit ihm reden, sie hatte sich zwar die letzte Wiche ganz gut mit ihm verstanden aber es kam immer wider hoch, wie betrogen sie sich von ihm fühlte und sie vermisste ihre Freundinnen so sehr. Ihre Freundinnen, die sich jetzt auch seit einer Woche nicht gemeldet haben. Klar, sie hatte Marie und die anderen kennengelernt, aber dass ließ sie ihr altes Leben nicht vergessen. Und ihre Eltern lagen ihr auch die ganze Zeit auf der Tasche. Sie hatten sie am Wochenende drei mal angerufen und unzählige Nachrichten geschrieben, welche sie jedoch unbeantwortet ließ. Verstanden sie es nicht, dass sie sauer war und dass sie ihr wenigstens ein bisschen Zeit geben mussten. Am Sonntag Abend kam Samy jedenfalls mit einem vorsichtigen Klopfen in ihr Zimmer. Sie saß gerade auf ihrem Bett und wartete immer noch vergebens auf einen Anruf ihrer Freundinnen. Er setzte sich neben sie auf ihr Bett und sagte: „Sag mal, ist alles okay?", „Klar, warum nicht", antwortete sie in einem nicht sehr glaubwürdigem Tonfall. „Naja, weil Mama und Papa dich jetzt schon oft angerufen haben, du immer nicht rangegangen bist und du alle Nachrichten, die sie dir geschrieben haben auch nicht beantwortet hast" er schaute ihr nochmal durchdringend in die Augen, „Lina, ich mache mir Sorgen um dich. Du kannst mir sagen, wenn es dir nicht gut geht"
Da merkte sie es, wie alle Emotionen der letzten Tage hoch kamen. Sie hörte noch die anderen im Wohnzimmer lachen, als sie ihre Tränen nicht mehr halten konnte und es platzte aus ihr heraus: „Wenn es mir nicht gut geht? Wie könnte es mir gut gehen? Ich wurde aus meinem Zuhause gerissen, ohne ein Wort mitreden zu dürfen! Mir wurde von jetzt auf gleich gesagt, dass ich umziehen musste. Ich hab alles zurück gelassen! Verstehst du das nicht? Meine Freunde mein Leben alles! Und meine angeblichen Freunde haben sich auch noch nicht einmal gemeldet!" Etwas baff von den plötzlich offenbarten Emotionen schaute Samy sie an. Alles war still. Sogar aus dem Wohnzimmer kamen keine Geräusche mehr. „Aber warum hast du denn nichts gesagt?", unterbrach Samy das Schweigen. „Ich weiß es ja auch nicht. Ich war sauer auf dich, weil du dich seit Wochen nicht mehr gemeldet hattest und ich wollte nicht die anhängliche kleine Schwester sein" antwortete sie mit verquollenen roten Augen. „Aber du bist nicht die anhängliche kleine Schwester! Du kannst immer zu mir kommen! Und ich kann verstehen, dass du sauer auf mich bist, aber ich wusste selbst nicht so recht mit der Situation umzugehen", sagte er und schloss sie danach fest in die Arme. Es war die Umarmung von ihrem Bruder, die sie so dringend gebraucht hatte, sie wusste es nur nicht. Als sich die Umarmung wieder löste, schien die Welt um sie herum ein klein wenig anders, ein klein wenig besser zu sein. Sie fühlte sich zwar immer noch nicht gut, aber sie fühlte sich wenigstens ein klein wenig leichter. „Willst du mit rüber kommen? Wir wollten gerade einen Film schauen. Du kannst aber auch was alleine machen oder wir machen nur was zu zweit.", fragte Samy nach kurzer Stille. „Ne, ne wir können schon rüber zu den anderen gehen". Zu zweit verließen sie ihr Zimmer und gingen zu den anderen, welchen es sichtlich Leid zu tun schien. Mit etwas zittrigen Beinen lief sie zum Sofa, wohl sie zwischen ihrem Bruder und Karlotta Platz fand. Die ganze Stimmung schien kurz etwas bedrückt, doch als sie anfingen den Film auszusuchen, wurde die schweigsame Gruppe schnell wieder lebendig.

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