22 | Die Kehrseite der Medaille.

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Fedja

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„Das ist doch bullshit."
„Das ist es nicht."
„Doch."
„Gib ihm noch eine Chance."

Ungläubig sehe ich Elina an.
„Noch eine Chance? El, dieser Film ist der größte Scheiß den ich jemals gesehen hab."
Sie schaut trotzig zu mir hoch.

Wir liegen gemeinsam auf dem Sofa in meiner Wohnung.
„Komm schon! Es ist eine unglaublich romantische Geschichte."
Elina sieht mich mit ihrem Hundeblick an.
Ich hasse es, wenn sie das macht.

„Ein Vampir der sich in einen Menschen verknallt? Mal im Ernst, babe."
Skeptisch sehe ich meine Freundin an.
„Wenn ich ein Vampir wäre, würde ich mir so ne richtige geile unsterbliche Lady aussuchen und es mit ihr auf jedem Baum in Kanada treiben."

Elina lacht auf.
„Wieso Kanada?"
Ich greife nach meiner Zigarettenschachtel.
„Dort gibt es die meisten Bäume."
„Du musst echt öfter in die Schule."
lacht das Hübsche Mädchen.
Schulterzuckend zünde ich meine Zigarette an.
„Vielleicht."
Elina reiche ich ebenfalls eine.
„Danke."
Ich zünde ihr den Glimmstängel an und sehe ihr fasziniert dabei zu, wie sie ihre Züge nimmt.

Solche Nachmittage verbrachten wir in den letzten Wochen oft miteinander.
Gemeinsam in meiner Wohnung liegen, Rauchen, Sex.
Sie genießt es, bei mir zu sein.
Sie genießt es, Gast in meiner kaputten Welt zu sein.
Doch das wird sie immer bleiben.
Ein Gast.

Elina kann gehen wann immer sie will, sie kann fliehen in ihr Vorstadtleben, sobald es bei mir zu brenzlig wird.
Eine Möglichkeit, die ich niemals haben werde.
Elina bot mir nie an, einen unserer Nachmittage bei ihr zu verbringen.
Dafür bin ich ihr wirklich dankbar.
Ich will kein Gast in ihrer Welt sein.
Dort passe ich nicht hin.
Das weiß sie.

„Fedja?" die hübsche Brünette liegt halb auf mir,  und dreht ihren Kopf etwas zu mir.
„Bist du glücklich?"

„Wie kommst du jetzt auf die Frage?"
Sie zuckt mit den Schultern und nimmt einen weiteren Zug.
Ich habe es von Anfang an bemerkt, dass sie vor mir keine Raucherin gewesen ist.
Die kleinen Züge, das angeekelte Nase rümpfen bei dem Geruch des Rauches.
Sogar ein blinder würde es erkennen.

Eine Weile starren wir nur den Fernseher an.
Der Abspann ist vorbei.
„Ich glaube, ich bin es nicht."
Elina verkrampft sich etwas in meinen Armen.
„Was genau meinst du?"
„Glücklich sein. Ich glaube, ich bin alles andere als glücklich."
Ich verstehe sie nicht.
Sie hat alles, was man sich nur wünschen konnte.
Sie besitzt ein ordentliches Zuhause, ein gesundes Familienleben.
Sie muss nicht die Drogen ihres Bruders verstecken, weil der mal wieder auf Entzug ist.

Wieso verflucht ist sie nicht glücklich?
Mit so einem Schicksal ist man praktisch dazu verdammt, auf ewig glücklich zu sein.

Sie muss meine Gedanken bemerkt haben, denn sie räkelt sich aus meinem Arm und sitzt mir nun gegenüber im Schneidersitz.
„Versteh mich nicht falsch, ich weiß ganz genau was du jetzt denkst."
„Ach ja?"

„Ja. Du fragst dich, wie ich nicht glücklich sein kann. Wie um alles in der Welt kann das verwöhnte Stadtmädchen nicht Glücklich sein?"
So in der Art denke ich, ja.

„Aber Materielles ist nicht alles."
„Aber viel mehr als das, was ich habe."
Elina krabbelt wieder zu mir herüber.

„Ich will das aber nicht sein. Ich will kein langweiliges, perfektes Leben haben."
Jeder will das haben, glaub mir.

„Was willst du dann?"
Ich lege meinen Kopf auf ihrem ab.
„Ich will was verbotenes tun, was riskieren. Ich brauche einfach mal einen dieser Adrenalinkicks, von denen du so oft sprichst."
Ich lache leise.

Die Monster unter meinem Bett. Where stories live. Discover now