Bonny

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Teil 1

Bonny wischte Staub. Hitze sammelte sich unter ihrer weißen Haube, ihre Augen tränten. Energisch wischte sie sich mit dem Handrücken über den Mund. Mrs Dawson befand sich im oberen Stockwerk. Bonny hatte sie leise beten gehört, als sie heute Morgen an ihrem Zimmer vorbeilief. Ein leises Flüstern nur, doch sie brauchte keinen Blick in das Zimmer zu werfen, um zu wissen, wie Mrs Dawsons Lippen bebten, beim Aufsagen der Bibelverse.

Sie wischte über die braune Couchgarnitur, die einen großen Teil des Wohnzimmers einnahm. Ihr Blick fiel auf ein Büschel Haare. Sie kniete sich auf den Boden und holte es unter der Couch hervor. Wie ein Büschel Schafswolle lag es in ihrer Hand. Mrs Dawson musste es sich vor lauter Wut herausgerissen haben, wie sie es immer tat, wenn ihr Gesicht in Flammen zu stehen schien und sie die Augen zu Schlitzen verengt hatte.

Bonny hörte ein Poltern auf der Treppe. Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab und richtete sich auf. "Ich möchte, dass du den Teppich im Wohnzimmer ausklopfst", sagte Mrs Dawson. "Kein Wunder, dass Jonathan kaum noch das Haus betritt", murmelte sie wie zu sich selbst.

"Ja, Marm", antwortete Bonny und steckte den Baumwolllappen in ihre Schürzentasche. Sie würde den ganzen Nachmittag beschäftigt sein, den schweren Teppich in den Garten zu tragen und ihn dort von Staub zu befreien. Mrs Dawson schien den Fakt, dass ihr Mann immer öfter das Haus verließ und nur noch zu den Mahlzeiten heimkehrte, daran festzumachen, dass er die Unordnung im Haus nicht ertrug. "Er war immer schon ein sehr strukturierter Mann", hatte sie ihr einmal gesagt. Seitdem merkte Bonny immer öfter ihre glühenden Augen im Nacken, wenn sie auch nur einmal den Lappen aus der Hand legte. Doch Bonny ließ sich nicht gerne für die Abwesenheit des Hausherren verantwortlich machen. Sie genoss die Ruhe im Haus, die einkehrte, sobald man das Zuschlagen der Haustür hörte.

Mit schwitzigen Händen, rollte sie den gelben Teppich auf dem Wohnzimmerboden zu einer großen, dicken Rolle zusammen. Haare und Hautschuppen sammelten sich auf ihren Handflächen. Einen kurzen Moment, dachte sie darüber nach Mrs Dawson zu fragen, ob sie kurz mit anpacken könne, doch sie verwarf den Gedanken schnell wieder. Mrs Dawsons liebste Beschäftigung war es ihr dabei zuzusehen, wie sich unter der Mittagshitze ihre Finger wundschrubbte.

Sie schob sich die Ärmel ihres Kittels bis zu den Ellenbogen hinauf und griff nach einem Ende der gelben Teppichrolle. Sie erinnerte sie an einen sich windenden gelben Wurm, der lang ausgestreckt auf dem Fußboden lag. Sie zog den Teppich durch die Terassentür auf den Rasen, dessen Halme sich bereits gelb und trocken krümmten. Über eine aufgespannte Wäscheleine warf sie ihn, sodass der Staub nur so auf sie herabrieselte, sich an Gesicht und Hals festsetzte.

Mit kraftvollen Schlägen schlug sie mit dem Teppichklopfer zu. Bonnys Körper juckte. Der Staub schien sie zu durchdringen und ein Teil von ihr zu werden. Der Rock klebte an ihren Schenkeln, rote Flecken bedeckten ihre Arme, der Schweiß rann ihre Schläfe hinab.

"Hey, Bonny!" Sie unterbrach das stetige Ausholen. Ein rundgesichtiges Hausmädchen stand am Gartenzaun, die Schürze fest um ihren Körper geschlungen und eine weiße Haube auf dem Kopf. Bonny warf den Teppichklopfer ins Gras und schüttelte sich. Vertrocknete Essensreste und kleine graue Staubbüschel fielen zur Erde.

"Wie geht es dir Maggie?", fragte sie. Maggie war das Hausmädchen der alten Mrs Aubrey, der Nachbarin die aussah wie ein trächtiges Rind mit kleinen blitzenden Augen.

"Mrs Aubrey liegt seit gestern Abend in ihrem Bett und rührt sich kaum vom Fleck. Heute Morgen habe ich nach ihr gesehen. Sie lag dort, als wäre sie tot."

"Ist sie krank?", fragte Bonny. Doch Maggie schüttelte den Kopf, dass ihre Haare nur so durch die Luft wirbelten.

"Sie hat sich nur wieder mit einer Flasche Whiskey im Keller eingesperrt. Ich habe ihr gut zugeredet, doch sie hat die Tür nicht mehr geöffnet", sagte sie.

Die Minute des SoldatenWhere stories live. Discover now