Jonathan

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Teil 2:

Sein Weg führte Jonathan in ein schäbig riechendes Motel. Der Staub lagerte sich dick auf den Möbeln der Eingangshalle ab. Das Licht war schummrig. Jonathan ging auf den Tresen zu.

Der Besitzer der heruntergekommenen Herberge stellte sich als ein alter gebrechlicher Mann mit verfilztem, grauem Bart heraus. Seine trüben Augen musterten ihn misstrauisch, als sich Jonathan nach einem freien Zimmer erkundigte. Der Mann schien schon lange keine Kunden mehr zu erwarten. "Was wollen sie hier?" Jonathan lehnte sich an den hölzernen Tresen, konnte den Geruch nach verrottendem Laub aufnehmen.

"Ich möchte eines der Zimmer mieten.", sagte er.

"Sind sie auf der Durchreise?" Der Mann lehnte sich auf seinen Krückstock und legte seine Stirn in Falten.

"So zu sagen.", antwortete Jonathan. Mit alten, zittrigen Händen, legte der Mann einen Zimmerschlüssel auf den Tresen. "Es ist nur noch eines der kleinen Zimmer frei." Jonathan warf einen Blick auf das Schlüsselbrett hinter dem Mann, an dem zweifellos kein einziger Schlüssel fehlte.

"Das wird genügen."

Der Zimmerschlüssel klimperte in seiner Hand, als er die knarrenden Treppen hinaufstieg und sein Zimmer betrat. Schmutziges Licht fand seinen Weg durch die zerschlissenen Vorhänge. Nur ein schmales Bett und ein Schrank mit schiefen Türen befüllten den kleinen Raum.

Jonathan nahm seinen Mantel ab, um ihn in den Schrank zu hängen und setzte sich auf die harte Matratze. Mit klammen Fingern holte er ein schwarzes Etui aus seiner Hosentasche, klappte es auf und steckte sich eine der Zigaretten zwischen die trockenen Lippen. Der wohltuende Geruch von verbranntem Tabak erfüllte den Raum. Sein Körper entspannte sich, bei jedem Zug den Jonathan in seine Lungen sog. Hier würde er erstmal bleiben.

Jonathan war es gewohnt mit dem nötigsten zurechtzukommen. Die Geschäfte, die er in den dunklen Seitengassen, fern des Marktplatzes trieb, spielten ihm genug Geld in die Taschen um den Motelbesitzer zufriedenzustellen und ihm klarzumachen, dass ein mürrischer Untermieter besser war, als kein Untermieter.

Sobald, die Menschen die Lichter in ihren Wohnungen entzündeten und die spärlichen Straßenlaternen lange Schatten an die kahlen Wände der Häuser warfen, verließ Jonathan das baufällige Gebäude.

Mit aufgestelltem Kragen und den Händen tief in den Manteltaschen vergraben, überquerte er den verlassenen Platz. Auf der Fußmatte eines kleinen Pups klopfte er sich den Schnee von den Stiefeln. Lautes Stimmengewirr empfing ihn als er in den warm ausgeleuchteten Gastraum eintrat. Stickiger Dampf hatte sich unter den niedrigen Decken der Schenke angesammelt, hüllte seine Gäste in einen Geruch aus frisch gezapftem Bier und Zigarettenqualm. Jonathan näherte sich einem der schweren, dunklen Holztische. Er hörte das verheißungsvolle Klappern der Pokerchips. Eine Weile stand er dort, ohne bemerkt zu werden, sah den geschickten Händen beim Mischen der Karten zu.

Jonathan erkannte sie alle. Direkt vor ihm die breiten Schultern des Bankers, zumindest nannte er selbst sich so. Doch sie alle wussten, dass er in der Finanzkrise nach dem Krieg alles verloren hatte. Obwohl Jonathan sein Gesicht nicht sah, wusste er, dass seine Augen genervt über die Karten huschten. Er war kein guter Spieler. Rechts neben ihm saß ein kleiner, glatzköpfiger Mann, wie Jonathan selbst es einer war. Sein grünes Samtenes Jackett schimmerte im Kerzenlicht. Eine dicke Zigarre zwischen gelben Zähnen. Neben ihm ein Mann dessen Nachname Cortés lautete. Er war halb Kubaner, die Haut dunkel und trüb im schummrigen Licht. Doch es war der dunkelhaarige Blumenhändler, der seine Karten nun, mit überlegenem Grinsen auf den rosanen Lippen, auf den Tisch warf und zu Jonathan aufblickte. Ein Glas dunkler Likör stand vor ihm auf dem Tisch. "Wir haben Besuch.", rief er mit rauchiger Stimme aus. Die Runde drehte sich überrascht zu ihm um, als hätte Jonathan sie bei etwas erwischt. "Komm setz dich, alter Freund.", sagte Mister Bixby, der Blumenhändler. "Du hast eine famose Runde verpasst." Mit kurzen, gierigen Fingern schob er die Chips zu sich herüber.

Die Minute des SoldatenWhere stories live. Discover now