Chapter 15

1K 48 127
                                    

„Was ist los?", fragte ich ihn verwirrt und legte meinen Kopf leicht schief. Mark hatte sich noch immer nicht von der Stelle bewegt, doch meine Worte ließen ihn allem Anschein nach aus seinen Träumereien auftauchen. Er schüttelte kurz mit dem Kopf, als würde er seine Gedanken abschütteln und kam anschließend mit langsamen Schritten auf mich zu. Er ließ sich dicht neben mir auf der Bank nieder und blickte mir mit seinen blauen Augen besorgt entgegen, was mich nur noch mehr verwirrte.

„Es ist nichts. Aber wie gehts dir nach dem Abend? Du wirkst so aufgelöst", entgegnete er mir sanft. Seine Hand näherte sich meinem Gesicht und wischte mir vorsichtig über meine Wange. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass sich die Tränen aus meinen Augen gelöst hatten und über meine Wangen liefen.
Seine Sorge rührte mich und seine Berührung ließ mich lächeln.
„Ich weiß es nicht", gab ich ehrlich zu, „in meinem Kopf herrscht das reinste Chaos. Ich hab das Gefühl von den ganzen Gefühlen und Erinnerungen, die heute ausgelöst wurden, erschlagen zu werden."

„Ging mir genauso. Mir hat es geholfen, darüber zu reden. Du weißt, dass mir das immer sehr schwer fällt, aber ich habe mich danach viel besser gefühlt. Paddy hat mir an meinem Abend zugehört. Und wenn du möchtest, höre ich dir jetzt zu."
Marks Stimme war unglaublich sanft und ich konnte nicht anders, als auf sein Angebot einzugehen.
Als ich lächelnd nickte, breitete sich ein ein Grinsen auf seinem Gesicht aus und seine Augen begannen zu strahlen.
„Das ist gut. Soll ich noch eine Flasche Wein zur Verstärkung holen?", fragte er, woraufhin ich erneut nickte.

Er stand lächelnd auf und verschwand im Haus. Ich sah ihm nach und verspürte wieder dieses wohlige Gefühl in mir, das ich bisher nur von Max kannte. Ich war Mark so dankbar, dass er sich die Zeit nahm, für mich da zu sein und mir zuzuhören. Er hatte so ein gutes Herz, dass ich mich manchmal schlecht fühlte, da ich das Gefühl hatte, ihm nicht genug zurück geben zu können. Mark würde dies allerdings nie so sehen. Das war nicht seine Art.

Weiter darüber nachdenken konnte ich allerdings nicht, da er mit einer Flasche und zwei Weingläsern bewaffnet zurück auf die Terrasse trat und vorsichtig die Tür hinter sich zu zog. Wenige Sekunden später war er wieder bei mir angekommen, befühlte die Gläser mit dem Wein und reichte mir eins davon, welches ich dankend annahm. Er setzte sich wieder neben mich und blickte mich erwartungsvoll an. Ich nahm einen großen Schluck des Weines, bevor ich mich noch einmal tief ein und ausatmend sammelte, ehe ich meinen Gedanken freien Lauf ließ.

„Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Der Abend war so schön und ich hätte niemals gedacht, dass alles hier so intensiv wird. Ein paar Songs haben echt viel in mir ausgelöst. Versteh mich nicht falsch, alle waren auf ihre Weise so unglaublich gut und haben mich umgehauen. Aber es gibt nunmal Songs, die sind sehr persönlich. Ich habe sie geschrieben, weil ich nicht über das Thema reden wollte, sei es, weil ich es persönlich nicht konnte oder weil ich nicht wusste wie und mit wem. Ich glaube, das kennt jeder Künstler. Ich habe Erlebnisse, die mich in der Vergangenheit geprägt haben, in dieser Art verarbeitet. Zum Beispiel ist da Kaya. Ich habe schon lange nicht mehr so über sie nachgedacht wie heute. Moses Version hat wieder alle Erinnerungen an sie zurück gebracht, die ich verdrängt hatte. Ich habe ihren Tod wohl nie vollkommen verkraftet, das ist mir vorhin bewusst geworden."

Ich legte eine Pause ein, um mir die Tränen aus den Augen zu wischen, die nun wieder kaum aufzuhalten sind. Es tat so unglaublich gut, meine Gedanken laut auszusprechen und zu wissen, dass mir jemand zuhört. Mark hatte mich in meinem Redefluss nicht unterbrochen, wofür ich ihm sehr dankbar war. In seinem Blick lag Mitleid und Verständnis, aber auch diese vertraute Wärme hatten seine Augen nicht verloren. Mark rutschte, ohne ein Wort zu sagen, näher zu mir und legte einen Arm um meinen Körper, wodurch er mich sanft an sich ran zog. Intuitiv legte ich meinen Kopf auf seiner Schulter ab. Seine Nähe beruhigte mich und innerhalb weniger Sekunden hatte ich mich wieder gefangen und konnte fortfahren.

„Dazu kommt noch eine Sache, über die ich noch nie richtig mit jemandem gesprochen habe", begann ich mit zitternder Stimme, musste jedoch schlucken.
„Dein Vater?", fragte Mark leise, woraufhin ich nur Nicken konnte. Er hatte seinen Griff nicht gelöst, worüber ich auch sehr froh war. Ich brauchte seine Nähe jetzt mehr als alles andere.
„Ich hatte das Bedürfnis, dieses Lied zu schreiben und hier heute das erste Mal zu singen. Aber es fiel mir unglaublich schwer. Ich habe mein Leben lang gehofft, dass es eine Erklärung dafür gibt, dass er sich nie gemeldet hat und dass er doch Kontakt zu mir sucht. In den letzten Jahren habe ich die Hoffnung aufgeben und diesen Song geschrieben. Vielleicht hört er ihn ja und dann... ach ich weiß auch nicht, was ich mir davon erhofft habe. Er will sowieso nichts von mir wissen."

Unterbrach ich mich selbst. Die Verzweiflung und Enttäuschung war deutlich in meiner Stimme zuhören. Mark schien dies ebenfalls zu bemerke, da er mich fester an sich zog. Sekunden später spürte ich, wie er mir einen leichten Kuss auf meine Haare hauchte. Meine Arme legten sich nun auch um seinen Körper und krallten sich regelrecht an ihm fest.
„Egal, was passiert, ob er sich bei dir melden wird oder nicht, bitte bezeichne dich nicht mehr als Fehler. Das bist du nicht. Er weiß gar nicht, was für eine wundervolle Tochter er hat und was er verpasst", versicherte mir Mark mit ruhiger Stimme. Seine Hand strich mir behutsam über den Rücken und löste eine Gänsehaut aus, die sich über meinen gesamten Körper ausbreitete.

„Wie machst du das nur immer?", fragte ich Mark fasziniert und löste mich etwas, um ihm in die Augen zu blicken.
„Was meinst du?", stellte er verwirrt die Gegenfrage. Seine Augen funkelten mir entgegen und zogen mich in ihren Bann.
„Du schaffst es immer wieder, dass ich mich besser fühle. Wenn ich bei dir bin, kann es mir gar nicht schlecht gehen. Ich fühl mich so wohl bei dir, wie bei sonst niemanden. Ich kann mich fallen lassen, weil ich weiß, dass du mich auffängst und für mich da bist. Das war schon immer so, aber ich habe es in letzter Zeit erst richtig erkannt. Du machst mich glücklich und ich verstehe nicht, wie es so weit gekommen ist und was da gerade mit meinen Gefühlen passiert."

Die Worte sprudelten nur so aus mir heraus. Ich sprach unkontrolliert, dachte nicht über das nach, was ich da von mir gab. Doch jetzt realisierte ich, was ich getan hatte und sofort schoss mir die Hitze in die Wange. Mein Gesicht war wahrscheinlich vor Scham komplett rot angelaufen. Ich löste schnell meinen Blick von ihm und richtete ihn auf den Boden.
Dieser Gefühlsausbruch war mir mehr als unangenehm. Mark musste mich doch nun für verrückt halten. Wahrscheinlich hatte ich ihn damit endgültig verschreckt und er würde aufstehen und mich alleine hier sitzen lassen. Wahrscheinlich hatte ich mit meinen Worten alles zwischen uns verändert.

Ich wollte mich gerade bei ihm für meine Worte entschuldigen, da spürte ich seine Hand an meinem Kinn. Mark hob meinen Kopf leicht an und drehte ihn zurück in seine Richtung, wodurch er mich zwang, ihm erneut in die Augen zu blicken.
Sein Blick war so weich und warm, dass mein ganzer Körper zu kribbeln begann. Ich konnte meinen Blick nicht von seinen Augen lösen. Das lag zum einen daran, dass mich seine Hand, die nach wie vor an meinem Kinn verweilte, daran hinderte, meinen Kopf zu drehen, zum anderen lag es aber auch daran, dass mich sein intensiver Blick fesselte.

Sanft löste sich seine Hand und wanderte zu einer Haarsträhne, die er mir sanft aus dem Gesicht strich. Anschließend legte er seine Hand an meine Wange und mein Gesicht schmiegte sich automatisch gegen seine weiche Handfläche. In seinen Augen konnte ich einerseits sein Verlangen lodern sehen, andererseits lag in seinem liebevollen Blick auch so viel Zuneigung. Langsam näherte er sich meinem Gesicht.
Ich griff nach seiner freien Hand, die locker auf seinem Oberschenkel lag, um ihm zu signalisieren, dass ich seine Nähe ebenfalls wollte und vor allem brauchte.

Die Situation erinnerte mich stark an den Abend vor ein paar Tagen, als wir ebenfalls zusammen hier auf der Terrasse saßen und uns fast geküsst hatten. Allerdings hatte Mark zu diesem Zeitpunkt einen Rückzieher gemacht. Ich wusste nicht, ob er es bereute, doch als ich seinen Atem spürte, der auf meinen Lippen zu brennen schien, wünschte ich mir sehnlichst, dass er jetzt den Schritt gehen würde, den er beim letzten Mal nicht gegangen war.

What a plot twist you were Where stories live. Discover now