Chapter 14

979 47 98
                                    

Lena POV:

Kopfschüttelnd ließ ich mich auf der Terrasse nieder und starrte ziellos auf einen unbestimmten Punkt in der Ferne. Ich zog meine Beine an meinen Körper an und seufzte hörbar aus. Die Aufzeichnungen meines Abend waren bereits seit einigen Stunden vorbei. Wir hatten anschließend noch alle zusammen angestoßen und ein wenig miteinander geredet, ehe sich die Truppe nach und nach auflöste und für die Nacht verabschiedete.
Ich hatte die wenigen Stunden meines Abends sehr genossen. Es war wunderschön gewesen. Doch jetzt, wo ich alleine war, kamen alle Emotionen und Gedanken, die dieser Abend in mir ausgelöst hatte, zurück.

Zum einen war da Moses Version von Home, die meine Gedanken an Kaya wieder so präsent werden ließ, wie sie schon lange nicht mehr waren. Ihr Tod war nun schon so lange her und trotzdem vermisste ich sie sehr. Sie war so eine gute Seele und hatte ihr Schicksal nicht verdient. Es war einfach nicht gerecht, dass sie so früh von dieser Erde gehen musste. Als Moses seine Version des Liedes sang, hatte ich meine Tränen nicht mehr zurück halten können. Ich war Kaya auf einmal so nah, auch wenn der Schmerz ihres Verlustes zu diesem Zeitpunkt umso größer war. Es tat gut, Moses Version zu hören und ich fühlte mich so verstanden. Dafür war ich ihm unglaublich dankbar.

Ich hatte immer ein gutes Verhältnis zu Kayas Familie und auch nach ihrem Tod hatte ich den Kontakt nicht abgebrochen. Allerdings hatte ich sie lange nicht mehr gesehen, da mein Terminkalender dies in diesem Jahr noch nicht zugelassen hatte. Ich hatte allerdings beschlossen, mir, wenn ich wieder zurück in Berlin war, diese Zeit zu nehmen, um sie mit ihnen zu verbringen. Außerdem wollte ich Kayas Grab mal wieder besuchen. Dort kam mir ihr Tod immer so real vor, weshalb ich den Friedhof bisher nur sehr selten betreten hatte. Aber es es fühlt sich so an, als wäre der Zeitpunkt gekommen, Kaya dort zu besuchen. Es fühlte sich richtig an. Als wäre der passende Zeitpunkt gekommen.

Die Gedanken an Kaya hatten mir Tränen in die Augen getrieben. Diese vermehrten sich jedoch, als ich an einen weiteren Song von heute Abend dachte. Es war kein Song, den jemand aus der Truppe gesungen hatte. Es war das Lied, das ich heute zum ersten Mal vor anderen Menschen gesungen hatte. Es war das Lied an meinen Vater.
Ich war den anderen unglaublich dankbar, dass sie keine Fragen gestellt hatten. Über dieses Thema wollte und konnte ich nicht reden. Es verletzte mich. Ich konnte nicht verstehen, warum ein Vater keinen Kontakt zu seinem Kind haben wollte und weshalb er sich bis heute nicht bei mir gemeldet hatte.

Er hatte meine Mutter und mich damals verlassen, als ich zwei Jahre alt war. Ich habe keine Erinnerungen mehr an ihn. Wusste nicht warum er gegangen war. Es tat weh, dass er keinen Kontakt zu mir wollte, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte. Lange hatte ich mir selbst die Schuld für sein Verhalten gegeben. Ich dachte, ich wäre verantwortlich dafür, dass mein Vater uns verlassen und sich daraufhin nie wieder gemeldet hatte. Wahrscheinlich war das einzige, das er in mir sah, einen großen Fehler, den er in seiner Vergangenheit begangen hatte.

Ich hatte mir immer gewünscht, dass er insgeheim Stolz und Liebe für seine Tochter empfinden würde. Doch jedes Weihnachten, jeder Geburtstag, jedes erfolgreich abgeschlossene Schuljahr, an dem er sich nicht meldete, obwohl ich jedes Jahr aufs Neue auf seinen Anruf wartete, ließ meine Hoffnung schwinden. Nach meiner ESC-Zeit stieg diese Hoffnung wieder und ich wünschte mir so sehr, dass er auf mich aufmerksam werden würde. Doch es geschah nichts. Jahr für Jahr verging, ohne dass ich eine einzige Nachricht von ihm erhielt. Ich hatte die Hoffnung letztendlich verloren.
Mit diesem Lied wollte ich einen Schritt auf ihn zugehen. Ich wollte ihm zeigen, was er mich fühlen ließ. Vielleicht war es auch ein verzweifelter Hilfeschrei. Ein Ausdruck meiner Sehnsucht und ein Schrei nach seiner Liebe.

Bei dem Thema Liebe drehten sich meine Gedanken um ein anderes Lied, das ich heute gehört hatte. Ich hatte diesen Song etliche Male voller Freude und Gefühl auf meinen Konzerten gespielt und heute hatte ich ihn zum ersten Mal aus einer anderen Sicht erlebt. Ich hatte anders empfunden als sonst. Es lag nicht daran, dass Gentleman ihn gesungen hatte, da war ich mir sicher. Tilmann hatte ihn fantastisch umgeschrieben und seine Version war unglaublich. Die Tatsache, dass ich die Worte nicht mehr fühlte, waren verantwortlich dafür.

Der Song würde wohl immer ein Liebeslied bleiben, das ich für Max geschrieben hatte, doch war es nicht mehr der Song, der meine Gefühle für ihn beschrieb. Als ich das Lied geschrieben hatte, war ich bis über beide Ohren in Max verliebt gewesen. Es war zu einer Zeit, in der wir beide mehr als glücklich waren. Diese Zeiten haben sich geändert, dem war ich mir bewusst.
Auch, wenn Max mir reihenweise Nachrichten schrieb, in denen er beteuerte mich nach wie vor über alles zu lieben, hatte ich mir in den letzten Tagen eingestanden, dass ich dies nicht mehr tat. Ich hatte keine Liebe gespürt, als ich den Song hörte. Ich spürte keine Schmetterlinge mehr in meinem Inneren, wenn ich seinen Namen auf meinen Handybildschirm las oder an ihn dachte. Ich hatte dieses Gefühl der Liebe für ihn verloren.

Komplett hatte ich dieses Gefühl aber nicht verloren. Es tauchte nun an einer anderen Stelle auf. Eher gesagt, bei einer anderen Person. Mark.
Ich würde noch nicht so weit gehen wollen, zu sagen, dass ich mich in ihn verliebt hatte, doch hatten sich meine Gefühle für ihn verändert. Die letzten Tage war er ständig da gewesen, wenn es mir schlecht ging und vor allem, dass er in der Nacht nach seinem Abend bei mir geblieben war, bedeutete mir viel.
Es hatte sich so gut angefühlt, in seinem Arm zu liegen. Der Gedanke daran, wie mein Kopf auf seiner Brust gelegen und wie ich seinen Herzschlag unter mir gespürt hatte, ließ mich lächeln.

Auch der Gedanke an den gestrigen Morgen, als wir hier auf der Terrasse gesessen hatten und Mark meine Hand vorsichtig in seine genommen hatte, erfüllte mich mit Wärme. Diese Berührung hatte mir so unfassbar gut getan und ich hätte seine Hand am liebsten nicht mehr los gelassen.
Ich fühlte mich wohl bei ihm. Er gab mir ein Gefühl, das ich von Max schon lange nicht mehr erhalten hatte. Ich fühlte mich sicher und geborgen. Marks Umgang mit mir war vorsichtig und rücksichtsvoll, als hätte er Angst, dass er mich verschrecken würde.
Er zeigte mir, dass er bei mir war und das nicht nur körperlich, sonder auch mit seinen Gedanken. Mark war immer voll und ganz bei mir. Ich sah ihn mittlerweile nicht mehr nur als besten Freund. Mark war so viel mehr für mich.

Ich wusste nicht, wohin diese Gefühle noch führen würde, doch würde ich sie nicht unterdrücken. Ich genoss seine Nähe. Mark tat mir gut. Das hatte er mir auch heute Abend wieder bewiesen. Seine Version von Satellite hatte die Tränen wie ein Wasserfall aus mir heraus brechen lassen. Ich konnte sie nicht länger zurück halten. Es waren allerdings keine Tränen der Trauer, sondern Tränen der Rührung und der Freude. Seine Version war wunderschön. Er hatte so viele Gefühle in sich, während er sang, das hatte ich gespürt. Dass er dabei direkt vor mir saß, machte sie Situation nur noch intensiver.

Ich hätte ihn anschließend am liebsten nicht mehr losgelassen. Die Umarmung war so schön, jedoch viel zu kurz. Ich war Mark so dankbar, dass er diesen Song gesungen hatte und ich war ihm so dankbar, dass er bei mir war. Er hatte meine Erwartungen übertroffen und mich etwas fühlen lassen, das ich nicht für möglich gehalten hatte, bei diesem Song fühlen zu können.

„Krass, was so ein Abend mit einem macht, oder?", durchbrach eine Stimme schließlich meine Gedanken. Mein Kopf schnellte in die Richtung, aus der die Stimme kam. Ich hatte ihn natürlich sofort an seiner Stimme erkannt, jedoch nicht kommen hören. Als ich sah, wie er lässig an der Tür gelehnt stand, musste ich leicht lächeln. Mark schien nicht erst seit eben dort zu stehen und mich zu beobachten.

Ich nickte nur auf seine Frage und rückte auf der Bank ein Stück zu Seite, sodass er sich neben mich setzen konnte. Mark bewegte sich jedoch nicht von der Stelle. Sein Blick schien an mir festzuhängen, weshalb ich leicht neben mich auf die Bank klopfte, um ihm meinen Wunsch zu signalisieren, dass er sich zu mir setzen sollte. Ich wollte nicht mehr alleine mit meinen Gedanken und Gefühlen sein. Ich wollte ihn bei mir haben, jedoch schien er zu zögern.

What a plot twist you were Where stories live. Discover now