Kapitel 65

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Kapitel 65 :

„Was bringt dir das, wenn du weisst wer es ist?“, fragte ich ihn.
„Lass mich das meine Sorge sein, ich weiss schon was ich mit dem mache.“, sagte er nur.
„Ich hasse dich! Ich hasse dich so sehr! Fass meine Tochter an und du bist tot!“
Ich brüllte aufgebracht ins Handy, während Aida und Dilara mich nervös musterten.
„Es liegt an dir. Ich ruf dich in einer halben Stunde wieder an, solange darfst du überlegen.“
Und schon hatte er aufgelegt. Überlegen? Es würde gar nicht nötig sein zu entscheiden, wie sich schon bald raus stellen sollte.

Ich wartete und wartete, aber es kam kein Anruf von Armend. So langsam drohte ich völlig den Verstand zu verlieren! Ich wollte einfach nur mein Kind haben verdammt!
„Adelina, hör auf zu weinen.“
Aida hielt mir ein Glas Wasser hin, das ich kopfschüttelnd ablehnte.
Ich saß auf der Couch und wippte meinen müden und schmerzenden Körper hin und her. Träne über Träne liefen mir die Wangen herab und fanden kein Ende. 4 Jahre war Pause gewesen. 4 Jahre, in denen nichts passiert war und jetzt? Jetzt kam wieder alles Schlag auf Schlag, so wie damals. Mich wurde das Gefühl nicht los, dass es noch schlimmer werden würde, aber ich versuchte den Gedanken zu verdrängen. Eins war sicher, sollte ich all das heil überstehen, brauchte ich definitiv eine Therapie! So viel Leid und so viele Schicksalsschläge, verträgt keine Menschenseele! Dilaras Handy klingelte, ihre Mutter war dran. Sie sprach irgendwas auf Türkisch und von den Worten die ich aufschnappen konnte, ging es um Selim. Mich überkam auf einmal auch ein schlechtes Gewissen, da sowohl Dilara als auch Aida ihr Kind allein gelassen hatten.
„Wo ist Sanie?“, fragte ich Aida.
„Bei den Nachbarn. Keine Sorge, du kennst die doch.“, beruhigte sie mich.
„Es tut mir so leid, dass ihr wegen mir ..“
„Sus! (Sei still!)“, fiel mir Dilara ins Wort, die mittlerweile aufgelegt hatte.
„Wir wollen davon nichts hören, es ist selbstverständlich, dass wie bei dir sind!“
Schluchzend stand ich auf und schleppte meinen erschöpften Körper ins Schlafzimmer. Ich setzte mich an den Rand des Bettes und nahm Meras Teddy in die Hand. Langsam schloss ich meine Augen und sog den Geruch ein. Er roch nach Mera .. nach meinem Leben. Wenn ihr etwas passiert, würde ich mir das niemals verzeihen können. Niemals! Es war so leise in der Wohnung .. es fehlte ihr Lachen, ihre kleine quiekende Stimme .. einfach ihre Anwesenheit. Könnte ein Mensch so herzlos sein und einem Kind etwas antun? Ich hob meinen Kopf gen Himmel und betete. Das war das einzige, was mir nun blieb ..

Kurz vor Mitternacht hämmerte es plötzlich laut stark gegen die Tür. Trotz der Schmerzen, rannte ich förmlich hin und riss diese auf. Dardan stand vor mir, in der Hand hielt er Mera! Träumte ich? War das ein nur ein Traum, von dem ich gleich aufwachen würde? Ich kniete mich vor ihr auf den Boden und legte meine Hände auf ihre Wangen.
„Mam?“, flüsterte Mera und wischte mir die Tränen vom Gesicht.
Ich drückte sie an mich und strich ihr über die Haare. Mein Engel war wieder bei mir!
„T'du shum Mam. (Hab dich lieb Mami.)“
Sie schien verängstigt, was mir auch ihr zittern verriet. Ihre kleinen Ärmchen hatte sie um meinen Hals gelegt und ihr Griff hatte etwas klammerndes an sich. Mein Schatz hatte Angst!
„Alles ist gut mein Schatz, alles ist gut.“, gab ich schluchzend von mir.
„Lass uns rein Adelin, die kleine ist müde.“, meinte Dardan.
Aida und Dilara waren ebenfalls sehr erleichtert und umarmten Mera erst mal lange. Sie war noch so klein und verstand nicht was gerade vor sich ging. Aber ihre folgenden Worte, taten so weh!
„Ich mag nicht mehr zu Babi (Papa) gehen .. esht i keq! (er ist böse!)“
Sie machte einen Schmollmund und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Ka than mami nuk me don .. a me don bre mam ti? (Er hat gesagt Mami liebt dich nicht .. du liebst mich doch Mami?)“, sprach sie weiter.
„Vdes mami per ty! (Mami stirbt für dich!)“, versicherte ich ihr.
Noch einmal drückte ich sie fest an mich und küsste sie auf den Kopf. Nach dem sie einen Kakao getrunken hatte, den Aida ihr gemacht hatte, nahm ich sie an der Hand und führte sie ins Schlafzimmer. Während ich sie Bett fertig machte, musste ich mich stark zusammenreißen, nicht in Tränen auszubrechen. Ich war so glücklich und so erleichtert, aber trotz allem fühlte ich mich schlecht. Tausend Fragen gingen mir durch den Kopf und ich hoffte Dardan konnte mir die notwendigen Antworten liefern würde. Als ich Mera zudeckte, wollte sie mich nicht loslassen.
„Du und Tiki kommt auch.“, sagte sie leise.
Ich nahm ihren Teddy und gab ihn ihr.
„Mami kommt gleich. Ich muss mit Daja (Onkel) Dardan reden okay?“
Ich spürte, dass sie protestieren wollte, aber wahrscheinlich war sie müde dafür. Letztendlich nickte sie und drückte mich noch einmal. Ich strich ihr die Haare aus dem Gesicht und küsste sie auf die Stirn. Dann stand ich auf, knipste das Licht aus und schloss die Tür.

Als ich mich im Wohnzimmer auf die Couch fallen ließ, atmete ich mehrmals tief ein und aus. Es war so ein anstrengender Tag, voller Kummer und Angst gewesen, der dann doch noch gut ausgegangen war. Das dachte ich zumindest. Wisst ihr, immer wenn man denkt, jetzt ist alles gut, passiert wieder irgendwas. So war es bei mir bislang jedes mal gewesen und auch heute, sollte mir das Schicksal eine Strich durch die Rechnung machen.
„Wo habt ihr sie gefunden?“, fragte ich Dardan schließlich.
„Er war bei einem Kumpel, Leo hat ihn gefunden.“, gab er zurück.
Ich war so sehr damit beschäftigt mich um Mera zu kümmern, dass ich vollkommen vergaß nach Egzon und Leo zu fragen. Als ich in Dardans besorgtes Gesicht sah, überkam mich ein ungutes Gefühl.
„Und dann?“, fragte ich vorsichtig.
„Weiss ich nicht ..“
„Wie du weisst nicht?!“
„Ich hab Mera genommen und bin abgehauen, Egzon und Leo hatten das zu mir gesagt.“
„Wieso hast du sie allein gelassen?“, brüllte Aida auf einmal.
Dilara war mittlerweile nach Hause gefahren. Aida griff sofort nach ihrem Handy und wählte eine Nummer. Ich saß regungslos und geschockt da und starrte wie gebannt auf Aida. Sie fing plötzlich an zu weinen, als niemand ran ging.
„Ist ihnen .. ist .. oh allah bitte nicht ..“, schluchzte sie.
Ich stand schwankend auf und ging auf Dardan zu.
„War er .. bewaffnet?“, fragte ich leise.
„Ich weiss es nicht Adelina ..“, erwiderte er und zuckte mit den Schultern.
Aufgebracht packte ich ihn am Kragen und rüttelte an ihn.
„Das kann nicht dein ernst sein!“, schrie ich ihn an.
Er griff nach meinen Handgelenken und sah mich entschuldigend an.
„Es tut mir leid! Ich hab nur das gemacht, was mir gesagt wurde. Macht euch bitte keine Sorgen, den beiden wird es schon gut gehen. Die rufen sicher gleich an.“, versuchte er uns zu beruhigen.
Wie auf Stichwort klingelte mein Handy. Es war Egzon, sofort ging ich ran.
„Egzon! Wo bist du?“, fragte ich aufgeregt.
„Wir sind im Krankenhaus.“, antwortete er.
„Krankenhaus?!“, gab ich erstickt von mir.
Es war, als ob jemand seine Hände um meinen Hals gedrückt hatte und mir die Luft zum Atmen nahm. Mir gingen gerade alle möglichen Szenarien durch den Kopf.
„Geht es dir gut?“, fragte ich mit bebender Stimme.
„Ja, ich hab eine kleine Stichwunde am Bein, halb so schlimm, aber ..“
Er hörte auf zu reden und Aidas lautes Schluchzen, drohte mich völlig um den Verstand zu bringen.
„Aber?“, wollte ich wissen.
„Leo, er .. es kam zu einem großen Streit und Leo hat alles ausgepackt und dann ist Armend ausgerastet .. am besten ihr kommt ins Krankenhaus.“, antwortete er.
„Aber es geht ihm doch gut Egzon? Sag mir, dass es ihm gut geht!“, fing ich leise an zu weinen.
„Fahrt los, ich warte hier.“, gab er nur zurück.
Bevor ich noch was sagen konnte, hatte er schon aufgelegt. Ein paar Sekunden stand ich wie angewurzelt da und versuchte das alles gerade zu realisieren. Langsam nahm ich das Handy von meinem Ohr. Das durfte nicht wahr sein! Bitte!
„Adelina sag was!“
Aidas laute Stimme riss mich aus meinen Gedanken. Verwirrt sah ich sie an, als sie kräftig an meinen Armen rüttelte.
„Reiß dich zusammen moter!“, schrie sie mich an.
Ihr Gesicht war tränen überströmt, aber ihre Augen strahlten Entschlossenheit aus. Sie hatte Recht, das war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt um die Fassung zu verlieren. Ich erklärte Aida kurz was Sache war, wischte mir die Tränen vom Gesicht und wandte mich dann Dardan zu.
„Gib deine Autoschlüssel.“, verlangte ich.
„Ich fahr euch!“, antwortete er.
„Nein Dardan .. du bleibst bei Mera.“
Ich näherte mich ihm und nahm sein Gesicht in meine Hände.
„Amanet po ta lo .. pass auf sie auf! Bitte ..“
Ohne zu zögern nickte er und reichte mir dann seine Schlüssel.
„Keine Sorge.“, sagte er.
Kurz darauf verließen Aida und ich die Wohnung und machte uns auf den Weg...

Mir ging es richtig beschissen. Wirklich, es war so ein harter Tag, der einfach kein Ende fand. Die Schläge heute Vormittag hatte ich ja gerade so noch weggesteckt. Obwohl ich körperliche Schmerzen hatte, ließ ich mir nichts anmerken und fuhr ziemlich schnell. Diese Stundenlange Ungewissheit wegen Mera, hatte mir stark zu gesetzt. Die Erleichterung war groß, nachdem ich sie wieder in meinen Armen hatte. Aber nun .. nun musste ich mir Sorgen um Leo machen. Musste ich das? Während ich mit Aida das Krankenhaus betrat, wurde der Druck immer großer und großer. In mir drinnen drohte alles zu explodieren, ich hatte keine Kraft mehr! Egzon kam uns humpelnd entgegen, Aida fiel ihm sofort um den Hals.
„Shyqyr prej Allahut je mir! (Gott sei dank, geht es dir gut!)“, sagte sie weinend.
„Mir geht es gut. Aber Leo .. er hat drei Messerstiche in den Bauch gekriegt. Die Ärzte meinten, wichtige Organe wurden verletzt. Er ist gerade im OP Saal.“
Seine Worte hallten in meinem Kopf wieder, erschöpft ließ ich mich auf die Knie fallen und schluchzte laut auf .. war das etwas das Ende?

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