Kapitel 53

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Kapitel 53 : 




Wie in Trance starrte ich aus dem Autofenster und Egzons Worte hallten in meinem Kopf wieder. 
„Aida hat eine Frühgeburt und keine Ahnung... Ich hab so Angst … das Baby ..“ 
Mehr hatte ich nicht gehört, denn ich stürmte schon aus der Wohnung. Frühgeburt .. Ich hatte es irgendwie geschafft, mir ein Taxi zu rufen. Jetzt saß ich hier und betete zu Gott, dass es den beiden gut geht. Aida und dem Baby. Ich wollte gar nicht an was anderes denken. Es muss den beiden gut gehen... 
„Wir sind da.“
Die Stimme des Taxifahrers riss mich aus meinen Gedanken. Ich kramte in meiner Tasche nach Geld und reichte es ihm. 
„Der Rest ist für sie.“, sagte ich leise und stieg dann aus. 
Mit schnellen Schritten lief ich ins Krankenhaus und fragte sofort am Empfang nach. 
„Aida Shabani bitte ..“ 
Meine Stimme war leise, meine Lippen bebten. Mein Atem beschleunigte sich, während die Frau eine gefühlte Ewigkeit auf ihren Computer starrte. 
„Zimmer 311, dritter Stock.“, sagte sie endlich. 
Mit zittrigen Beinen ging ich zum Aufzug. Als ich endlich oben war, sah ich Egzon im Flur stehen. Er lehnte mit dem Rücken zur Wand, die Arme hatte er vor der Brust verschränkt, sein Blick war auf die Decke gerichtet. Sein Anblick tat mir in der Seele weh .. 
„Egzon...“, rief ich leise und ging langsam auf ihn zu. 
„Adelina!“ 
Erleichtert fiel er mir um den Hals und umarmte mich fest. 
„Geht es dem Baby ..“
„Ja. .. Der kleinen geht es ganz gut, meinte der Arzt. Bloß die haben sie in so ein Teil gesteckt und so viele Kabeln .. oh Gott.“, stieß er mühevoll hervor. 
„Mos u ba merak. (Mach dir keine Sorgen.) Der Inkubator tut ihr gut, sie ist noch klein ..“
Erleichtert atmete ich aus und nahm Egzon nochmal in den Arm. Behutsam strich ich ihn über den Rücken und sprach beruhigenden Worte auf ihn. 
„Aber Aida ..“, sagte er auf einmal. 
Ich hielt inne und löste mich langsam von ihm. 
„Was ist mit ihr? Wo ist sie?“, fragte ich vorsichtig. 
„Die liegt hier im Zimmer .. aber ist noch sehr schwach und .. und sie hört nicht auf zu weinen Adelina. Die glaubt mir nicht, dass es der Kleinen gut geht.“, meinte er verzweifelt. 
Ich wischte mir die Träne vom Gesicht, die mir über die Wange gelaufen war und klopfte leise an der Tür. Ohne auf eine Antwort zu warten, trat ich leise ein und sah Aida liegen. Sie lag auf Rücken und schluchzte leise vor sich hin. 
„Aida ..“, flüsterte ich. 
Sie sah schniefend zur Seite und fing noch heftiger an zu weinen. 
„Aida mos .. (Aida hör auf .. )“, flehte ich und nahm ihre Hand. 
„Ich will mein Baby Adelina, ich will mein Baby sehen. Es geht ihr nicht gut, sie ist doch noch so klein .. sie braucht mich.“, weinte sie. 
Ihre Worte taten mir im Herzen weh. Was muss das für ein schlimmes Gefühl für sie sein ..
„Es geht ihr gut Aida! Sie wird es schaffen, die Kleine ist stark, a po nin? (hörst du?)“
Ich legte meine Hand an ihre Wange und wischte ihr die Tränen weg. 
„Ich sterbe für sie .. ich will mein Baby.“, sagte sie weinend. 
„Pusho pak (Ruh dich ein bisschen aus), ich geh jetzt und schau nach ihr okay?“
Mit gefüllten Augen drückte ich ihr einen Kuss auf die Stirn. 
„Aber du musst aufhören zu weinen .. bitte!“, flehte ich... 




Zusammen mit Egzon betrat ich das Zimmer, in dem die Kleine war. So viele Schläuche und tickende Geräusche .. Eine Krankenschwester sagte irgendwas, aber ich war nicht in der Lage zu zu hören. Mein Blick fixierten den Brutkasten, in dem sie lag .. langsam näherte ich mich. Mein Herz zog sich zusammen. Wie sie dort auf dem Bauch lag und ganz schwach atmete. Dieses kleine Unschuldige Wesen .. ihre Hand war so klein und die Finger. Mir liefen lautlos die Tränen und nur mit Mühe schaffte ich es, nicht laut los zu schluchzen. Ich tat meine Hand in die Öffnung und strich ihr ganz vorsichtig über die kleine Hand. Sanie .. mein kleiner Goldschatz. 
„Wir müssen jetzt raus.“
Ich hob meinen Kopf und sah in Egzons Gesicht. Er lächelte mich tapfer an, aber die Tränen in seinen Augen sprachen eine andere Sprache. Er machte sich Sorgen ..
„Es wird alles gut, du wirst sehen.“, sagte ich aufmunternd... 
Ganz unbewusst fuhr meine Hand zu meinem Bauch und hielt dort inne .. 




Nach einer guten Woche, dürfte Sanie endlich den Inkubator verlassen und wechselte auf ein Wärmebett. Wir waren alle froh und erleichtert, da sie so langsam aber sicher zu Kräften kam. Papa war nicht ein mal gekommen, besoff sich stattdessen Tag ein Tag aus. Trotz der ganzen Sorgen, ging mir Leo nicht aus dem Kopf. Niemand hatte was von ihm gehört. Er war einfach weg! Ob ihm wohl was passiert ist? Kopfschüttelnd verdrängte ich den Gedanken und widmete mich wieder den Kaffees zu. Ich stand in der Küche, während Armend, Violeta und Jehona im Wohnzimmer waren. Keine Ahnung was Armend sich dabei gedacht hatte. Heute Morgen meinte er einfach zu mir, dass sie zu Besuch kommt. 
„Die Arme ist voll traurig, die braucht Ablenkung.“, hatte er gesagt. 
Klar .. und ausgerechnet ich sollte sie Ablenken .. welch ein Spaß. Ironie off. Aber ja .. irgendwie tat sie mir schon leid. Was sie grade durchmachte war meine Schuld, so traurig es war .. es stimmte. Mein Gewissen plagte mich .. Armend, Jehona, Leo .. ja sogar Lulu. Hätte ich geredet würde niemand von uns in dieser Situation stecken. Aber nun war es zu spät. Ich war dumm und naiv. Das war Fakt. Aber ich konnte das Mama damals nicht antun .. sie hatte an erster Stelle gestanden. Jeden Abend .. jeden Abend versuchte ich den Gedanken an Leo zu verdrängen. Er hatte mich verlassen. Jetzt war es an der Zeit ihn zu vergessen .. Aber je mehr ich es versuchte, desto schlimmer wurde die Sehnsucht... Ich legte die fertigen Kaffees auf das Tablett und ging langsam ins Wohnzimmer. Jehona wischte sich grade die Tränen weg. Selbst mit ihren rot umrandeten Augen sah sie gut aus .. 
„Irgendwie ist es meine Schuld.“, sagte sie auf einmal. 
Sie schniefte ins Taschentuch und nahm tief Luft. 
„Was redest du da? Der Junge ist ein Idiot!“, meinte Armend. 
„Nein .. nein Leo ist ein toller Mensch.“
Ich hob meinen Kopf und sah ins lächelnde Gesicht von Jehona. 
„Leo war ein guter Mann. Er hat sich Mühe gegeben mich glücklich zu machen, das weiss ich ganz genau. Ich hab es gespürt .. aber .. aber seine Gedanken galten nicht mir. Er war immer bei einer anderen. Sein Herz gehörte einer anderen ..“
Die Schmerzen, die sich gerade in mir ausbreiteten waren Horror. Ich wollte schreien, aber konnte es nicht. Ich spürte schon die Tränen die über meine Wangen rollten. 
„Er hat mir so oft gesagt, dass er mich nicht liebt. So oft .. seine Eltern hatten ihn unter Druck gesetzt. Es war mein Fehler, dass ich ihn trotzdem heiraten wollte.“, sprach Jehona weiter. 
„Wieso weinst du Nuse?“, fragte Violeta auf einmal. 
Armend legte einen Arm um mich und strich mir über den Rücken. 
„Sie ist schwanger, da weint man doch immer so leicht.“, antwortete er für mich. 
Ich nickte zustimmend und wischte mir schnell die Tränen weg. Schwankend stand ich auf und nahm mir ein Taschentuch aus dem Schrank. 
„Heirate niemals jemanden, der dich nicht liebt. Das ist ein großer Fehler, wie ihr seht. Früher oder später wird es schief laufen.“
Ich drehte mich um und sah zu Jehona. Sie trank gerade einen Schluck Wasser. Meine Augen wanderten zu Armend, dem es bei diesen Worten wohl die Sprache verschlagen hatte. Als unsere Blicke sich trafen, sah er sofort wieder an mir vorbei. Feigling .. 




Ich starrte auf die Karte von der Klinik, in der Lule ihr Baby abgetrieben hatte. Unbewusst hatte ich sie damals in meinem Geldbeutel verstaut, dass ich sie jemals brauchen würde wusste ich damals noch nicht. Den Termin hatte ich schon vor über zwei Wochen gemacht und langsam wurde es knapp. Ich hatte nicht mehr viel Zeit .. Armend war auf der Arbeit. Ich zog mich um und rief mir ein Taxi. Mein Herz hämmerte jetzt schon wie verrückt. Ich hatte Angst .. und .. ich weiss nicht. Dieses Gefühl in mir, ließ sich nicht beschreiben. Ich war hin und her gerissen. Aber eines wusste ich, wenn ich Armend loswerden wollte, dann musste das Kind daran glauben .. mein Kind... 




Unruhig saß ich im Wartezimmer. Meine Tasche lag auf meinem Schoß und nervös spielte ich mit meinen Fingern. Leo hatte sich nicht gemeldet. Weder bei mir, noch bei sonst jemanden. In meinem Hals bildete sich ein Kloß, der mich fast ersticken ließ! Ich wollte nicht an ihn denken. Ich wollte das ganze beenden, aber sagt mir, wie sollte das gehen, wenn mein Herz und mein Verstand nach seinen Namen schrien? 
'Herzlichen Glückwunsch Frau Hoti, sie sind schwanger.'
Dieser Satz vom Arzt spielte sich immer wieder in meinem Gehirn ab. Wie eine kaputte Kassette. Dieser Satz hatte mein Leben endgültig zerstört und dafür gesorgt, dass meine Träume sich in Luft auflösten. Ich legte eine Hand auf meinen Bauch und schloss die Augen. Es hatte keine Schuld. Nein, es trug keine Schuld. Mein Herz blutete. Mein Verstand hatte aufgehört zu arbeiten. Innerlich war ich leer und kraftlos. Aber ich musste da durch... Eine Schwester kam ins Wartezimmer. 
„Frau Hoti?“ 
Wie versteinert saß ich da und rührte mich nicht. 
„Frau Hoti?“, fragte sie nochmal. 
Ein letztes mal schloss ich meine Augen und atmete tief ein und aus …

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