Lost Souls

❧ Kapitel 44

Anspannung.

Dieses Wort würde ich benutzen, wenn ich die Situation im Moment beschreiben müsste. Zum Teil, da Gray gleich das Referat halten muss und ich mich frage, was zum Teufel er erzählen wird und zum anderen Teil, weil das Verhältnis zwischen uns vor Spannung fast platzt.

Ich habe keine Ahnung, wo ich bei ihm stehe, aber er hat gestern gesagt, das ich ihm gehöre... bevor er den armen Typen verprügelt hat.

Ich hoffe einfach, das es ein gutes Zeichen war und ihm immer noch etwas an mir liegt. Das ich ihn immer noch liebe, habe ich deutlich zu Ausdruck gestellt, als ich meine Lippen auf seine gedrückt und wie einen Klammeraffen umarmt habe. Mal wieder keine Glanzstunde von mir, doch er musste einfach wissen, wie sehr ich ihn noch liebe.

„Danke Jayden und Liam, dass war... nett." versucht der Lehrer ein höfliches Wort zu finden. „Grayson, du bist dran."

Verwundert sehe ich ihn an, da er weder einen Zettel, noch eine Präsentation bei sich trägt.

„Viel Glück."

Er erwidert meinen Blick und lächelt leicht. „Danke."

Er hat gelächelt. Ich sehe das als gutes Zeichen. Wenn ich schon so verzweifelt bin, kann ich mich ihm auch gleich vor die Füße werfen und ihn vor der ganzen Schule anflehen mich zurückzunehmen. Der Kerl macht mich verrückt.

„Als ich das Thema zugeteilt bekommen habe, hatte ich keinen blassen Schimmer, was ich damit anfangen soll. Bis vor kurzem war Liebe noch ein Fremdwort für mich und ich dachte mir, wie dumm die Menschen nur sein können und sich sowieso nur gegenseitig verletzen. Beziehungen halten nicht für die Ewigkeit und werden durch Lügen, Vertrauensbruch oder Fremdgehen kaputt gemacht, also war ich so schlau und habe mir den ganzen Mist erspart. Wieso sollte ich mich freiwillig verletzen lassen? Eine richtige Liebe findet man meiner Meinung nach nur in Büchern, aber in der echten Welt nicht, weil sie einfach viel zu verkorkst ist und die Menschen einfach Arschlöcher geworden sind. Deshalb habe ich mich auch mit dem Thema nie auseinandergesetzt, da ich mich nie verlieben werde und das sich auch nicht ändern wird." fängt Gray an als er vorne steht und sich an eine Tischkante lehnt.

Seine Worte bringen mein Herz zum bluten und lässt meine Farbe aus dem Gesicht weichen. Wieso hat er die Präsentation umgeschmissen? Wir hatten doch schon ein bisschen daran gearbeitet. Ist das eine Bestrafung an mich? Will er mir damit ausdrücken, das ich keine Chance mehr habe? Denn wenn ja, würde ich sonst am liebsten direkt das Klassenzimmer verlassen.

Kurz treffen seine Augen meine, bevor er sich räuspert und nervös lacht. „Naja, dass war meine Einstellung, bis ich dann an einen Tag alles darüber infrage gestellt habe. So einen Scheiß mit Liebe auf den ersten Blick und Seelenverwandte, habe ich nie geglaubt, aber als ich ihr in die Augen gesehen habe, hat sich mein Herz das erste Mal seit langem entschieden wieder jemanden hineinzulassen. Da ich mich natürlich nicht wie der letzte Idiot benehmen wollte, habe ich es erstmal mit einer Freundschaft versucht, was auch am Anfang gut geklappt hat, aber als ich dann meine Gefühle nicht mehr unterdrücken konnte, musste ich einfach den nächsten Schritt machen. Als sie dann auch noch meinen Kuss erwidert hat, hätte ich fast wie ein kleiner Junge geheult. In diesem Moment habe ich verstanden, warum Menschen eine Beziehung eingehen und das Risiko verletzt zu werden, weil die Person es schlicht und einfach wert ist und man lieber verletzt werden will, als es nicht einmal probiert zu haben. Wir haben uns zwar oft gestritten und uns Anschuldigungen an den Kopf geworfen, doch nicht einmal der größte Streit hätte uns auseinander bringen können, da wir uns bedingungslos geliebt haben, mit allen Macken und Fehlern des anderen. Es war ein so unglaubliches Gefühl, zu wissen, das da immer eine Person an deiner Seite ist und dich unterstützt in allem was du tust und dich niemals verlassen wird. Nach einer langen Zeit war ich endlich wieder glücklich, dafür kann ich ihr niemals genug danken. Aber irgendwann kam dann auch die Schattenseite einer Beziehung und hat uns auf die Probe gestellt, durch ein paar Probleme die ich selbst zu verdanken habe. Ab da war dann nichts mehr gut."