❧ Kapitel 14

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Das kann doch alles nur ein schlimmer Albtraum sein. Aber dieser hält schon seit achtzehn Jahren an, also schätze ich, ist es mein Leben und heute ist meine Abrechnung. Wieso habe ich ausgerechnet so ein Leben verdient? Was habe ich jemals falsch gemacht? Diese Fragen stelle ich mir jeden Tag, aber ich bekomme nie eine Antwort zurück.

Ich habe immer so sehr gehofft, das mein Leben die Kurve bekommt und alles in Ordnung wird, doch die Hoffnung habe ich heute definitiv verloren. Meine Mutter hatte nicht gespaßt und meinte es ernst, das ich heute ausziehen soll und ich halte mich aus Stolz daran, weil ich versprochen hatte, das ich heute weg bin. Aber wohin?

In schleppenden Schritten hole ich eine große Sporttasche und stopfe wütend mein Kissen hinein. Am besten sollte ich nicht zu viel mitnehmen, denn sonst muss ich alles mit mir herumtragen, denke ich mir.

Aus meinem Kleiderschrank hole ich eine dünne Decke und werfe sie ebenfalls in die Tasche. Einige Kleidungsstücke, ein paar meiner Lieblingsbücher und ein paar Hygieneartikel wandern ebenfalls in die Tasche und schon bin ich fertig.

Meinen dicken Pullover ziehe ich mir über den Kopf und kuschele mich an ihn, stillhoffend das er mich heute Nacht wärmen wird. In die eine Hand nehme ich mein ganzes Hab und Gut und in die andere meine Schultasche mit meinen ganzen Schulsachen.

Langsam mache ich mich auf den Weg nach unten und sehe schon meine Familie auf mich warten oder ab heute fremde Leute von denen ich nie das Gefühl hatte dazuzugehören oder ein Teil der Familie zu sein.

„Ich hoffe du hast alles, denn den Rest schmeiße ich in den Müll. Ich werde dich so sehr vermissen, schick mir doch eine Postkarte, ja?" Allie wischt sich eine imaginäre Träne weg und versucht sich ein Grinsen zu verkneifen.

Irgendwann mache ich dich fertig... irgendwann.

Mein Blick gleitet zu meiner Erzeugerin oder eine Frau die ihr Kind gerne schlägt. Kommt auf das selbe heraus. Sie sieht mich nur emotionslos an, ohne Reue. Sie hat überhaupt keine Bedenken ihr eigenes Kind mit nichts vor die Tür zu setzen. Was sie sich wohl dachte Mutter zu werden? Eine Schande.

Als letztes blicke ich meinen Vater an und bei ihm sehe ich wirkliche Bedenken, Traurigkeit und Angst. Ich verdrehe nur meine Augen und gehe zur Haustür um mich anzuziehen. Wenn er wirklich so besorgt ist, hätte er das nie zugelassen und mich davor beschützt, aber er hat es einfach hingenommen. Was ich doch für eine tolle Familie habe!

Ich drücke die Türklinke nach unten und wollte schnell gehen, doch eine Hand an meinem Handgelenk lässt mich inne halten.

„Brooke, es tut mir so leid. I-ich hätte das alles nicht zulassen dürfen. Du bist doch meine kleine Prinzessin und wir müssten jetzt eigentlich einen Kuchen essen." Er seufzt traurig. „Alles Gute zum Geburtstag." stammelt mein Vater beschämt.

Ich lasse nur ein ersticktes Lachen aus meiner Kehle. „Denkst du ich mache das hier gerne? Du hättest mich davor bewahren sollen, verdammt du bist mein Vater! Wie konntest du mir nur so fremd werden? Ich schäme mich für dich und den Rest unserer wunderbaren Familie. Du warst einmal mein Vorbild und ich habe immer zu dir aufgesehen, aber jetzt kann ich dich einfach nur noch verspotten. Ich hoffe wir werden uns nie wieder sehen."

Er wollte darauf etwas erwidern, aber ich bin schon aus der Tür und laufe so lange, bis ich um eine Ecke biege und dort zum Stehen komme. Tja und jetzt? Ich habe ein paar Hundert Dollar auf meinem Konto, aber die sollte ich nicht für eine Unterkunft verschwenden.

Wie gerne ich jetzt zu Grayson gehen würde. Er würde sagen, ich soll mir nicht so viele Gedanken machen und wir kriegen das zusammen hin und dabei nimmt er mich in den Arm. Aber wie könnte ich ihm so eine Last aufsetzen, wenn wir nicht mehr zusammen sind, schließlich habe ich Schluss gemacht.

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