Kapitel 38

15K 1K 108
                                    

Harry:


Wer ist Harrys mysteriöse Freundin? Genervt griff nach der Zeitung, deren Schlagzeile mir über den Tisch hinweg ins Augen sprang, und zerriss sie in kleine Fetzen. Seit nun schon mehreren Wochen schien die Presse kein interessanteres Thema als meine Beziehung zu finden. Wenn mir die ganze Sache nicht so ungeheuer auf die Nerven gehen würde, würde ich mich vermutlich über die immer absurder werdenden Gerüchte und Theorien amüsieren. Aber die Tatsache, dass Anna nicht einmal wusste, dass fast jeden Tag etwas über sie in der Zeitung stand, nahm der Situation irgendwie ihren Humor. Es war mir immer noch ein Rätsel, wie sie ein normales Leben führen konnte, aber trotzdem nichts von dem Klatsch und Tratsch über Prominente mitbekam.  Es schien sie tatsächlich so wenig zu interessieren, dass sie sich Artikel dieser Art nicht einmal anschaute. Das war die einzige logische Erklärung, warum sie mein Gesicht noch nicht in der Zeitung gesehen und mich zur Rede gestellt hatte.

Seufzend fegte ich die Zeitungsfetzen mit dem Arm vom Tisch und kippte mir den letzten Rest Kaffee herunter. „Ich hoffe für dich, dass du vorhast, das nachher aufzuräumen", meinte Louis neben mir mit hochgezogenen Augenbrauen und deutet auf die Papierschnipsel. „Mmhhm", antwortete ich und schob sie mit dem Fuß unauffällig noch ein wenig tiefer unter den Tisch. Louis verdrehte die Augen, drängte aber überraschenderweise nicht weiter. Stattdessen schob er seinen Teller ein wenig von sich weg und schaute mich mit einem Ausdruck im Gesicht an, der mir nur allzu bekannt war und der niemals etwas Gutes bedeutete. „Was ist es diesmal?", fragte ich, beinahe resignierend. „Meine Laune ist sowieso schon im Keller." Louis bedachte mich mit einem mitleidigen Blick.

„Wir hatten gestern ein kurzes Meeting, während du mit Anna unterwegs warst.." Mein Blick musste meine Gedanken deutlich widergespiegelt haben, denn Louis hob abwehrend die Hände. „Ich wollte dir Bescheid sagen, ehrlich! Aber Jane meinte, dass es wichtiger ist gute Paparazzi Fotos von dir und Anna zu machen, als dich beim Meeting dabei zu haben. Außerdem ging es nur um relativ unwichtige Dinge..."

Ich nickte und bedeutete ihm weiter zu sprechen, bevor ich wohlmöglich noch irgendetwas sagte, dass ich später bereuen würde.

Louis zögerte einen Moment und mir war klar, dass die eigentlichen Neuigkeiten erst noch kommen würden. „Es ging vor allem um die Flüge während unserer Tour. Jane und Eric haben beschlossen, dass wir auf verschiedene Flugzeuge aufgeteilt werden; Angeblich aus Sicherheitsgründen." Er lachte. „Allerdings glaube ich eher, dass sie Angst haben, dass wir zu viel Mist bauen, wenn wir fünf für so lange Zeit in so einem kleinen Raum aufeinander hocken."

Ich blieb stumm und schaute Louis abwartend an. Dieser rutschte unwohl auf seinem Stuhl hin und her. „Die bist für den Transatlantik Flug in die USA mit Liam eingeteilt worden." Beinahe wäre mir der Kaffee wieder hochgekommen. „Die Aufteilungen wurden gelost", fügte Louis leise hinzu, als würde das irgendetwas ändern.

Ich starrte auf die Tischplatte vor mir und versuchte die Kontrolle zu bewahren.  „Was hat Liam dazu gesagt?", fragte ich schließlich nachdem ich meiner Stimme weit genug traute um normal zu klingen. Louis verzog das Gesicht. „Er war noch weniger davon begeistert als du. Du hättest mal sein Gesicht sehen sollen. Nachdem das Meeting vorbei war, hat er noch ziemlich lange auf Jane und Eric eingeredet. Als das nichts gebracht hat, hat er angefangen die ganze Einrichtung auseinander zu nehmen. Ich habe ihn noch nie so aufgebracht erlebt! Jane war daraufhin richtig sauer und hat uns alle aus dem Gebäude geschmissen."

„Er hasst mich", stellte ich nüchtern fest.

Louis schüttelte den Kopf. „Er braucht einfach nur ein bisschen Zeit. Vielleicht wird euch der lange Flug zusammen sogar gut tun, weil ihr dann endlich einmal Zeit habt in Ruhe mit einander zu reden. Ihr werdet das schon wieder hinkriegen." Er schmunzelte. „Wir sind noch nie dem typischen Boyband Muster gefolgt, oder? Also wird One Direction auch nicht an so etwas klischeehaftem wie einem Mädchen zerbrechen." Er schaute mir fest in die Augen und ich kannte ihn gut genug um zu wissen, dass er bedingungslos an seine eigene Worte glaubte. Also nickte ich und hoffte, dass er Recht hatte.



„Cookie Dough ist einfach die beste Geschmackssorte. Wer auch immer auf die Idee gekommen ist rohen Teig in ein Eis zu tun, sollte einen Preis dafür bekommen!", stellte Anna mit ernster Miene fest und leckte dann glücklich an ihrem Eis. Es war das erste Mal im Jahr, dass es richtig warm war, was Anna und ich gleich dazu genutzt hatten in den Park zu gehen. „Zufällig" hatte es uns in den abgelegensten Teil verschlagen, wo sich außer uns kaum Menschen befanden und wir uns daher ungestört bewegen konnten. Jetzt in der Mittagszeit war es sogar so warm, dass wir uns in den Schatten unter ein paar Bäume gesetzt hatten und uns dort mit einem Eis abkühlten.

Anna lehnte mit dem Rücken an einem Stamm während ihre langen, schlanken Beine über meinem Schoß lagen. Gerade als sie ihre Augen schloss und wegzudösen schien, kitzelte ich sie leicht am Fuß, was sie mit einem leisen Aufschrei hochfahren ließ. Ich wusste, dass sie es hasste, wenn ich das tat, aber ihre Reaktion brachte mich jedes Mal aufs Neue zum Lachen. „Na warte", drohte Anna, trotz einer bemüht wütenden Miene, lachend. „Rache ist süß." Im nächsten Moment drückte sie mir die Reste ihres Eis ins Gesicht und verrieb es mit einem zufriedenen Grinsen. „Hmm Cookie Dough", lachte ich und versuchte mit der Zunge möglichst viel von dem Eis aus meinem Gesicht zu lecken. „Wer auch immer auf die Idee gekommen ist rohen Teig in ein Eis zu tun, sollte einen Preis dafür bekommen", wiederholte ich ihre Worte von eben mit verstellter Stimme. Anna ließ sich in einem Schneidersitzt zurück fallen und blickte mich vorwurfsvoll an. „Du bist so... so..."

„Attraktiv?", schlug ich vor und erntete dafür einen Augenrollen. „Anstrengend", verbesserte Anna mich. Gespielt beleidigt setzte einen Schmollmund auf. Anna sah für einen Moment aus, als wollte sie sich entschuldigen, doch ich kam ihr zuvor, in dem ich mich nach vorne beugte und sie küsste.

Sie kicherte und erwiderte den Kuss lächelnd.

Im nächsten Moment hörte ich das vertraute Klicken von der Seite.  Genervt, aber nach außen hin behutsam, löste ich mich von Anna um weitere Fotos zu verhindern. Während sie gerade abgelenkt war, drehte ich mich zu dem Gebüsch, aus dem ich das Geräusch gehört hatte und starrte es böse an. Wie auf Kommando kroch ein Fotograf, den ich sofort als einen von Janes Leuten erkannte, heraus und machte sich davon.

Nachdem ich mich wieder unbeobachtete fühlte, wollte ich gerade Anna wieder an mich heran ziehen, als ihr Handy klingelte. Sie schaute mich entschuldigend an und ging ran. „Hey Bree", hörte ich sie sagen. „Was gibt's?" Einen Moment lang war es still, während Anna abwartend ihrer Freundin zuhörte. „Mein Geburtstag war vor ungefähr einem Monat", antwortete Anna stirnrunzelt, nachdem Bree geendet hatte. „Warum willst du mir jetzt noch nachträglich was schenken?" Ich tat so, als wäre ich mit irgendetwas beschäftigt, während ich interessiert lauschte.

Annas Gesicht wechselte von verwirrt zu genervt. „Das ist ein Scherz, oder?" Pause. „Kannst du nicht Jacob fragen? Ich dachte ihr beiden seid jetzt zusammen oder so, da tut er dir gerne einen Gefallen." Pause. „Ja, ich will aber auch nicht da hin!" Fragend schaute ich Anna an, doch sie war zu sehr ins Gespräch vertieft um meinen besorgten Blick zu bemerken. Eine Weile lang hörte sie ihrer Freundin zu, während sie an ihrer Unterlippe herumkaute – ein Zeichen dafür, dass sie nachdachte. „Na gut...", antwortete sie schließlich gedehnt, mit wiederwilligem Gesichtsausdruck. „Ich mach's. Dafür schuldest du mir aber etwas, Bree!" Wieder etwas entspannter lehnte ich mich zurück und wartete darauf, dass Anna endlich auflegte. „Jaja, ich liebe dich auch", beendete sie endlich das Gespräch und steckte ihr Handy weg. „Betrügst du mich etwa?", startete ich den schwachen Versuch einen Witz zu machen, doch Anna schien gerade eindeutig nicht in der Stimmung für Scherze. „Das war Bree", sagte sie knapp.

Ich nickte. „Was wollte sie?" „Sie hat zwei Konzertkarten bei einem Gewinnspiel gewonnen und jetzt will sie unbedingt, dass ich mitkomme..." Ich zog verwirrt eine Augenbraue hoch. Das klang doch gar nicht so schlimm. „Du kannst mit deiner besten Freundin kostenlos auf ein Konzert gehen? Wo liegt das Problem?", fragte ich verständnislos.

Anna seufzte. „Die Musik trifft einfach überhaupt nicht meinen Geschmack und außerdem sind die Karten für den Innenraum, sodass ich dann die ganze Zeit zwischen kreischenden Fans stehen müsste."

Ich lächelte sie aufmunternd an. „So schlimm wird es schon nicht werden. Wie heißt denn die Band?" Anna zuckte mit den Achseln und erwiderte mein Lächeln schwach. „Ich glaube nicht, dass du schon mal von denen gehört hast." Sie fuhr sich erschöpft mit der Hand durch die Haare. „Sie heißen One Direction oder so ähnlich."

SecretsWhere stories live. Discover now