prologue.

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prologue.

Sydney, Australia.

*thursday, 1st january 2015 (present day)*

Es war Hochsommer und Luke stand früh morgens bloss in Boxershorts am offenen Fenster seines Zimmers und blickte auf das gegenüber liegende Grundstück, als dort eine durchschnittliche Familie mit zwei kleinen Kids Umzugkartons aus dem Lastwagen ins Haus trugen. Schnippisch seufzte er, bevor er sich die Zigarette anzündete und kräftig einen Zug nahm. In wenigen Sekunden spürte er schon, wie sich das Nikotin in sein Gehirn hochpumpte und ihm das wohlbekannte, entspannende Gefühl vermittelte. Wenn er sich nur auf die Zigarette in seiner Hand konzentrieren würde, während er damit herumspielte, könnte er fast die Welt und alles drumherum vergessen. Fast.

"Du rauchst? Und das in deinem Zimmer?", fragte das Mädchen auf seinem Bett sitzend, während sie sich ihr Top überzog. Sie war ungefähr in seinem Alter. Auch so um die 18, schätzte Luke.

"Ist das ein Problem?", gab er zurück, ohne sie anzusehen, merkte augenblicklich, wie grob sich diese Gegenfrage eigentlich anhörte, doch er entschuldigte sich nicht, sondern nahm bloss einen weiteren Zug. Immerhin war es sein Zimmer. Und wenn's nach ihm ginge, durfte er rauchen, wann und wo immer er auch wollte. Genau wie jetzt.

"Nope.", murmelte sie, als sie, fast gelangweilt, ihre Fingernägel betrachtete. Sie sass immer noch auf seinem Bett, war nun aber wieder bekleidet, als Luke zu ihr hinübersah. Er wusste, wie hartherzig er sich ihr gegenüber verhielt, besonders nachdem sie eine gemeinsame Nacht verbracht hatten und er kannte nicht einmal ihren Namen. Oder zumindest erinnerte er sich nicht mehr daran. Er hatte vermutlich auch nicht danach gefragt. Doch sie war eigentlich ein anständiges Mädchen und hatte diese Herzlosigkeit seinerseits nicht verdient. Aber das war genau der Tick, dachte er, man bekam sowieso nie, was man verdiente. Ein Gedanke, welcher wie eingepflanzt an ihm festhielt, denn er stammte nicht ursprünglich von ihm selbst. Er musterte sie mit seinen Augen ab, was ihr ein bisschen unangenehm wurde, weshalb sein Blick wieder zum Fenster hinaus glitt. Still und ohne Worte rauchte er weiter, warf dann die ausgelöschte Zigarette aus dem Fenster, nur, um sich eine weitere anzuzünden.

"Warum rauchst du so viel?", fragte sie schliesslich, diesmal mit lauterer Stimme und Luke zuckte die Schultern. Diese Frage löste in unfreiwillig etwas in ihm aus. Sie war ihm bekannt, denn er stellte sie einst selbst.

"Es hilft...", sagte er, während er sich daran zurück erinnerte. Als er sie ein weiteres Mal anstarrte, hielt sie seinem Blick stand und er schmunzelte, denn ihr Gesichtsausdruck hatte eine ungewöhnlich starke Ausstrahlung und ihm wurde klar, weshalb er ausgerechnet sie von allen Gästen der Silvesterparty mit nach Hause nahm.

"Du erinnerst mich an jemanden.", sagte er, während er den Rauch ausatmete, "Ein Mädchen, das ich mal kannte."

Sie war überrascht, als hätte sie diese Worte nicht erwartet. "Du kennst doch nicht einmal meinen Namen."

"Dann sag ihn mir. Wie heisst du?"

"Sophie.", sagte sie und beobachtete den dichten Rauch, der durch seine Lippen flog. Er lächelte, denn er fand, dass der Name gut zu ihr passte. So unschuldig. "Ich bin Luke.", sagte er, während er die zweite Zigarette an diesem Morgen ausdrückte und weit hinauswarf.

"An wen erinnere ich dich denn?", fragte sie, und in diesem Moment wünschte sich Luke, nie diese Bemerkung gemacht zu haben und ihre Neugierde fing bereits an, ihn zu nerven. Deshalb antwortete er nicht und hoffte, dass sie es dabei belassen würde. Doch im Gegenteil, sie wiederholte die Frage, weil sie dachte, er hätte sie überhört. Er seufzte und nahm neben ihr auf dem Bett Platz.

"Meine Ex-Freundin.", antwortete er nach einem zögernden Moment.

"Du und feste Beziehung?", fragte sie kichernd. Sie nahm ihn offensichtlich nicht ernst.

"Lach' so viel du willst. Glaub' auch, was du willst. Es ist wahr. Ich bin doch auch nur ein Mensch. Keine triebgesteuerte Sex-Maschine."

"Wie war ihr Name?"

Eigentlich wollte er nicht mehr weitersprechen, sondern am liebsten an die frische Luft gehen und alleine sein, doch ein Teil von ihm hielt ihn davon ab und wollte fortfahren. Nochmal ihren Namen sagen. Es war schon eine ganze Weile her, seit er sie zuletzt jemandem erwähnt hatte. Er holte tief Luft und spürte eine kleine Erleichterung, als er es aussprach. "Felicia. Felicia Roberts."

Sie klammerte sich an seinen Arm und er wehrte sich nicht. "Wie war sie so? Erzähl's mir.", sagte sie lieblich.

"Sie war hübsch, wirklich... wunderschön und hatte so lange, naturblonde Haare, genau wie du. Ihre Spitzen färbte sie sich einst aus Langeweile blau. Ausserdem strahlten ihre Augen ebenfalls diese Wärme aus. Diesen kräftigen Braunton mit Grünstich." Sie kicherte leise verlegen, als er dies aussprach, doch er liess sich davon nicht beirren und fuhr fort: "Sie liebte Musik über alles, konnte sich nie von ihren Headphones trennen, nicht einmal im Unterricht. Wir waren in der High School imselben Jahrgang und wohnten schon seit jeher gegenüber voneinander, doch kannten uns kaum. Sie kannte mich kaum. Wir lebten einfach unser eigenes Leben. Ich wusste nie wirklich, was ich mit meinem hätte anfangen sollen. Sie schon. Es war ihr Traum, Musikerin zu werden. Ihre Gitarre. Das war ihre Leidenschaft. Sie hätte dafür alles getan. Sie war auch wirklich gut darin, sogar viel besser als ich. Dazu hatte sie eine Schwäche für Erdbeereis und lange Bäder. Sie mochte das Wasser. Vor allem das Meer. Sie war selbstbewusst, temperamentvoll und hatte vor fast nichts Angst. Auch nicht vor Lehrern, die sie immer wieder tadelten. Denen fiel sie negativ auf, denn sie fehlte hin und wieder unentschuldigt und störte den Unterricht, indem sie beispielsweise spät zur ersten Stunde kam oder eben mit den Kopfhörern im Ohr. Doch es kümmerte sie wenig. Die Leute und ihre Mitschüler mochten sie eigentlich. Nicht jeder, aber die meisten. Manchmal wurde sie von einigen als eingebildet abgestempelt, doch das täuschte. Innerlich war sie... wundervoll. Es war ein harter, langer Weg, bis ich endlich zu ihr durchdringen konnte."

"Woah. Du hast sie sehr geliebt, oder?", fragte Sophie leise und unterbrach ihn somit von seiner Schwärmerei. Luke formte, während er sprach, die ganze Zeit hinüber ein schwaches Lächeln, das er nicht verbergen konnte. Aber es fühlte sich gut an, sich nach so langer Zeit wieder jemandem anzuvertrauen. Egal um die Tatsache, dass es sich hierbei quasi um eine Fremde handelte. Vielleicht lag seine Gesprächigkeit auch am Nikotin oder dem Alkohol von der Silvesterparty gestern, das noch nicht komplett abgebaut war und ihm dieses befriedigende Gefühl gab. Er war sich nicht sicher und beschäftigte sich auch nicht weiter damit, sondern konzentrierte sich wieder auf Sophies Frage. Ja, er wusste sehr genau, dass er sie geliebt hat. Schon immer. Er wusste auch, dass er ohne sie vermutlich nicht so wäre, wie er war. Anders, und nicht diese Person. Er war eigentlich nicht der Typ für One-Night-Stands und Rauchen am frühen Morgen gewesen. Er stand auf, griff erneut zur Zigarettenschachtel und lief zum offenen Fenster, durch welches immer noch kühle Morgenluft ins Zimmer blies.

"Ja, ich habe sie wirklich geliebt.", antwortet er schliesslich, nahm die nächste Zigarette in den Mund und zündete sie an, bereits die dritte an diesem Morgen.

"Wo ist sie denn jetzt?"

Luke sah gerade noch, wie der Truck wegfuhr und die Familie ihr neues Zuhause betrachtete und schliesslich hinter der roten Haustür verschwand. "Weg.", sagte er, ohne seinen Blick vom Haus abzuwenden.

"Was meinst du mit weg? Ist sie etwa... ist sie gestorben?"

Seine Hand ballte er zu einer Faust, nachdem Sophie das letzte Wort aussprach. Aber er schwieg zu diesem Thema. Er war aber sichtlich erstaunt, mit wievielen Fragen er nun durchlöchert wurde, zumal er sonst immer derjenige war, der sie stellte. Aber es gefiel ihm.

Sophie wurde bereits ungeduldig. "Erzähl' schon. Was ist aus ihr geworden?"

"Du willst die ganze Geschichte hören? Hast du an diesem Morgen wirklich noch so viel Zeit? Am Neujahrstag?", fragte er leicht schmunzelnd.

"Fang an."

"Na dann hör mir nun gut zu."

Luke holte einmal richtig Luft, denn er wusste nur zu gut: Er konnte sie nicht loslassen. Nie.

lose myself || luke. [a.u.]जहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें