7 | Toilettendrama

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Am vierten Morgen war ich lachend aufgewacht - mit der Betreuerin direkt über meinem Gesicht.
,,Hallo.", machte ich benommen.

,,Ich wollte dich aufwecken,  Ruby."

,,Mhm."

,,Ja."

,,Aha."

Irgendwie blieb ihr Kopf noch immer über mir.

Lange.

Ich unterdrückte den Drang, sie zu küssen.

Du Flittchen!, kicherte Alice.

Es gibt nur eine Person, die du auf den Mund küssen darfst!, zischte der Hutmacher.

,,Wie denn, wenn ihr mich von ihm fernhält?", murmelte ich lautlos.

Die Betreuerin sah, wie sich mein Mund bewegte, schien aber nicht wirklich viel daraus zu deuten. Stattdessen richtete sie sich langsam wieder auf. Endlich.

Es gibt nur eine Person, die du auf den Mund küssen DARFST, du musst es aber nicht tun.

Ja, vielleicht machen wir Ruby auch zur Nonne! In einem Kloster wird er sie sicher nicht finden.

Oder ihre jungfräuliche Gottesfurcht macht sie an...?, hauchte Alice hoffnungsvoll.
Ich vermutete, dass sie langsam in die Pubertät kam.

Ich hatte an diesem Morgen zwei Sitzungen hintereinander. Nach dem Frühstück, natürlich. Das durfte ich im Bett essen. Und da ich unschuldigst ohne Hintergedanken erzählt hatte, dass ich meine über alles geliebte heiße Schokolade mit extra viel Schlagobers schlürfte, befand sich diese ebenfalls auf dem Tablett. Ich strahlte, als ich sie sah.

Die Betreuerin zwinkerte mir wissend zu. Es fühlte sich etwas seltsam an, nachdem ich sie fast geküsst hätte.

🔫🔫🔫

Mein Tagesablauf war einfach gestrickt. Ich aß mein Frühstück (mit heißer Schokolade, extra für mich), hatte zwei Sitzungen und dann hatte ich sogar frei bis um fünf Uhr. Meistens ging ich in den Spieleraum. Dort saß oft eine Schizophrene, die verdammt gut in Schach war. Sie gewann natürlich immer, doch wenigstens wusste ich jetzt, wie dieses Spiel ging.

Selten, wirklich selten, war ich auch im Fitnessraum. Dort kletterte ich gerne auf Geräte. Die meisten Betreuer ignorierten das lächelnd, weil sie mich süß fanden (und mich deshalb bevorzugten).
Es gab dort einen muskulösen Kerl, der wegen Depressionen eingeliefert wurde. Mittlerweile ging es ihm schon besser, denn er sagte mir ziemlich oft, dass er sich das Trauma einfach wegtrainiert hatte.
Als ich fragen wollte "Welches Trauma?", schlug mir der Hutmacher auf den Mund. Stimmt, keine gute Idee.

Meine Eltern kamen immer vor dem Abendessen. Man hatte ihnen erlaubt, mir meine Kuscheltiere mitzunehmen. Jeden Tag eines. Sie saßen in meinem Zimmer, erzählten mir von ihrer Arbeit und fragten mich danach unendlich lange aus. Sie wussten bereits von Herb (dem Fitnessjunkie) und Mortadicia (der Schizophrenen).

Nach fast einer Woche brachten sie endlich jemanden mit - meine Freunde (die echten).

,,Ruby!", quietschte Seth übertrieben süßlich. Wie ich ihn liebte.

,,Sie sieht gar nicht aus wie Samara Morgan aus The Ring.", bemerkte Henry enttäuscht an Joel gerichtet. Joel nickte mit dem selben Gesichtsausdruck.

,,Ich hab euch vermisst!", brachte ich heraus. Den ersten drei hüpfte ich bereits in die Arme, Cassandra umarmte mich von hinten. ,,Die riechst wieder ein bisschen anders.", flüsterte sie gegen meinen Hals.

criminal manWhere stories live. Discover now