28 | Nebel und Champagner

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Drei verstauchte Finger, eine Beule am Kopf, ein gebrochener Zeh und mehrere geprellte Rippen.
Ich schlug mich definitiv nicht gut.
Aber ich schlug mich.
Und das schien meinem Vater nicht zu reichen.

,,Mehr Schwung, Schatz.", verlangte Papa.

,,Ich kippe gleich selbst um vor Schwung!", ächzte ich unter der Anstrengung. Aber egal, wie sehr ich es versuchte, ich brachte ihn nicht zu Fall.

Mein Vater seufzte. ,,Was hat Janson dir noch mal eingetrichtert? Wenn du kleiner und schwächer bist, musst du deine Geschwindigkeit im Kampf nutzen."

,,Ich hab keine Geschwindigkeit. Ich hab... Langsamigkeit.", stöhnte ich.

,,Das ist doch kein Wort!", ertönte Lydias Stimme tadelnd. Sie betrat den Raum mit so viel Lebensenergie, so viel Schwung, den ich ich eigentlich gerade gebraucht hätte.

,,Deine Mama ist kein Wort.", fauchte ich mit aller Kraft, die ich noch aufbringen konnte.

,,Langsamigkeit hört sich eher so an, als hättest du lange Samen.", fand Joe, der auf einer der Bänke hockte und sein Knie verarztete. Cassandra lag halb schlafend an ihn gelehnt da und wimmerte hin und wieder auf, während Henry ihre Füße massierte.
(,,Ach hör doch auf, ich leide hier entschieden mehr als du!", motzte er sie mit angewiderter Miene an.)
Seth tat sich an einem Schokoriegel gütlich, um die im Training verlorene Energie wieder reinzuholen. Zwar war sein Gesicht übersät mit blauen Flecken, doch Schokolade hatte eindeutig mehr Priorität. Verständlich.

,,Oder Sucht nach langen Samen.", fügte Cassandra hinzu. ,,Autsch, Henry!"

(,,Was kann ich dafür, dass du Blasen auf den Blasen hast?!")

,,Ihr seid blöd." Ich verschränkte beleidigt die Arme.

,,Du weißt doch gar nicht, welche Art von Samen wir meinen!", verteidigte sich Joe.

Mein Vater wurde so rot, genauso wie ich. ,,Ach ja, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.", bemerkte Lydia kichernd, während sie näher kam.

,,Genau, sie meinen sicher Chiasamen." Seth verdrehte die Augen.

,,Da fällt mir ein, Langsamigkeit könnte auch bedeuten, dass jemand für lange Zeit seine Samen aus-"

Ich unterbrach Cassandra. ,,WÜRDET IHR WOHL AUFHÖREN?!"

,,Sie hat jemand gesagt, also ist es jetzt eindeutig, dass kein Chia gemeint ist.", bemerkte Lydia.

,,Fragt sich nur wessen Samen." Joe grinste.

,,Vielleicht die Samen von S-" Und schon wieder wurde Cassandra unterbrochen, dieses Mal von Papa.
,,KEINER SAGT HIER DAS S-WORT!"

,,Selchfleischfilet.", flüsterte Joe verschwörerisch.

,,Soziologiestudium.", hauchte Lydia.

,,Säureregulator.", kicherte Cassandra.

,,Wirklich?!", stieß Seth aus. Er blinzelte ungläubig. ,,Das sind die ersten Wörter, die euch bei S einfallen? Was ist mit dem berühmten Drei-Buchstaben-Wort?"

Kurz war es still.

,,Senf?", kam es von Joe.

In diesem Moment entschied sich mein Vater es aufzugeben, mir das Kämpfen beizubringen und verließ den Raum.

,,Mich düngt, das sind vier Buchstaben.", meinte Lydia nachdenklich.

Bevor Joe es nochmal versuchen konnte, oder vielleicht sogar jemand das wahre, böse S-Wort aussprechen konnte (der Name einer sehr kriminellen Person, die sehr kriminelle Dinge tat, wie unter anderem mich mehrmals zu entführen. Und Menschen zu töten.), wandte ich mich an Lydia. Sie trug seit der Nacht der Rettung/Entführung keinen Bart mehr, obwohl ich den Eindruck hatte, dass sie es genossen hatte.
Das war jetzt etwas mehr als drei Monate her.

criminal manWhere stories live. Discover now