Dunkelheit

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Point of View Prudence

Mittlerweile war ich wieder alleine. Es war wieder stockdunkel. Doch es war mir egal. Dieser Kerl war weg, und diese Tatsache beruhigte mich tatsächlich. Immernoch saß ich zusammengekauert auf dem kühlen Steinboden. Die Kälte spürte ich nun schon gar nicht mehr.

Mittlerweile hatte ich eins verstanden: Hier kam ich nicht einfach so raus.

Die Fesseln waren immernoch so rauh wie seit Beginn, doch meine Hände fühlten sich mittlerweile zu taub an um Schmerz zu empfinden. Zwischendurch hatte ich an dem Seil gerissen, um zu schauen wie stabil die Bodenhäcken waren. Enttäuscht hatte ich festgestellt dass, sie sich nicht bewegten. Ich würde auf irgendeine Gelegenheit warten müssen, die sich durch die Unachtsamkeit dieser Mistkerle ergab. Oft entkamen Opfer nur durch Fehler der Verbrecher.

Etwas unbeholfen rutschte ich an die Wand. Dort lehnte ich mich an, und versuchte einmal tief durchzuatmen. Die Luft hier hatte etwas abgestandenes und modriges. Es wäre ich schon in meinem Grab tief unter der Erde. Nur war ich noch nicht tot.

Langsam fing ich an meine Zehen zu bewegen, die ich kaum noch spürte. Ich bereute es immer mehr, nicht mit Pullover und Wollsocken auf die Party gegangen zu sein. Mein knappes Kleid war absolut untauglich in meiner jetztigen Situation. Ich fror und fühlte mich nackt. Und irgendwie fühlte ich mich schmutzig, nicht nur weil ich am Boden lag und mein knappes Kleid vermutlich in den Müll gehörte. Es lag an der Art wie dieser Mann mich von oben her gemustert hat. Ich hatte mich schrecklich ausgeliefert gefühlt.

Mehr als vor seinem Besuch, war mir nun klar: Diese Männer konnte mit mir machen, was sie wollten, ohne dass irgendwer sie stoppen konnte. Wenn mir die Sache vorher schon schrecklich vorkam, hatte es sich nun nochmal gesteigert. Als mein Entführer aufgetaucht war. Entgeistert ging ich nochmal die Berichte im Kopf durch. Unzählige Zahlen rasten durch meinen Kopf. Statistiken die ich oder Kollegen angefertigt hatten. Bilder von dem Tatort. Die verschieden Fotoperspektiven, die in mir Übelkeit hervor riefen. Die Dokumente mit Aussagen von Verwandten der Opfer. Und letztlich die Berichte der Gerichtsmedizin. Mein Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Was hatten diese Schweine mit diesen Frauen angestellt, bevor sie gefunden wurden?

Ich bewegte weiter meine Zehen und dachte nach. Die Dunkelheit in die ich starrte hatte auch keine Antwort. Was genau mit den Opfern passiert war, würde ich nun vermutlich an meiner eignen Haut spüren. Und ich war mir sicher, diese Dinge nicht erleben zu wollen. In Gedanken ging ich nochmal meine Unterlagen durch. Was hatte ich in all der Zeit zusammen getragen?

Doch irgendwie schweiften meine Gedanken zu Victor ab. Wie oft hatte ich ihn heimlich bei der Arbeit beobachtet? Die Unterlagen und Zahlen verschmolzen mit seinem Gesicht.

Zu oft hatte ich an meinem Schreibtisch gesessen und mit einer widerwilligen Faszination den Mann beobachtet, der für mich bestimmt sein sollte. Immer wieder hatte ich sein Bild vor Augen. In meiner Erinnerung wirkte sein dunkelbraunes Haar irgendwie verlockend. Sein Lächeln verführerisch. Würde er mich suchen, wenn er merkte dass ich verschwunden war?

Ich schüttelte frustriert meinen Kopf. An was dachte ich hier eigentlich. Er konnte mich vermutlich nicht mal richtig leiden, hatte ich dass nicht allzu oft gemerkt? Wieso also sollte er merken, dass ich verschwunden war?

Die Chancen stand überhaupt schlecht, dass jemand außer Holly vor Montag merkte, dass ich verschwunden war. Und in meiner Lage war die Zeit bis Montag ewig. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, was bis dahin alles passieren konnte.

Ich konnte nur hoffen Holly, würde nicht denken ich wäre vor ihr abgehauen. Denn dann standen die Chancen schlecht. Niemand würde nach mir suchen und wichtige Zeit verstrich. Andererseits, war bei den anderen Frauen gleich gesucht worden. Und selbst bei denen konnte man nicht von erfolgreicher Suche sprechen.

Persuading PrudenceWhere stories live. Discover now