Angekratzter Stolz

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Point of View Prudence 


Schon im Auto war mir klar, dass ich eigentlich kein wirkliches Interesse daran hatte, irgendwelche verstümmelten Menschen, oder ihre abgehackten Körperteile aus nächster Nähe zu betrachten. Es machte alles so verdammt real. Im Büro waren es Akten und Bilder, die so weit wegschienen. Dinge, die ich wenn ich nach Hause ging, vergessen konnte. Einfach nur weit weg von mir schieben konnte. Doch ich war nicht schwach. Ich würde das Ganze über mich ergehen lassen.

Wenn die Inszenierung der Opfer auf den Bilder schon so erschreckend war, und nicht so leicht zu vergessen, wie sollte das mit eigenen, realen Erinnerungen dann aussehen?
Doch kaum hatte ich den Park betreten war es nicht mehr nur eine Vermutung, dass ich die ganze Sache nicht so einfach wegstecken würde. Es war eine Tatsache, dass ich dazu nicht in der Lage sein würde.

Meine zwei Kollegen musste das natürlich sofort bemerken. Steve reagierte einfühlsam und, naja, mein anderer Kollege verhielt sich in etwa so sensibel wie ein Stein. Ich wollte versuchen meine verkrampfte Haltung zu lockern, und meine Mimik etwas neutraler zu gestalten. Richtig gelingen wollte mir das aber nicht.

Ich ging weiter neben Victor und Steve her, die plötzlich erstaunlich große Schritte zu machen schienen. Für meinen Geschmack viel zu früh, nahm ich alle Eindrücke auf die sich mir boten. Mein Magen fing an zu rebellieren und allgemeine Übelkeit beherrschte meinen Körper. Das schwache, weiße Schimmern um den abgeschlagenen Frauenkopf und das leichte Surren, als ich dann etwas beherrschter näher trat, machten die Sache aber nicht unbedingt einfacher.

Ich spürte wie ich anfing zu schwanken. Mein Gesicht musste kreidebleich sein. In all den Jahren hatte ich andere Savants gemieden, war ihnen aus dem Weg gegangen.
Diesen Schimmer sah ich nun seit Jahren wieder das erste Mal. Meine Fähigkeiten mussten in den Jahren des Nichtgebrauchs schwächer geworden sein, das hatte ich schon bei Victor gemerkt. Aber ich hatte nicht mehr mit diesem Schimmer gerechnet. 

Ein bisschen schien es mir als würden meine Fähigkeiten heute wieder erwachen. Doch ich wollte das nicht. Mein Kräfte sollten schön wieder in ihren Dornröschenschlaf. Zum mindestens der Teil der mir nicht beim Verstecken half. 

Umso mehr schockte es mich nun, dieses Surren und Schimmern um die Leiche wahrzunehmen. Dieses Opfer war ein Savant, und das hieß nichts Gutes. Was für ein gemeines Spiel wurde hier eigentlich mit mir gespielt? Die nächsten Minuten nahm ich eher in Trance als in einem bewussten Zustand wahr. Mein Gehirn versuchte alles zu verarbeiten, mit allem zu Recht zu kommen. Mit minderem Erfolg. 

Aber ich musste mich zusammen reißen, ich wollte diesen Job. Ich wollte ihn wirklich. So eine Show konnte ich mir, an meinem ersten Tag, nicht leisten. Angespannt holte ich einmal tief Luft. Diese Sache hatte nichts mit mir zu tun. Savants gab es überall. Entspannter atmete ich aus.

Besichtigungen des Tatortes gehörten zum Geschäft, redete ich mir nun gut zu, um auch mit dem abgeschlagenen Kopf fertig zu werden. Es war nun mal anders als bei meiner alten Stelle, redete ich mir weiter Mut zu. Doch es half kaum. Die Täter mit denen ich es nun zu tun haben würde, waren voraussichtlich alle größtenteils Psychopathen, die Opfer würden meist tot und bestialisch zugerichtet sein, und von meinen Teamleiter wollte ich erst gar nicht anfangen. Das einzig Positive, war das Gehalt.

Mein Blick glitt wieder über die Leiche. Es war einfach alles zu viel für mich. Schon als ich die Leiche von Weitem erblickte, wusste ich das.

Da ich nun festgestellt hatte dass meine Berufswahl vielleicht nicht die Beste war, konzentrierte ich mich auf den Chef der Spurensicherung und darauf nicht zu kotzen. Victor hatte mich mehr oder weniger bei diesem Kerl abgestellt, und ich versuchte nun verzweifelt nicht wie die totale Anfängerin dazu stehen.

„....der Tatort ist jetzt jedenfalls soweit abgesichert. Allerdings haben wir bis jetzt keine bemerkenswerte Spuren gefunden. Aber das kann sich noch ändern." Der alte Mann lächelte mich sanft an als er das sagte. Ich war nun wieder klarer und lächelte leicht zurück.

„Wenn sie das Opfer identifiziert haben, wäre es schön wenn sie mich möglichst bald informieren könnten." Innerlich lobte ich mich dafür, einen seriösen Satz zustande gebracht zu haben. „Natürlich." Meinte er erfreut.

„Weiß man schon Genaueres über die Tatwaffe?" „Es ist erstaunlich, wie gut sie meinem Bericht vorher offensichtlich gefolgt sind." Sagte er gutmütig, aber der sarkastische Unterton seiner Stimme ließ mich rot anlaufen. „Entschuldigen sie. Normalerweise ist das nicht meine Art." „Wir hatten alle unseren ersten Fall, aber ich halte es für besser ihnen einfach die Akten zukommen zu lassen." Meinte er verständnisvoll, weswegen ich nicht versuchte ihm zu sagen, dass dies nicht mein erster Fall sei.

Er war schon halb von mir abgewandt als er erklärte. „Ich werde mich jetzt weiter an die Arbeit machen. Machen sie es gut Mrs. Thorndike." Er lief geradewegs zu einem seiner Kollegen und schüttelte im Laufen noch ungläubig den Kopf, was seinen Kollegen ein Grinsen entlockte. Er hätte sich ruhig Zeit lassen können, sich über unfähige Profiler lustig zu machen bis diese verschwunden waren. Der gute Eindruck von diesem Mann sank leicht, aber er hatte vermutlich wirklich Besseres zu tun, als Leuten die ihm nicht zuhörten etwas zu erklären.

Persuading PrudenceDär berättelser lever. Upptäck nu