Verstört

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Point of View Prudence

Angewidert verschwand ich aus dem Zimmer. Das Ganze konnte gerade nicht wirklich passiert sein. Das durfte gerade nicht passiert sein. Fakt war aber, meine Augen hatten mir keinen Streich gespielt. Holly war wie sie war, und Viktor schien genau von der gleichen Sorte. Impuls gesteuert. Ob mein Seelenspiegel es mit der Treue überhaupt ernst nahm?

Verdammt. Verdammt. Verdammt. Was war nur mit mir los. Ich wollte ihn nicht, wieso war ich dann nur so....ja was war ich den? Eifersüchtig? Sauer? Im Versuch mich zu beruhigen flüchtete ich über das Treppenhaus.

>>Prudence Schätzchen, was ist den mit dir los? Komm wieder hoch. Die Sache mit deinem Kollegen hat sich eh erledigt.<<

Ich nahm die Stufen in einem zügigerem Tempo um mich scheller von ihr zu entfernen. Das leichte Trippeln von Füße legte nahe, dass Holly mir folgte.

>>Lass mich in Ruhe.<<
In meiner Wut, übersah ich die letzte Stufe und knickte leicht um. Etwas langsamer humpelte ich die Treppe nach unten.

>>Was ist gerade dein Problem? Magst du den Kerl etwa? Wenn du nicht so prüde wärst, hättest du ihn heute Nacht haben können. Unwillig schien er ja nicht.<<

>>Halt die Klappe! Halt einfach die Klappe!<<

Eine Weile humpelte ich die Treppe nach unten, die Schritte die mir folgten kamen näher.

>>Holly lass mich jetzt einfach alleine und geh wieder zur Party.<<

Es dauerte eine Weile bis ich eine Antwort von ihr bekam, währenddessen kamen die Schritte nochmal ein gutes Stück näher. Ich machte langsamer weil mein Knöchel jetzt etwas schmerzte. Holly hätte mich sowieso bald erreicht. Dennoch richtete ich den Blick weiterhin stur nach unten auf die Stufen, um nicht noch einmal umzuknicken.

>>Wie meinst du das? Ich bin oben im Schlafzimmer.<<

Etwas irritiert drehte ich mich um. Von wem kamen die Schritte?

>>Tsst, kleine Caché.<<

Und plötzlich wurde es schwarz um mich, als sich ein Tuch auf mein Gesicht drückte.
Mein Bewusstsein entglitt mir.


Es war stockdunkel als ich benommen die Augen aufschlug. Mein Kopf dröhnte und es kostete mich unglaubliche Anstrengung, meine Augen nicht gleich wieder zu schließen und wach zu bleiben. Hatte ich zuviel getrunken? Und wo war ich überhaupt?

Ich versuchte desorientiert zu rekonstruieren was passiert war, und wo ich mich befand. Doch letztlich wollte es mir nicht gelingen, alles an dass ich mich erinnern konnte war der Beginn meiner Geburtstagsfeier. Ich hatte keine Ahnung wo ich war, geschweige den wie ich hierher gekommen war. Außerdem sah rein gar nichts.

Etwas unbeholfen richtete ich mich auf. Oder besser ich versuchte es. Zu meinem Entsetzen waren meine Arme und Beine gefesselt. Erst jetzt registrierte ich die rauhen Fesseln auf meiner Haut.

Blitzschnell rasten mir die Bilder von Entführungsopfer durch den Kopf. Eine hässliche Abfolge von entstellten Leichen. Dazwischen ihre Vermisstenbilder, Bilder von glücklichen, fröhlich lächelenden Menschen die verzweifelt von Freunden und Verwandten gesucht wurden. Und immer wieder Tatortbilder. Augenblicklich ergriff mich Panik. Ein leichter Schweißfilm bedeckte meinen Körper. Mein Herz schlug unerträglich laut. Mir war als müsste ich sterben. Ich fing an zu schreien. "Hilfe!"

Irgendwann, ich konnte nicht sagen wieviel Zeit vergangen war, verflog meine Panik. Mein Herzschlag wurde ruhiger. Mein Atem langsamer und meine Stimme schwächer. Doch meine Angst und die Ungewissheit war immernoch da. Ich schrie nun in einigen Abständen bedachter nach Hilfe.

Doch nichts geschah. Niemand kam, niemand rettete mich und noch wichtiger niemand töte mich. Es blieb dunkel. Hier war es nicht nur dunkel, mit der Zeit fiel mir auf wie kalt und feucht es war, wo auch immer ich sein mochte. Mit leichtem Entsetzen fiel mir auf dass ich immernoch das knappe blaue Kleid trug dass ich zur Party angezogen hatte. Warum ausgerechnet hatte ich mich für das einzige wirklich kurze Kleid in meinem Schrank entschieden?

Verdammt. Ich wusste nicht wie lange es dauerte bis ich angefangen hatte zu zittern, und wieviel Zeit verging bis ich nichts mehr spürte. Aber eins wusste ich, ich würde hier unten nicht so schnell wieder raus kommen. Das stand fest.

Nun schrie ich nur noch Hin und wieder nach Hilfe, oder auch ein bisschen aus Wut und Verzweiflung. Die kurzen Phasen in denen ich wütend in die Dunkelheit schrie, um nachdem ich mich beruhigt hatte haltlos anzufangen zu heulen, waren die schlimmsten. Doch selbst als mein Hals so trocken war, dass schreien weh tat, hatte sich nichts an meiner Situation geändert. Niemand war gekommen. Ich saß alleine und fühlte mich als wäre mein Körper betäubt.

Einem plötzlichem Gedankengang folgend, fing ich an zu versuchen mit Holly telepathisch in Kontakt zu treten. In Gedanken schimpfte ich mit mir selbst, dass ich nicht früher auf die Idee gekommen war. Doch kurz bevor ich dass Gefühl hatte Holly zu erreichen, durchfuhr mich ein fürchterlicher Schmerz.

Es fühlte sich an, als wäre ich auf dem Weg über meine telepatische Brücke direkt gegen einen elektrischen Zaun gerast. Als sich der Schmerz in ein unangenehmes Kribbeln verwandelt hatte, versuchte ich es erneut. Dieses Mal war es als würde ein Gewitter meinen Kopf erzittern lassen und ein Blitz meinen Rücken hinunter jagen.

Bis der Schmerz diesmal auf ein erträgliches Maß sank, dauert es viel länger. Auch ohne Uhr war mir das klar.

Irgendwas stimmte hier überhaupt nicht, und ich war mir ziemlich sicher, dass lag an einem anderen Savant. Abermals wollte ich es nicht versuchen. Mir reichte es fürs erst. Es stand für mich nun fest dass ich es mit einem Savant, oder vielleicht auch mehreren zu tun hatte.

Erst jetzt fing ich an mich zu fragen wer mich hierher verschleppt hatte und was die Motive waren. Hatte es mit dem Fall zu tun? Oder doch etwa mit meiner Familie? Für mich gab es keine offensichtlich Lösung.

Doch irgendwann würde sich irgendwer zeigen müssen, und so lange würde es sicher nicht mehr dauern. Außerdem würde Holly vermutlich genau in diesem Moment fieberhaft nach mir suchen.

Ich hoffte nur sie würde mich bald finden. Die Kälte und die schleichenden Schmerzen, die die Fesseln verursachten, nagten an mir. Dazu kam noch diese entsetzliche Ungewissheit. Ich würde hier doch nicht sterben...?

Persuading PrudenceWhere stories live. Discover now