Chancen verlieren

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Point of View Victor


Ich wollte mich gerade über Steve ärgern. Doch Prudence hatte unbemerkt das Lokal betreten und uns entdeckt. Ich erschrak, als ich ihre Stimme hörte. „Ah, da seid ihr ja." Sie war selbstsicher auf uns zugesteuert und mit ihren Worten richte sich meine ganze Aufmerksamkeit plötzlich auf sie. Was hatte sie hier verloren? Wie hatte sie uns gefunden? Wir hatten sie extra nicht mitgenommen.

„Was suchst du hier?" Blaffte ich sie an. Sie blieb ungerührt, und ließ sich von mir nicht einschüchtern. Ihre Haltung war selbstsicher. „Ich hab euch gesucht. Ich bin fertig und wollte jetzt ins Büro." Rechtfertigte sie sich in normalem Ton.

Wer ist das?  Fragt mich Trace telepathisch. Eine unfähige Kollegin, antwortete ich. Weiß sie von uns? Von den Savants?  Fragte er eindringlicher. Nein und das soll so bleiben. Erklärte ich und brach das telepathische Gespräch ab, um mich auf Prudence zu konzentrieren.

Barsch fuhr ich sie an. „Du willst ins Büro, dann geh doch ins Büro." Vic, du wirst unfreundlich. Benimm dich doch bitte.  Maßregelte mich mein Bruder. Trace, wieso nimmst du sie in Schutz. Sie ist eine eingebildete menschliche Zicke, sie hat deinen Schutz nicht verdient. Außerdem, rede ich mit ihr wie ich es für richtig halte.

„Wartest du auf eine Einladung?" Gab ich in aggressivem Tonfall von mir, und auch ihre Tonfall wurde unfreundlicher. „Genau das hab ich vor. Aber den verdammten Autoschlüssel hast du und nicht ich." „Du hättest warten können." „Ja, wenn ich gewusst hätte wohin ihr verschwunden seid und wann ihr wieder kommt." „Bis zur East 36th Avenue hättest du laufen können. Das ist wirklich..." „Genau, ich bin ja auch schon so lange in Denver. Den Weg zu finden wäre sicher ein Klacks gewesen. Arschloch!"

Wir steigerten uns in einen Streit hinein. Sie brachte mich gerade zur Weißglut und DAS war im Moment nicht gut. Ich war seit Tagen so unausgeglichen wie noch nie.

„Kommt mal beide runter." Mischte sich nun Steve ein und fügte dann hinzu. „Was ist eigentlich gerade los mit euch?" Wütend schaute ich ihn an. „Du hast doch keine Ahnung was los ist Fischer. Also halt einfach die Klappe." „Hör auf Steve anzuschreien. Er hat ganz normal mit dir geredet." Versuchte Prudence ihm nun wiederum zu helfen. Die Sache entwickelte sich langsam zu einem handfesten Streit und auch die anderen Gäste des Dinners warfen so langsam Blicke zu uns rüber.

Plötzlich drückte Trace mich zurück auf meinen Stuhl. Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich aufgestanden war und mich drohend in die Richtung von Prudence gestellt hatte. „Du ziehst gerade eine Menge Aufmerksamkeit auf uns. Und wir sind beide in Uniform. Reiß dich gefälligst am Riemen." Zischte er mir ins Ohr. Ergeben lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück. Solche Ausbrüche waren einfach nicht gut. Dennoch war ich jetzt noch gereizter und wütender. Zorn und Frust wurden immer mehr zu meinen ständigen Begleitern. Ich wusste es würde schlimmer werden, wenn ich nicht bald meinen Seelenspiegel fand. 

„Willst du auch noch einen Kaffee Pru?" Fragte Steve um die Lage zu entspannen. Es machte mich irgendwie rasend. Ich versuchte mich zu entspannen. Aber irgendwas sagte mir dass es nicht gut war Mrs. Thorndike in der Nähe zu haben und dass sie nun besser verschwinden sollte.

Prudence strich sich kurz über ihren schwarzen Blazerärmel und meinte dann zögerlich. „Nein Danke. Ich sollte wirklich zum Büro." Sie wand sich kurz meinem Bruder zu. „Ich bin übrigens Prudence Thorndike. Die Profilerin." Ihre Vorstellung quittierte dieser mit einem leichten Nicken in ihre Richtung. „Trace Benedict. Vic's Bruder. Aber eigentlich wollten wir gerade gehen. Victor und ich haben noch was zu erledigen." Vermutlich merkte auch Trace, wie die Atmosphäre sich langsam spürbar anspannte.

Prudence stand noch immer vor unserem Tisch und zog eine Augenbraue nach oben. „Was habt ihr denn zu erledigen?" Fragte sie neugierig.

Das war zu viel für mich.

Es war mir egal dass es nicht moralisch war an einem Menschen seine Savantkräfte zu benutzen. Ich wollte dass sie wegblieb und aufhörte Fragen zu stellen. Dieser Fall war einfach nur Scheiße und sie als Profilerin unfähiger als eine Gardinenstange. Hätten die uns einen anständigen Profiler geschickt, hätten wir die Chance auf gute Ergebnisse. Aber so wurde dieser Fall noch ätzender. So wurde sie ungewollt zum Blitzableiter meiner Wut und dem angestauten Frust.

Es war seltsam ihren Geist zu streifen. Irgendwie fühlte es sich seltsam an. Dennoch, die Wut in mir kochte und sie war definitiv zur falschen Zeit am falschen Ort. Ich wollte sie jetzt nicht hier haben. Mit Telepathie wäre es am einfachsten. Als Mensch würde sie nicht merken, dass ich Telepathie anwandt. Doch trotzdem würde sie unterbewusst darauf reagieren.

Verschwinde verdammt nochmal. Das hier geht dich nichts an. Du gehst jetzt nach Hause oder ins Büro oder wohin der Teufel will und wirst dich nie mehr in meine private Angelegenheiten einmischen.

Ich wusste dass sie meiner Aufforderung Folge leisten würde. Meine Gabe würde sie dazu bringen. Das war das Schöne an der Sache. Und das Beste an der Sache, sie würde es einfach tun, ohne zu diskutieren oder Fragen zu stellen.

Ich beobachtete wie meine Worte in ihrem Unterbewusstsein ankommen würden. Ich war verwirrt als sie plötzlich stocksteif da stand und sich in ihrem Gesicht innerhalb von Sekunden mehrere Gefühlsregungen zeigten. Irgendwas war da faul. Leicht verdattert zog ich eine Augenbraue nach oben. Normal verhielten sich die Menschen nicht so.

„Pru du siehst leicht blass aus." Schaltete sich Steve nun besorgt ein. Plötzlich sah sie wieder normal aus. Wenn mir meine Augen keinen Streich gespielt hatten, hatte sie sich kurz und ganz leicht geschüttelt. „Ich werde jetzt besser gehen." Stammelte sie.

Vic ich weiß was du getan hast. Es ist falsch Menschen zu manipulieren. Hör auf solche Dinge zu tun, du weißt was passiert wenn Savant Gefallen an der Macht finden. Du weißt was Mum darüber denkt. Außerdem wart du mit dabei in Vegas als wir Sky gerettet haben. Willst du werden wie diese Bastarde?

Frustriert schaute ich meinen Bruder an. Ich wollte nur dass sie geht.
In der Zwischenzeit hatte sich Prudence zur Tür bewegt. Doch kaum dass sie verschwunden war, meinte Steve verärgert.

„Echt Victor, du hättest netter zu ihr sein sollen. Hast du nicht gesehen wie unwohl sie sich am Tatort gefühlt hat?! Und wir lassen sie einfach stehen. Und die Szene hier im Dinner war gerade mehr als überflüssig. Überhaupt wie soll sie wieder zum Hauptquartier finden?" Ohne ein weiteres Wort stand er auf, ging an mir vorbei und ließ mich eiskalt zurück. Mir war zwar aufgefallen dass die zwei sich gut verstanden, aber dass er wegen ihr so reagieren würde.

„Wohin willst du?" Rief ich ihm nach. „Ich laufe zur East 36th. Ist ja nicht weit. Ciao Kollege." Meinte er bitter und schaute mich nicht einmal an.

Zufrieden Bruder? Meldete sich nun mein Bruder. Es klang aber neutral und gar nicht verurteilend. Ich machte mir gar nicht die Mühe ihm zu antworten. Er saß beherrscht neben mir und trank seinen Kaffee aus, als wäre nichts passiert.

Nach einer Weile legte ich 20 Dollar auf den Tisch, zum Bezahlen sollte das ausreichen. „Wir sollten gehen Trace." Schlug ich vor, doch er war schon aufgestanden um das Dinner zu verlassen.

Als ich das freundliche Dinner verlassen hatte und auf dem Gehweg stand, atmete ich einmal tief durch. Die Luft hier draußen ließ mich klarer werden. Was war zurzeit eigentlich mit mir los? An diesem ganzen Mist war nur die Tatsache schuld, dass ich noch immer nicht meinen Seelenspiegel gefunden hatte. Früher oder später wurden die meisten Savants so ohne Seelenspiegel.

Wie immer war es meine perfekte Ausrede, für jede Art von Fehltritten. Noch kein Seelenspiegel. Doch es machte mir wirklich schwerer zu schaffen, als man mir ansah. Meine jüngeren Brüder hatten alle schon ihre Seelenspiegel gefunden. Selbst Trace hatte seine Diamond. Ich blieb auf der Strecke. Warum versagte ich so bei der Suche?

Intensiver und ausdauernder als meine Brüder hatte ich nach der einen gesucht.
Doch bis jetzt hatte ich keinen guten Anhaltspunkt. Wir hatten eine Seelensucherin, in unserer Familie, aber selbst die konnte mir nicht helfen. Es war als würde mein Seelenspiegel in regelmäßigen Abständen um die Welt hüpfen. Zuerst dachten wir sie wäre in Afghanistan. Ich war überglücklich. Doch schon am nächsten Tag, war sie wo anders. Bei allen anderen ging es so einfach. Doch mir war mein Glück einfach nicht hold.

Plötzlich trat Trace neben mich und legte mir beruhigend eine Hand auf die Schulter. Diese einfache Geste sagte mehr als tausend Worte.

Es war ein Stummes 'Wir-haben-alle-mal-einen-schlechten-Tag' ein 'Der-Fall-wird-sich-auch-bald-lösen', ein 'Nächstes-Mal-läuft's-besser', ein 'Es-tut-mir-Leid, dass-du-sie-noch-nicht-gefunden-hast', oder auch aber vor allem ein 'Ich-steh-hinter-dir-Bruder'. Wenigstens hatte ich meine Familie die immer zu mir stehen würden.

Persuading PrudenceHikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin