...frühstücken auch

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Point of View Victor


Irgendwie stand ich immernoch etwas unter Schock.
Dieser Morgen lief nicht wie ich ihn mir vorgestellt hatte.
Nicht einmal annähernd.

Doch irgendwie schafften Sky und Zed es die Lage zu entspannen. Waffenstillstand war vorläufig die Devise.

Und da saß ich nun. Am Frühstückstisch mit einer mir völlig Fremden. Sky und Zed starrten sie etwas zu intensiv an. Es war als erwarteten alle, sie würde vor unseren Augen verpuffen oder sich in ein Monster verwandeln. Aber dieses komische Weib hatte die Ruhe weg. Kaute genüsslich ein Brötchen, und schlürfte Kaffee. In meiner modernen Küche wirkte sie leicht fehl am Platz. Nicht weil der Stil nicht zu ihr passte, er weil man sich mit Holly kein Familienfrühstück vorstellen konnte.

Sky und Zed, hatten den Tisch mit viel Liebe gedeckt. Aufbackbrötchen dufteten köstlich, und der Geruch von Kaffee erfüllte die Küche. Mir war der Appetit aber ordentlich vergangen.

"Warum bist du so sicher dass sie auf der Treppe verfolgt wurde?" Fragte ich Holly und starrte direkt in ihre grauen Augen, die Prudence's Augen so ähnlich waren.

"Weil Prudence dachte ich wäre direkt hinter ihr auf der Treppe." Damit wand Holly sich ihrem Brötchen zu. Sie hatte etwas kühl kalkulierendes an sich. Wie sie nun den Blick auf das Messer und das Brötchen richtete, machte sie mir sogar ein bisschen Angst. Keine Spur mehr von der Wut und dem Tatendrang. Sie saß da, als wäre nie etwas passiert. Ich überlegte was in ihr vorging, und konnte nur hoffen mein gedankenlesender Bruder würde die Lage gut im Blick haben. Unterschwellig hatte ich Angst sie könnte uns etwas antun.

Holly war undurchschaubar, soviel wusste ich nach wenigen Minuten mit ihr. Nicht zu zeigen was in einem vorging, macht Menschen unberechenbar. Mein Blick glitt zu Sky, die nun zögerlich ein Brötchen auf ihren Teller legte. Zed beobachte sie dabei mit Agusaugen. Holly bemerkte die Anspannung scheinbar nicht. Sie trank einen Schluck Kaffee und murmelte dann vor sich hin. "Wenn ich sie doch nur wieder aufspüren könnte."

Und plötzlich kam mir ein Geistesblitz. "Wir setzen ein Sucher auf sie an. Ich kenne da jemanden." Sagte ich überzeugt. Crystal wäre ideal dafür. Wir hätten Pru und die Täter schnell gefunden. Doch ich ernte nicht die gewünschte Reaktion. Nicht einmal annähernd.
Holly lachte einfach nur bitter. Sky und Zed beäugten sie kritisch, diese Frau war einfach nicht normal.

"Seh ich so doof aus? Irgendjemand sie oder jemand anders cachiert sie. Bevor ich zu dir kam um dich am liebsten umzubringen, hab ich es schon mit einfacher Telepathie versucht. Aber sie ist nicht greifbar. Gestern war sie es noch. Ich hätte sie schon vor Jahren gefunden wenn sie sich nicht so vehement gegen uns abgeschirmt hätte." Ich schaute Holly fragend an. "Abgeschirmt?"

"Glaubst du Pru lässt Gänseblümchen blühen?" Holly antwortete spöttisch und mit einem Hauch Verzweiflung. "Wenn du dass bis jetzt noch nicht verstanden hast. Sie kann sich verstecken. Vor jedem wenn sie nicht gefunden werden will. Und als I-Tüpfelchen sieht sie wer ein Savant ist. Ich hab Jahre gebraucht ,und ihre Nachlässigkeit, sie zu finden."

Ein bisschen wurde mir schlecht bei dem was sie mir da eröffnete. Es war seltsam es so klar zuhören. Außerdem minderte es die Erfolgschancen gehörig. Dennoch musste ich nochmal bestätigt haben, was Holly mir heute morgen eröffnet hatte.

"Sie wusste die ganze Zeit dass ich ein Savant bin?" Ich schluckte einen Kloß herunter, bei diesem Gedanken. "Ja gleich beim ersten Blick auf dich."

Ich versuchte nüchtern zu bleiben, und die Informationen erstmal zu verarbeiten. Ein etwas anderer Gedanke kam mir, den ich sogleich äußern musste.

"In dem Fall den wir gerade bearbeiten, hätte sie uns vermutlich besser helfen können, wenn sie etwas gesagt hätte."

Holly nahm still einen Schluck Kaffee. Zed und Sky wirkten immernoch nicht ganz entspannt, widmeten sich aber nun etwas intensiver ihrem Frühstück. Eine ganze Weile herrschte Stille.

"Ach man." Stöhnte Holly und ich warf ihr einen Seitenblick zu. Ihre Miene hatte sich innerhalb kürzer Zeit verändert. Zum ersten Mal seit ich Holly kannte, war ihr Gesicht von Trauer und Schmerz verzogen und nicht diese undurchschaubare Maske. Und Holly war nicht der Typ für diese Art von Emotion. Sonst war ihr Gesicht immer eine schöne Maske aus der man kaum Gefühle ablesen konnte. Soviel hatte ich schon gelernt. Sie mochte es Situationen zu kontrollieren.

Und plötzlich mischte sich Zed ein. "Sowas darfst du gar nicht denken. Wir finden sie schon." Von was er sprach war klar. Wie von der Tarantel gestochen starrte Holly Zed an. Einen kurzen Moment wusste keiner was er sagen sollte. Holly hatte einen wachsamen Blick und ihre Haltung war plötzlich aufrechter und angespannt, als sie Zed anstarrte. Dieser bereute nun offenbar die kleine Offenbarung dass er Gedanken lesen konnte.

"Ich mag es nicht wenn Leute in meinem Kopf sind." Erwiderte Holly nun bissig. Ihre grauen Augen starrten meinen Bruder nun direkt an, und dieser schien tatsächlich den Atem anzuhalten und etwas bleicher zu werden.

"Kann ich verstehen." Pflichtete ihr unerwarteterweise Sky bei, und nahm der Situation so ihre Schärfe.

Das blonde Mädchen hatte ein leichtes Lächeln aufgesetzt, und Holly wand den Blick von Zed ab. Erstaunlicherweise erwiderte Holly das Lächeln und schaute Sky erwartungsvoll an. Diese erwiderte leichthin. "Glaub mir, manchmal kann es echt nerven, wenn dein Freund deine Gedanken lesen kann. Aber er macht das ja nicht unbedingt mit Absicht."

Das Grinsen von Holly wurde nun ehrlicher und breiter. "Damit hast du wohl das schwerere Los." Damit schien die Sache für Holly irgendwie erledigt. Stumm lächelnd wand sie sich wieder ihrem Brötchen zu. Doch ich ahnte dass sie ihre Gedanken nun besser sortierte um nur das nötigste Preis zu geben. Die Situation aber einfach so hinnahm. Die Stimmung war nun trotzdem erheblich besser.

Auch ich wagte es nun mich meinem Essen zuzuwenden. Nun lief das Frühstück entspannter ab. Und Zed und Sky scherzten wieder, und selbst Holly schien lockerer.

Doch plötzlich änderte sich die Situation. Holly schaute verwirrt. "Ich hab sie gespürt." Hauchte sie.

Sie wand ihr Gesicht ab. Schaute zum Fenster, als würde sie dort finden was sich suchte.
Als Holly mich nun wieder ansah war ihr Gesicht eher eine hasserfüllte Fratze. Sie wirkte trotz ihre grazile Gestalt gefährlich.

"Diese Schweine ich spüre dass sie gerade telepathisch Kontakt aufnehmen will. Aber in dem Moment wenn ich den ersten Anflug ihres Geist spüre schreckt er schon wieder zurück. Und ich erreiche sie nicht. Da ist nichts wonach mein Geist greifen könnte." Sie ballte ihre Hände zu Fäusten.

"Sie wird auch telepathisch geblockt?! Das gibt es fast nicht, wie können die...ich meine mit was für Kräften spielt dieser Psycho alles? Ich dachte sie wäre einfach zu weit weg. Aber wenn ihr Geist dich streift wird sie noch in Denver sein. Wir sollten trotz allem nochmal einen Sucher oder Tracker auf Pru ansetzen. Ich hab da so jemand in der Familie, der helfen könnte."

Langsam fasste sie sich an ihren Hals und spielte an einer silbernen Kette. Sie war nervös, nickte aber. Fügte dann aber leise hinzu. "Sie ist wach. Sie leidet sicher Höllenqualen. Was wenn sie gefoltert wird? Ich ertrag dass nicht." Sie sprach in einem Tonfall der mich erschaudern ließ. "Nicht auch noch Prudence, bitte."

Und es war klar dass auch Holly sie näher dem Tod sah als dem Leben. Es war klar das Pru in den Händen eines Savants war.

Ich dachte einen Moment über all die verkorksten Savants nach die in dieser Welt herumliefen.

Ob Seelenspiegel den Charakter immer zum Guten ändern konnten? Nun stöhnte auch ich, was mein Seelenspiegel wohl gerade trieb? Wie es ihr wohl ging? Hoffentlich steckte sie nicht in Schwierigkeiten oder musste Dinge tun die sie nicht wollte. Was wenn sie wie Phee, der Seelenspiegel meines Bruders, auf der kriminellen Bahn war und erst da rausgeholt werden musste? Einen kurzen Moment wurde ich traurig, doch ich musste bei der Sache bleiben. Nun waren standen andere Dinge an.

Etwas unsicher ließ ich den Blick über den Frühstückstisch schweifen. Und schaute Holly an. Die nun irgendwie zerbrechlich wirkte.

"Sollen wir nachher zu ihrer Wohung fahren? Vielleicht finden wir dort etwas, was uns helfen könnte." Schlug ich vor und Holly schaute mich an, immer noch Tränen im Augenwinkel. Und nickte einmal. Damit schien es beschlossen.

Persuading PrudenceWhere stories live. Discover now